top of page

21. Juli 2019

16.Sonntag im Jkr

Gäste bedienen oder dem Wort lauschen?

Lukas 10,38 – 42

Maria Magdalena ist die geheime Hauptfigur der folgenden Geschichte, obwohl sie kein Wort sagt und nur zu Füßen ihres Lehrers sitzt und seiner Rede lauscht. Dafür erntet sie Vorwürfe von ihrer überbe-schäftigten Schwester (oder Mitschwester). Aber sie verteidigt sich nicht – das tut ihr Lehrer für sie.

Nun hören wir uns die Schilderung des Lukas im Einzelnen an.

Jesus und seine Begleiterschar waren unterwegs – immer unterwegs. Sie kamen wieder in ein Dorf. Es handelte sich um den östlichen Vorort von Jerusalem, genannt Betanien – heute leider von der Hauptstadt abgetrennt durch die Grenzmauer aus 8 Meter hohen Betonwänden, sodass Pilgergruppen nicht mehr wie früher die 3 km von Betanien nach Jerusalem zu Fuß gehen können. Den Namen des Dorfes verschweigt Lukas, weil er in seinem Reiseverlauf noch nicht den Eindruck von Jerusalem-Nähe erwecken will. Er will Jesus erst in Jericho eintreffen und von dort nach Jerusalem ziehen lassen. Es geht ihm eher um eine inhaltliche Gegenüberstellung von „Etwas Tun“ und „Sich dem Wort Widmen“. Vom Stück zuvor klingt noch der Schlusssatz nach: „Geh und handle du genauso!“ Jetzt endet das Stück mit dem Lob für die Person, die nur Horchende ist und nichts tut. Anschließend erfolgt eine Gebetslehre. Lukas 11.

Jesus kam also in ein Dorf, wo er diesmal nicht abgelehnt wurde – im Gegenteil. Eine Frau, die dort Ansehen hatte, hieß ihn willkommen – mit seiner Gruppe. Sie freute sich außergewöhnlich über die Ehre, dass er in ihrem Haus Station machte. Ihr Name war Martha (er bedeutet Herrin). Zusammen mit ihrem Personal bediente sie den hohen Besuch und ließ es den Gästen an nichts fehlen. Sie hatte eine Schwester, die es sich nicht nehmen ließ, ganz und gar dem Meister zu lauschen. Dazu setzte sie sich in seiner Nähe auf den Boden – einfach zu seinen Füßen. Sie tat das unbekümmert im Kreis der vielen Männer – offenbar hatte sie keine Berührungsängste vor Männern.

2017_Israel 6 Magdala 27 web.JPG

Die Entdeckung des biblischen Magdala war eine archäologische Sensation. Erst in den letzten 10 Jahren wurde es ausgegraben und ein Pilgerzentrum auf dem Grundstück erbaut. Diese Pilgergruppe steht in der Vorhalle der modernen Kirche und horcht genau hin.

2017_Israel 6 Magdala 18 web.JPG

Der Altar in der Kirche ist als steinernes Boot gestaltet. Durch die Glaswand dahinter können die Besucher auf den See Genezaret hinaus sehen.

Lukas hat seinen Lesern einige Frau bereits 2 Kapitel vorher vorgestellt – dort noch  in der Heimatregion Galiläa. Da war Jesus unterwegs gewesen von Dorf zu Dorf und von Stadt zu Stadt – immer in Begleitung seines Schülerkreises. Dieser bestand aus den „Zwölf“ – das waren Männer. Darüber hinaus schlossen sich auch Frauen seiner Wanderschule an, was für damalige Verhältnisse ungewöhnlich war. Sie zeigten ihm hohe Dankbarkeit dafür, dass er sie von gesund-heitlichen Problemen befreit hatte – von körperlichen und seelischen Nöten. Maria, genannt Magdalena, war ein schwieriger Fall gewesen: Sie hatte unter einer Vielzahl von Zwängen gelitten, die tiefer liegende Wurzeln hatten. Vielleicht war ihr Freiheitsdrang schon in frühen Kinderjahren unterdrückt oder gar gebrochen worden. Vielleicht hatte sie jung erfahren, wie die Männerwelt mit ihr spielte und vielleicht hatte sie als attraktive junge Frau den Spieß umgedreht und es den Männern "gezeigt". Bei einer Veranstaltung war sie dem „wahren Mann“ begegnet, dem Rabbi aus Nazaret. Nur er war im Stande, sie auf den Weg zur reifen Frau zu bringen.

DSC06340 web.JPG

In einer Kapellen-Nische ist die Begegnung zwischen Jesus und Mara Magdalena dargestellt. Ob es noch zeitgemäß ist, die Teufelsköpfe hinter ihrem Rücken so darzustellen, sei dahin gestellt.

