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12. Jän 2020

Taufe des Herrn.

Warum hat Jesus eine Taufe nötig?

Matthäus 3,13 - 17

Warum hat Jesus eine Taufe nötig? Das fragen sich heute manche Bibelleser - das war auch unter den Christen der ersten Jahrzehnte eine brennende Frage, wo doch für sie selbst die Taufe (klarerweise Erwachsenen-Taufe!) mit Tilgung ihrer schlimmen Vergangenheit verbunden war. Matthäus löst in den 80er Jahren diese Frage auf seine Weise. Die Auslegung ist diesmal so gestaltet, dass der Original-Text verwoben ist mit der Auslegung.

Zu dieser Zeit … Es ist das Jahr 27 n.Chr. nach heutige Zeitrechnung, im 16.Regierunsjahr des Kaisers Tiberius nach damaliger.

kam … Der Originaltext sagt nicht einfach "kam", sondern "er trat in Erscheinung", "er war unerwartet da", "trat erstmals öffentlich auf".

Matthäus verwendet es gerne: "In jenen Tagen aber trat Johannes der Täufer auf und verkündete in der Wüste Judäa“ (Mt 3,1) „Als nun Jesus geboren war, zu Betlehem im Land Juda in den Tagen des Königs Herodes, da kamen (besser: tauchten auf, es war ihre Ankunft) Magier aus dem Osten nach Jerusalem (Mt 2,1)

Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen.... Das war in doppelter Hinsicht außergewöhnlich: Erstens kamen die Pilgerscharen zu Johannes nur aus einem Umkreis von 30-60 km  - aus Judäa und Jerusalem. Damit nahmen sie einen 1-3 tägigen Fußweg auf sich. Von Galiläa kam kaum jemand, denn das waren 120 - 160 km (= 4-6 Tage Anmarsch). Jesus war also eine Ausnahme, dazu bedurfte es einer besonderen Entschlusskraft. Zweitens kamen die Leute, um über ihre Verfehlungen und ihr sündhaftes Vorleben zu sprechen. Das traf doch auf Jesus nicht zu. Jahrzehnte später, als sich das junge Christentum ausbreitete, tauchte immer wieder die Frage auf: Warum hatte es Jesus damals nötig gehabt, sich von Johannes im Jordan untertauchen zu lassen? Und: War nicht doch Johannes der Bedeutendere? Es gab bis in die 50er Jahre hinein Johannes-Gruppen, die ihn als den Lebenslehrer verehrten und die in Konkurrenz zu den Jesus-Hauskreisen standen.

Dem beugt der Verfasser des Matthäus-Evangeliums in den 80er Jahren entschieden vor, indem er einfügt:

Johannes aber wollte es nicht zulassen Genauer übersetzt: Er hielt ihn davon ab.

und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir? Dieser Einwand stammt vermutlich nicht wirklich aus dem Mund des Johannes, weil er außer der Klarstellung, wer der Größere ist, keinen Sinn ergibt: Jesus führte damals keine Taufen durch, seine Mission war eine andere.

Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen. Das Wort "Gerechtigkeit" ist weniger die Linie Jesu als die des Täufers und des AT. Es taucht schon beim Propheten Jesaja auf und es sollte vom Hebräischen ins Deutsche eher übersetzt werden mit "Heil" - das sich siegreich durchsetzende Heil. "Taut ihr Himmel von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit (gemeint ist "Heil") regnen. Die Erde tue sich auf und bringe Heil (genauer: Rettung) hervor, sie lasse Gerechtigkeit (besser: Heil) sprießen. Ich, der Herr, erschaffe es." (Jes 45,8)

Das Wort "Gerechtigkeit" scheint eher eine Einfügung des Matthäus zu  sein, der ja jüdischer Schriftgelehrter war. Es ist eines seiner Vorzugswörter. Ebenso die Wendung "es erfüllte sich das Wort" Es kommt bei Matthäus 12 Mal vor. "Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. (Mt 5,20 ) Jesus sagte zu den Hohepriestern und Ältesten des Volkes: "Amen, ich sage euch: Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr. Denn Johannes ist zu euch gekommen auf dem Weg der Gerechtigkeit und ihr habt ihm nicht geglaubt. (Mt 21,32 )

Da gab Johannes nach.

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In den Wintermonaten Jänner und Februar, als Jesus bei Johannes am Jordan gewesen sein dürfte, kann der verhangene Himmel über der Wüste plötzlich aufreißen und es bricht ein mächtiger Sonnenstrahl durch.

Als Jesus getauft war… Bei genauem Hinsehen fällt auf, dass es Matthäus bewusst vermeidet zu schildern, dass hier Johannes tätig. In seiner Vorlage, im Markus-Evangelium steht eindeutig: "Jesus ließ sich von Johannes im Jordan taufen." (Mk 1,9)

… stieg er sogleich aus dem Wasser herauf. Und siehe, da öffnete sich der Himmel ...  Wie dürfen wir uns das vorstellen? Dass ein gewaltiger Riss die Wolken augenblickshaft öffnet und ein mächtiger Sonnenstrahl durchbricht und einen Fleck Erdboden aufhellt, das kommt manchmal vor. In Israel klarerweise nur in der Regenzeit, wenn der Himmel Grau in Grau verhangen ist. Das passt gut zu der Jahreszeit, als Jesus dort hin kam: Jahreswechsel 26/27, vielleicht Jänner 27. Das wissen wir, weil er wenige Monate später von Galiläa zum Pascha-Fest nach Jerusalem zieht - laut Johannes-Evangelium. Das muss Ende März/Anfang April gewesen sein.

