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7. Juli 2019

14.Sonntag im Jkr

Vielfältige Ernte, Mangel an Helfern

Lukas 10,1-12.17-20

Dieser Evangelien-Abschnitt liest sich recht flüssig, verrät aber bei gründlichem Studium Ungereimtheiten. Wieso wiederholt Lukas etwas mit 72 Jüngern, was er ein Kapitel vorher schon mit den 12 Aposteln beschrieben hat? Warum handelt jetzt der „Herr“, während es dort „Jesus“ war. Warum die Gedanken-sprünge? Warum lässt er Jesus etwas sagen, was sonst in keinem Evangelium belegt ist und was in leichtem Widerspruch steht zu anderen mehrfach bestätigten Jesusworten?

Wenn wir uns den historischen Hintergrund des Lukas vor Augen führen, wird es besser verständlich. Außerdem zerlegen wir den Abschnitt in die Einzelaussagen, die Lukas wie Bausteine hier zusammengesetzt hat. Betrachten wir die Puzzle-Teile jedes für sich.

Ob Jesus selbst zu Lebzeiten die 72 ausgesandt hat, sei dahin gestellt. Lukas erlebt in den 90er Jahren wie sich die Jesus-Bewegung unter dem Nationen-Gemisch des römischen Reiches unaufhaltsam ausbreitet. Die Zahl 72 stand damals für "alle Völker der Erde". Als die fünf Bücher Mose vom Hebräischen ins Griechische übersetzt werden sollten, damit sie auch die Juden unter den Völkern lesen konnten, befassten sich 72 Schriftgelehrte in Alexandria 72 Tage lang mit der Aufgabe. Der Legende nach soll jeder Übersetzer für sich selbst gearbeitet haben, am Ende aber seien alle 72 Übersetzungen absolut identisch gewesen: Der Heilige Geist habe allen dieselben Worte eingegeben. Die Zahl 72 wurde auf 70 abgerundet. Das gesamte Schriftwerk erhielt den Namen Septuaginta (=70). Lukas hat selbst keine jüdischen Wurzeln, aber als hoch gebildeter Schriftsteller wird er das Alte Testament in der Septuaginta gelesen haben.

Diese 72-Zahl für die Völker mag ihn zu den 72 Gesendeten angeregt haben. Er möchte diese „anderen“ (über die ersten Apostel hinaus) mit seiner nun folgenden Schilderung bestärken. Sie sollen sich von vorherein bewusst sein, dass „der Herr“ sie „ausgesucht“ hat. (Treffender als „er suchte sie aus“ wäre zu übersetzen: er hat sie „angezeigt“. ER hat den Hinweis für die Gemeinde geliefert, wer geeignet ist. Das war gängige Praxis von Anfang an: Die Jerusalemer Urgemeinde hat den ausgeschiedenen Judas durch den Apostel Matthias folgendermaßen nachbesetzt: „Sie beteten: Du, Herr, kennst die Herzen aller. Zeige, wen von diesen beiden du erwählt hast, diesen Dienst zu übernehmen.“ (Apg 1,24f)  Genauso machte es im Jahr 45 n.Chr. die Gemeinde in Antiochia: „Als sie zu Ehren des Herrn Gottesdienst feierten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Wählt mir Barnabas und Saul zu dem Werk aus, zu dem ich sie berufen habe.“ (Apg 13,2) Somit beginnt die erste Missionsreise.

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 Zwei Felder nebeneinander: Getreide und Mohn. Die Ernte kündigt sich schon an, sie ist vielfältig.

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Noch überwiegt die Blütenpracht, aber in Kürze ist die Ernte da. Werden sich die Verantwortlichen darum annehmen oder muss eine neue Erntemannschaft ersehnt werden?

Sie werden nicht als Einzelkämpfer losgeschickt, sondern zu zweit. Das war schon zu Jesu Lebzeiten bei den Zwölf so und soll nun beim Zugehen „auf alle Städte und Ortschaften“ so bleiben. Die Ausgesendeten sollen sich immer bewusst sein, dass sie nicht ihr persönliches Werk aufbauen, es ist nicht ihre Gemeinde, die sie gründen, sondern sie leisten nur Vorfeldarbeit, dass der Herr dort zu Geltung kommt. „Er selbst“ wollte dort hin gehen.

Jetzt macht der Lukas-Text einen Sprung. Wo vorher die beachtliche Zahl von 72 genannt wurde, ist plötzlich von wenigen zum Einsatz Bereiten die Rede: „Die Ernte ist vielfältig (nicht „groß“, also umfangreich). Die Arbeiter sind wenige. Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter hinaustreibt, dass er sie dringend losschickt, sie hinaus stoßt (nicht „aussendet“. Das Wort EKBALLO ist dasselbe wie bei der Dämonen-Austreibung). Es ist der Herr, dem die Ernte gehört.“ Dies ist ein mehrfach belegtes Jesus-Wort.