Es ist nur zu verständlich, dass sie seither jede Gelegenheit nützte, ihrem Befreier an den Lippen zu hängen. Welch ein Zauber in seiner Stimme, welch eine Wärme in seinen Worten, welch eine Klarheit in seiner Lehre! Sie hatte auch diesmal keine Scheu, ihm zuzuhören - gebannt von seinem Wort . (Die Einheitsübersetzung schreibt zwar: „Sie hörte seinen Worten zu“ aber im Originaltext ist vom „Wort“, Singular, die Rede). Damit ist die Botschaft als ganze gemeint. Lukas schreibt bewusst: Sie setzte sich zu den Füßen des „Herrn“, statt zu den Füßen „Jesu“. Im Stück vorher und nachher nennt er ihn „Jesus“. Warum hier „Herrn“? Er verfolgt damit wohl eine Absicht. Auch in seiner Zeit – 60 Jahre später – gab es Anhänger, die zu Füßen "des Herrn" saßen und in erster Linie auf „sein Wort“ hörten … und das wird 2 Jahrtausende später ebenso sein. Ihre Schwester war von etwas anderem ganz in Anspruch genommen: von dem umfangreichen „Service“ an den Besuchern. Sie erfüllte viele Dienste gleichzeitig und sie fühlte sich ziemlich überlastet damit. Dabei warf sie wohl gelegentlich einen Blick auf ihre Schwester, die entspannt und selig dem Wort des Herrn lauschte. Schließlich reichte es ihr. Sie stellte aber nicht selbst ihre Schwester zur Rede, sondern nahm sich „die Autorität“ zu Hilfe. So trat sie an ihn heran und beklagte sich: „Herr, es fällt dir offenbar gar nicht auf, dass sie mir den Dienst alleine machen lässt. Warum kümmert dich das nicht? Sag meiner Schwester doch: Sie soll mir zu Hilfe kommen.“ Mit dieser Klage hat Martha übertrieben: So alleine war sie nicht, denn sie hatte Personal zu Hilfe. Und die viele Geschäftigkeit hatte ihr niemand aufgetragen. Jesus sicher nicht, denn er ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen. Aber es ist ganz offensichtlich der Schwester die Geduld gerissen. Sie hat wenig Verständnis für das übertriebene „Hören auf das Wort“. Da gibt es so viele wichtige Dinge, die unerledigt liegen bleiben. Wieder lässt Lukas Aktualität durchklingen: Dass er zweimal das Wort „Schwester“ einbaut, klingt nach  Gemeindesituation. Die Schwester ist die Mitschwester in der Glaubensgemeinschaft seiner Zeit. Vergleiche dazu die Schlussworte des Römerbriefes, wo Paulus im Jahr 57 n.Chr. schreibt: „Ich empfehle euch unsere Schwester Phöbe, die Dienerin der Gemeinde von Kenchreä“ (Röm 16,1).

Was könnte Jesus nun antworten: Maria, bitte, steh auf und lass deine Schwester nicht alles alleine erledigen. Oder er könnte die Missgunst der Martha erkennen und sie ermahnen. Nein, nichts von beiden! Was Jesus jetzt antwortetet, sagt er nicht nur damals „Martha, Martha“, sondern es spricht wieder der „Herr“ über Zeiten hinweg zur Gemeinde bis heute: „Du machst dir Sorgen und plagst dich ab um das Viele. (Nicht: „Du machst dir viele Sorgen“) Wichtig und Not-wendend ist nur das Eine. Das Eine braucht der Mensch wirklich. Maria hat eine gute Entscheidung getroffen mit dem, was sie tut. Sie hat sich für etwas entschieden, das ihr niemals mehr genommen werden kann. Es ist ihr reicher Schatz, der unverlierbar ist.“ Der Herr nimmt die Hörende in Schutz gegenüber der Organisierenden. Er spielt sie nicht gegeneinander aus, er stellt nicht eine über die andere, er gibt keine Rangordnung vor, aber er sagt unmissverständlich: „Gebraucht wird das eine, nämlich das, worum sich die Hörende bemüht.“

Martha und Maria – zwei Frauen stehen für zwei Haltungen in der Kirche. Martha plagt sich ab und Maria sitzt horchend zu Füßen des Herrn. Beide sind wertvoll. In der frühen Kirche (50 – 60 n.Chr.) schreibt Paulus briefliche Grüße, die beide Aspekte bestätigen: „Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!“ (Phi 4,6) Im Schlussteil des Römerbriefes grüßt er fast 30 Mitglieder namentlich. Von einigen betont er, wie sehr sie sich abmühen. Alle vier sind Frauen. „Grüßt Maria, die für euch viel Mühe auf sich genommen hat.“ (Röm 16,6) „Grüßt Tryphäna und Tryphosa, die für den Herrn viel Mühe auf sich nehmen. Grüßt die liebe Persis; sie hat für den Herrn große Mühe auf sich genommen.“ (Röm 16,12)

In der modernen Kirche steht Maria Magdalena hoch in Kurs. Während Maria, die Mutter Jesu über eineinhalb Jahrtausende die hoch verehrte Miterlöserin war, ist an der Wende in 3.Jahrtausend Maria Magdalena die Hoffnungsfigur geworden. Angesehene Theologen nehmen sie angesichts der bevorstehenden Amazonas-Synode in den Mund – gerade jetzt, wo es darum geht, engagierten Frauen den Zugang zur Weihe zu ermöglichen. Die Kirchenreformer sollten aber nicht übersehen, dass Maria Magdalena weniger eine war, die sich um viele organisatorische Dinge bemüht hat und auf die Versorgung der Besucher bedacht war. Vielmehr war sie eine, die persönliche Befreiung erfahren hat und mit Freude hingehorcht hat auf SEIN Wort.

bottom of page