und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen.     Der "Geist" heißt im Griechischen PNEUMA und bedeutet soviel wie "Hauch, Atem, Wind". Der ist nicht sichtbar, höchstens spürbar. Jesus spürte also den Windhauch und deutete ihn als Atem Gottes, weil gleichzeitig eine Taufe auf ihn zuflog - ausgerechnet auf ihn, "sah er". Vögel galten immer schon als Zeichen. Am häufigsten von allen Vogelarten wird in der Bibel der Adler erwähnt. Er ist Symbol für den machtvollen Herrscher. Warum wird er hier nicht erwähnt? Jesus wäre doch der König. Erstens, weil damals tatsächlich kein Adler erschien ist. Es handelte sich hier nicht um eine erfundene Geschichte. Zweitens hatte die Taube eine andere Aussagekraft als der Adler. Sie war bekannt als sanft und arglos. Sie war ein Opfertier und sie galt als Kosename für die Geliebte. Die Taube ist hier das Symbol der Liebe, sie ist nicht die Friedenstaube. In der christlichen Kunst wird der „Heilige Geist“ oft als Taube dargestellt. Das ist irreführend und entspricht nicht dem Evangelien-Text: Der nämlich vergleicht nicht die Taube mit dem Geist Gottes, sondern die Art wie sie gezielt und eindeutig auf diese Person zuflog. Das zeigte die ganz persönlich Zusage an. "Du bist es, auf dem der Geist Gottes ruht". Es war wohl tatsächlich ein realer Vogel da, der Jesus umkreiste – eine Taube. Aber die Flugrichtung war "wie" der Hauch Gottes. Anwesende könnten das Erscheinen der Taube als Zufall erachtet haben. In Wirklichkeit war es ein ZU-FALL, wie er aussagekräftiger nicht sein konnte. Zu den Höhepunkten, den Wendepunkten des Lebens bedeutender Menschen ereignen sich gerne unmissverständliche Zeichen.

Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach ... Wie dürfen wir uns das vorstellen? Himmelsstimme? Tatsächlich hörbar oder nur Symbol? Das Originalwort heißt PHONE und wäre eher mit Klang, Schall oder Ton zu übersetzen. Hier 2 Beispiele: "Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen (=Ton), weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht.“ (Joh 3,8) „Wenn leblose Musikinstrumente, eine Flöte oder eine Harfe, nicht deutlich unterschiedenen Töne hervorbringen, …“ (1Kor 14,7) So könnten wir unter dieser akustischen Vision einen atmosphärischen Schall verstehen. Das Wort PHONE kann klarerweise auch Stimme bedeuten, aber oft in kraftvollem Sinn wie "Ruf" oder "Schrei". Beim Sterben Jesu heißt es: "Jesus schrie mit lauter Stimme" (PHONE - Mk 15,34) Wir dürfen annehmen, dass im Umfeld des Johannes am Jordan viele Gläubige in Gruppen beisammen saßen und laut aus der Bibel lasen, vielleicht sogar einzelne Sätze in Sprechchören hervor hoben. Es lassen sich mehrere Zitate in der Bibel finden, die hier dazu passen: „Da sprach Gott zu Abraham: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du lieb hast, …“ (Gen 22:2) „Den Beschluss des Herrn will ich kundtun. Er sprach zu mir: >Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt.<“ (Psalm 2,7)  „Siehe, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Nationen das Recht.“ (Jes 42,1) Gott lässt dem König David ausrichten: „Wenn deine Tage erfüllt sind und du  dich zu deinen Vätern legst, werde ich deinen leiblichen Sohn als deinen Nachfolger einsetzen und seinem Königtum Bestand verleihen. … Ich will für ihm Vater sein, und er wird für mich Sohn sein.“ (2 Sam 7,14) Nach biblischen Verständnis kann also jemand, der einen leiblichen Vater hat, zugleich auch Gottes Sohn sein.

Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefun­den habe.

Ob nun Jesus einen Schall aus himmlischen Sphären vernommen hat und ihn so gedeutet hat oder ob er den kraftvollen Klang einer betenden Gruppe auf sich bezogen hat, sei dahingestellt. Auf ihn war er gemünzt, genau in dem Augenblick ihm zugesagt. Es war seine Berufung. Sie war für ihn allein gedacht: Du (!) bist mein geliebter Sohn. „Ich habe an dir Freude gefunden. Du genießt einen Vorzug bei mir. Du hast mein Wohlwollen.“ Matthäus ändert das „DU“ um auf: „Dieser (!) ist mein geliebt er Sohn“ Warum tut er das? Vielleicht will er anklingen lassen, dass diese Zusage damals Jesus galt, aber seither jedem gilt, der „auf den Namen des Vater, des Sohnes und des heiligen Geistes getauft ist.“ (= Schluss des Matthäus-Evangeliums). Somit ist den Getauften die Liebe zugesagt. Die Gottesbeziehung gründet nicht mehr vorrangig auf den Geboten. Gott ist nicht mehr der Zurechtweisende, sondern der Wohlwollende. Er lässt jedem von uns wissen: „Du genießt bei mir Vorzüge.“

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