Nach diesem Einschub setzt Lukas mit einem anderen Jesus-Wort fort:

„Beachtet, seid euch immer bewusst: Ich schicke euch aus wie Lämmer mitten unter die Wölfe.“ Lukas ändert seine Vorlage „Schafe“ auf „Lämmer“ um und will damit offenbar das Jungsein und die Unschuld betonen. Die Wölfe sind nicht angriffsbereite Tiere wie die wilden Tiere bei den römischen Gladiatoren. Wölfe sind auf der Lauer, kommen in der Nacht und schleichen herum. Wer sich für die Verkündigung bereit erklärt, muss auf der Hut sein und klar unterscheiden können zwischen den gutmütigen Schafen und den als Schafe verkleideten Wölfen.

Jetzt wechselt Lukas zur Ausrüstung: „Keine Geldtasche mittragen, keine Provianttasche, kein Schuhwerk.“ Diese Anweisung weicht ab von ursprünglicheren Jesus-Worten: „Er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen Sandalen.“ (Mk 6,8f). Jesus verlangt eine ordentliche Ausrüstung zum Gehen über weite Strecken, um die Füße zu schonen. Warum ändert das Lukas? Vielleicht denkt er an Askese. Mit dem „Niemand grüßen unterwegs“ meint er wohl keine Unhöflichkeit, sondern das Zeit-Verlieren durch oberflächliches Plaudern. Der Gesendete soll sich die Route nicht so einteilen, dass er Verwandte und Freunde besucht, sondern er ist auf „Dienstreise“. Wenn er das angewiesene Haus – also die vorgesehene Gastfamilie – erreicht hat, soll er ein Wort des Friedens aussprechen. Durch sein Eintreffen soll eine friedvolle Stimmung in dem Haus entstehen. Wenn er auf einen Sohn oder eine Tochter des Friedens gestoßen ist (Matthäus schreibt: „Wenn derjenige des Friedens würdig ist, …“) dann wird sich der Frieden festigen und verstärken. Andernfalls wird es dazu beitragen, dass der Gesendete noch mehr in sich zu ruhen lernt und für künftige Widrigkeiten noch gefestigter ist. Wenn es mit dem Haus passt, dann bleibt dort. Macht es zu eurem Stützpunkt und baut die Beziehung zu der Gastgeber-Familie aus solange ihr euch dort aufhaltet. Seid dankbar für die Verpflegung. Passt euch an das an, was man dort isst und trinkt. Seid nicht wählerisch. Wechselt nicht ständig das Quartier: Ihr seid keine Bettler, die nur eine Mahlzeit und 1 Nacht bekommen. Ihr leistet etwas Einzigartiges und das ist den entsprechenden Lohn wert. Paulus erwähnt den Korinthern gegenüber: „So hat der Herr denen, die das Evangelium verkünden, geboten, vom Evangelium zu leben.“ (1 Kor 9,14) Von dem Stützpunkt aus (= Haus einer Familie)  könnt ihr euch umsehen in der Stadt, ob ihr mit der Botschaft auf Interesse stoßt. Kümmert euch um die körperlich Geschwächten, sodass ein Heilungsprozess beginnen kann. Während sie sich auf dem Weg der Heilung befinden, erklärt ihnen: >Die Herrschaftsordnung der Liebe und der Achtsamkeit ist nahe zu euch gekommen.< Ihr werdet auch in Wohngebiete und geschlossene Städte kommen, wo euch der Wind der Ablehnung entgegen bläst. Geht nicht in Abwehrstellung, droht ihnen nicht, aber gebt eine öffentliche Erklärung ab – möglichst auf offener Straße: Reinigt demonstrativ eure Füße und sagt (nicht „ruft“ wie die Einheitsübersetzung schreibt): >Sogar den Staub, der sich mit uns aus eurer Stadt an den Füßen verbunden hat, schütteln wir ab vor euch. Doch zu der Einsicht sollt ihr kommen: Nahe gekommen ist die Herrschaftsordnung der Liebe. Daran ändert sich auch durch eure Ablehnung nichts<.

