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31. März 2019

4.Fastensonntag

Ich will zu meinem Vater gehen  

Lk 15,1-3.11-32

Die anschauliche Lehrgeschichte Jesu vom Vater und seinen zwei unterschiedlichen Söhnen gehört zu den am tiefsten ergreifenden der Bibel – nur Lukas überliefert sie uns und er folgt damit seinem Leitthema „Vater“. In der Einleitung seines Buches stellt er dem Leser den zwölfjährigen Jesus im Tempel vor und lässt ihn sein erstes Wort sagen: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vaters gehört?“ (Lk 2) Und den am Kreuz Sterbenden lässt er die letzten Worte rufen: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (anders als Markus: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“) Nur Lukas fügt das Vater-Wort ein an der Stelle, als sie Jesus am Kreuzpfahl mit dem Querholz aufzogen: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.“

Genau in die Mitte seines Buches platziert Lukas das Vater-Gleichnis.

Das Vater-Gebet sprechen wir als Christen normalerweise nach der Matthäus-Version: „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name“ Bei Lukas ist es hingegen knapper und lautet so:  „Vater, dein Name werde geheiligt.“  (Lk 11,2). Wir sollten dieses Gebet niemals einfach herunter sagen, sondern es mental in uns vertiefen – so anhaltend und wiederholt, bis es zur persönlichen Lebensphilosophie und zum Lebensrückgrad wird, bis feste Bahnen in unseren Hirnschaltstellen gelegt sind (so sagen die Hirnforscher). Die frühen Christen erachteten das Vater-Gebet als von Jesus selbst gelehrt und nahmen es als Basis für ihre Gemeinschaft. Sie tilgten damit nach und nach das herkömmliche Gottesbild vom Allmächtigen, vom Richtenden, vom Bestrafenden, vom alles Überwachenden. So festigte jeder in sich persönlich und gemeinschaftlich in der tragenden Gruppe: „Ich habe einen Vater. Er schaut auf mich, seinen Sohn, auf mich, seine Tochter. Was kann mir da Schlimmes zustoßen?“ Dieses Wissen um den Vater soll uns heilig werden und kostbar! Es stärkt unser Selbstbewusstsein.

Es ist schon 14 Jahre her, dass Richard Rohr auf einer Burg in NÖ ein Wochenend-Seminar leitete mit dem Titel: „Hunger nach dem Vater. Die Vaterwunde und ihre Heilung.“ Dieser jetzt 76jährige US-amerikanische Franziskaner-Pater hat einen reichen Erfahrungsschatz zu dem Thema angesammelt und in den 1980er Jahren Bücher dazu geschrieben, eines davon: „Der wilde Mann. Geistliche Reden zur Männerbefreiung“ (Amerikanischer Original-Titel: Adam‘s return.) Er und sein Schülerkreis boten Initiationstage für Männer an. In seinen soziologischen Forschungen stieß Richard Rohr auf Defizite in der männlichen Spiritualität, die zu Unsicherheiten in der Identität führen. Er ortet gerade in der westlichen Hochleistungsgesellschaft den Mangel an Vater-Stärke. Er schreibt: „In Japan gibt es eine Redewendung: >Der Japaner hasst dreierlei: Erdbeben, Feuer und Väter.< Sie hassen die Väter dafür, dass sie ihnen das versagen, was sie brauchen. Die Folge davon ist, dass diese Männer ständig aufeinander sitzen müssen, um sich gegenseitig zu bestätigen … Der vaterlose Mann, der Mann, der an seinen Vater weder glauben noch ihn achten kann, zieht sich in eine Clique Gleichgesinnter zurück. Aber der Sohn, der das Gefühl hat, sein Vater habe ihm wirklich etwas zu geben, wird nicht so dumm sein, darauf zu verzichten. Er wird es sich holen. Ein Sohn muss daran glauben, dass sein Vater ihn liebt, bewundert und respektiert.“ (Der wilde Mann, S.92)  

Mancher mag einwenden, dass er (oder sie) durch die eigene Vatererfahrung aus der Kindheit und Jugend so geschädigt ist, dass er dieses ermutigende Vaterbild in sich nicht aufbauen kann. Er/sie fühlt sich außer Stande, die Schäden von damals zu reparieren und die Wunden zu heilen. Dem ist entgegen zu halten: Es ist nie zu spät, ein neues tragendes Vaterbild zu erlangen, ein kosmisches Vaterbild. Man sollte sich orientieren an Persönlichkeiten, die eine gesunde Vater-Erfahrung ihr eigen nennen können oder die väterliche Züge in der Kraft sehen, die den Kosmos voran treibt,und die von daher Gott aus Eigenerfahrung „Vater“ nennen. Mit so jemandem darüber ein Gespräch zu führen, bringt anhaltende Freude. Man sollte es sich darauf hin zur mentalen Übung machen: den Tag damit beginnen und abends mit dem Vater-Wort auf der Zunge einschlafen: „Vater, dieser dein Name soll mir immer mehr heilig werden.“

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Richard Rohr beim Männerseminar Mai 2005 auf Burg Plankenstein NÖ

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Aus einer anfangs von der Vater-Erfahrung Jesu geprägten Bewegung ist später die „Mutter Kirche“ geworden. Sie erzog die Mitglieder dazu, dass es genüge, einfach zu kommen, zuzuhören, mitzufeiern und das Gefühl zu haben: Wir sind unter uns. Die männliche, väterliche Herausforderung der Frühzeit ist den Kirchen abhanden gekommen. Derzeit machen wir aber einen tiefgreifenden Wandel durch und sind gerade dabei, wieder die ursprünglichen Züge der von  Jesus geprägten Gemeinde zurück zu gewinnen.

Es ist auch nie zu spät als Vater die versäumten Pflichten den eigenen Kindern gegenüber nachzuholen und ihnen das Rückgrat zu stärken. Das geschieht nicht unbedingt mit Geld, sondern mit Worten der Würdigung: „Meine liebe Tochter / mein lieber Sohn, vielleicht habe ich es jahrelang versäumt, dir zu verstehen zu geben: Ich schätze dich sehr. Ich sehe viele gute Seiten an dir. Geh so weiter, setze das Erbe fort und baue es aus, das ich dir mitzugeben versucht habe.“ Die früheren Vätergenerationen sind vielfach ihren Kindern die Wertschätzung schuldig geblieben. Es ist ihnen nicht zu verübeln von ihrer eigenen Geschichte her. Sie nahmen sich keine Zeit für Würdigung ihrer Kinder oder sie glaubten, durch Druck etwas zu erreichen. An der derzeitigen Generation der jungen Väter ist bei vielen eine Wende zu beobachten: Sie haben Freude daran, mit ihren Kindern etwas zu unternehmen. Sie sehen die positive Entwicklung und trauen ihnen weitere Fortschritte zu. Diese „neuen Väter“ sind nicht nur in unserer Gesellschaft zu beobachten, auch in anderen, etwa in arabischen, man sieht es an manchen jungen syrischen Familien, die bei uns sind.

Es ist nie zu spät zum VATER zu finden: Zu beglückwünschen ist, wer sich jetzt noch dafür entscheidet: "Ich will zu meinem Vater gehen."

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