Wenn Lukas schreibt „Die 72 kehrten zurück und sagten voller Freude …“ dann schwingt die Gepflogenheit der Gemeinden mit. Nach einem Missionseinsatz gab es immer eine Dankfeier, in der die Ausgesendeten betend ihr Staunen ausdrückten und dabei vor den Herrn hintraten: „Herr, (beachte die Anrede!!) sogar die zwanghaften Kräfte, die anfangs voller Aggression auf uns losgingen, haben sich von uns unter Kontrolle bringen lassen. Sie haben sich unterworfen, haben sich untergeordnet und beruhigt mithilfe deines Namens, den haben wir eingesetzt als Schlüssel und als Behandlungsmethode.“

Das bestätigt der Herr mit den Worten: „Ich sah den Durcheinander-Bringer wie einen Blitz aus dem Himmel fallen.“ Es ist eine uralte Erfahrung, die weit in die Zeit der Propheten zurück reicht: „Hinabgestürzt zur Unterwelt ist dein Hochmut. … Wie du vom Himmel gefallen, Strahlender, … wie du zu Boden geschmettert, du Bezwinger der Nationen, … Du hattest in deinem Herzen gesagt: … dem Höchsten will ich mich gleichstellen. Doch in die Unterwelt wirst du hinabgestürzt, in die tiefste Grube.“ (Jes 14,11-15) Ähnliches spricht Jesus im Johannes-Evangelium: „Jetzt wird Gerechtigkeit gehalten über diese Welt. Jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden.“ (Joh 12,31) Diesen Satanssturz könnte Lukas ganz real-politisch erlebt haben: Kaiser Domitian (81 – 96 n.Chr.) hob sich schon zu Lebzeiten in die Götterwelt, indem er sich als „unser Herr und Gott“ anreden ließ. Gleichzeitig benahm er sich wie ein Tyrann, ignorierte den Senat und ließ Oppositionelle umbringen, sogar einen eigenen Cousin. Andere schickte er in die Verbannung. Seine Ermordung geschah aus dem innersten Kreis am Hof heraus.

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Zum Abschluss sagt der Herr: „Es sind nicht die therapeutischen Erfolge, über die ihr euch freuen sollt, sondern der Eintrag ins himmlische Namensregister.“ Das „Buch des Lebens“ ist ein Jahrhunderte altes Bild, das schon bei den Propheten vorkommt: „Dann wird der Rest in Zion … heilig genannt werden, jeder der zum Leben eingeschrieben ist in Jerusalem.“ (Jes 4,3 über 700 v.Chr.) „Dann kommt eine Zeit der Not, wie noch keine da war, seit es Völker gibt, bis zu jener Zeit. Doch zu jener Zeit wird dein Volk gerettet werden, jeder der im Buch verzeichnet ist.“ (Dan 12,1 etwa 200 v.Chr.). Paulus ermahnt 2 Frauen in Philippi, die jetzt leider zerstritten sind, obwohl sie vorher mit ihm für das Evangelium gekämpft haben. Für ihren Einsatz stehen „ihre Namen im Buch des Lebens.“ (Phil 4,3 geschrieben 55 n.Chr.). Das späteste Buch der Bibel erwähnt das auch: „Nur die im Lebensbuch des Lammes eingetragen sind, werden eingelassen.“ (Off 21,27 etwa 100 n.Chr.)

Der römische Kaiser Domitian ließ sich als DOMINUS ET DEUS NOSTER ansprehcn. Nach seinem Absturz liieß der Senat alle Monumente von ihm vernichten.

Daraus abgeleitete Regeln für die kirchlichen Arbeiter von heute:

  • Auf die unterschiedlichen Be-völker-ungsgruppen zugehen.

  • Gesendet werden sollten nicht die selbst Ernannten, nicht die Ehrgeizigen, sondern die sich als brauchbar erwiesen haben,
    die der Herr als solche ausgewiesen und gezeigt hat.

  • Seelsorge nicht allein, sondern zu zweit, als Paar – Mann / Frau oder 2 Männer oder 2 Frauen.

  • IHN selber als Auftraggeber erachten, nicht Vorgesetzte, nicht Vorschriften.

  • Ausstattungs-Askese statt riesiger Veranstaltungs-Aufwand

  • Durch seelsorgliche Visitationen nicht Stress erzeugen, sondern Frieden, Beruhigung bringen.

  • Angemessenen Lohn erwarten, Essgewohnheiten der dortigen Leute annehmen.

  • Regelmäßig Rückschau halten und dem Herrn gegenüber die Erfolge ansprechen.

  • Keine Angst vor Konfrontation mit krankhaft Aggressiven, drüber stehen.

  • Eher achtgeben auf die in der Nacht herum schleichenden Wölfe.

  • Therapeutische Erfolge >„Ja,gut!“. Vermerk im Himmel > wichtiger!

Impressum

Datenschutz ©Martin Zellinger

Mag. Martin Zellinger              Bibeltheologe, Reiseleiter & Eigentümer Lester Hof

Lest 1, 4212 Kefermarkt          e-mail: m.zellinger@aon.at         Telefon: +43 (0) 699 11 50 66 45

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