16. Juni 2019
Dreifaltigkeits-Sonntag
Er wird euch in die ganze Wahrheit leiten
Joh 16, 12 – 15
Die Frage der Dreifaltigkeit war 350 Jahre nach der Abschiedsrede Jesu zu einem brennenden Thema geworden. Wegen der Trinitäts-Lehre wurde 381 das 1.Konzil von Konstantinopel einberufen. Damit sollte ein heftiger theologischer Gelehrten-streit beendet werden. Man legte sich auf den Wortlaut des Glaubensbekenntnises fest (lateinisch). Es besagt, dass zwischen den drei göttlichen Personen (auch Hypostasen genannt) eine Gleichrangigkeit bestehe und nicht wie manche Lehrer damals behaupteten, der Heilige Geist untergeordnet sei. Aus heutiger Sicht mag man sich wundern, wie bloß ein hochtheologisches Themen zu einer Zerreißprobe der umfassenden Kirche werden konnte.
Verständlich wird es, wenn man bedenkt, dass die Kirche sich auf dem Weg befand, zu einer mächtigen Institution, in der die große Mitgliederzahl und deren Rechtgläubigkeit im Vordergrund standen. Gerade gut 70 Jahre zuvor hatten Helden des Glaubens noch ihr Leben gelassen, angesehene Männer und gebildete Frauen wie etwa Florian in Enns und Barbara in Nikomedia/Türkei. Erst 60 Jahre vor diesem Konzil hatte erstmal ein Kaiser das Christentum erlaubt (Konstantin) und einige Jahrzehnte später sollte die Lehre zur Staatreligion erhoben werden. Es war eine Institution im Entstehen, in der das CREDO wichtiger geworden war, als die Gute-Nachricht mit der Erfahrung rücksichtsvoller Gemeinschaften der frühen Kirche. Die dogmatische Richtigkeit der Lehre stand über dem spürbaren geschwisterlichen Zusammenhalt von früher. Anstelle der bisherigen Runden in privaten Häusern traten Basiliken und an die Stelle der Tische traten steinerne Altäre. Am Tisch war das Brot geteilt worden und in Essen des Brotes Christi wurde die Gemeinde zu einem Leib. Der Unterschied von sozial Schwachen und Wohlhabenden wurde aufgehoben - im Leib Christi. In der mächtig gewordenen Kirche wurden nun Opfergottesdienste auf den Altären zelebriert. Die Erinnerung an Jesus zu Lebzeiten trat in den Hintergrund, sie wurden verdrängt durch Dogmen und Zeremonien. Der Dreifaltigkeits-Sonntag wurde erst im 14.Jht ein fester Bestandteil des Kirchenjahres. Eingeführt hat ihn 1334 der im französischen Exil lebende Papst Johannes XXII. - kurz vor seinem Tod. In vielen Klöstern Galliens/Frankreichs war es damals bereits 300 Jahre lang üblich, dieses Glaubensfest zu feiern. Auch die Künstler haben sich mehr und mehr um dieses Thema angenommen, aber von der Lehre Jesu hatten sie nicht viel Ahnung.
Aus dem Dreifaltigkeitsbild von Albrecht Dürer (1471-1528) lässt sich die Glaubensvorstellung des ausgehenden Mitttelalters ablesen. Von solchen irreführenden Darstellungen waren Christen über Jahrhunderte leider stärker geprägt als vom Wort Jesu.
Wir heutige Christen sind dabei, dass wir uns wieder auf die Ursprünge besinnen. Wir nehmen das Wort Jesu ernster und kommen zu der Erkenntnis: Er selbst nimmt die Zahl drei kein einziges Mal in den Mund, wenn er die Göttlichkeit zu erklären versucht. Selbst wenn er die Beziehung bespricht zwischen sich und dem, von dem er sich gesandt fühlt und den er als „Vater“ beschreibt, spricht er nie von zwei, sondern immer von eins. Er liefert für die Rückbindung zu seinem Ausgangspunkt auch keine hochtheologische Erklärung, sondern er verknüpft sie sofort ganz real mit der Einigkeit, die er seiner Nachfolge-Gemeinschaft ans Herz legt. Von Einigkeit kann man schließlich nur in einer Beziehung sprechen, ein Alleinherrscher kennt den Begriff Einigkeit nicht.
Die Wiesenblumen am Golan machen uns die vielfältigen Zugänge zum Wesen Gottes bewusst:- A.durch den Schöpfer und seine Pracht in der Natur VATER - B.durch das Wort des Mannes aus Nazaret: SOHN - C.durch spirituelle Dynamik in seiner Gemeinde: HEILIGER GEIST
16:12 Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.
13 Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird.
14 Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden.
15 Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden.
Es ist noch nötig, dass ich euch viel sage. Meine Lehre ist noch lange nicht ausgeschöpft. Das liegt nicht an mir, nicht an meiner Fähigkeit, sie darzulegen, sondern an euch. Ihr seid noch nicht aufnahmefähig für alles. Erst nach und nach seid ihr in der Lage, den Reichtum meiner Botschaft aufzunehmen. Der Mangel wird nicht durch ein einmaliges bevorstehendes Ereignis ausgeglichen, sondern es ist ein Prozess, es ist euer Reifungsprozess.
Wann immer jene "Dynamik der Wahrheit" sich anbietet und ihr dafür offen seid, wird sie euch auf dem Weg zur ganzen Wahrheit voran bringen. Das geht nicht schlagartig, es ist nicht ein überwältigendes "Geisterlebnis", sondern ihr werdet unterwegs dorthin sein. Es wird eine schrittweise Annnäherung sein. Die Geisteskraft wird sich in den Gemeinschaften zu Wort melden und was dabei ans Tageslicht kommt, das sind nicht Worte, die sich jene Gemeinschaft ausgedacht hat oder durch Abstimmung beschlossn hat, sondern die Gemeinde hat die Worte vernommen, indem sie hingehört hat. Wo immer das Hinhören geübt wird, dort kann euch die Geistkraft benachrichtigen über alles, was noch bevorsteht. (Die Übersetzung "er verkündet, was kommen wird“, vermittelt den Eindruck, es handle sich um eine „Kunde“. Das Originalwort meint aber nicht eine einmalige Ankündigung, wie etwa die Ansage eines großen Ereignisses, sondern es meint einen laufenden Bericht, wie wir es vom Wetterbericht kennen.) Das heißt: Die Dynamik-Stimme Gottes in der Gemeinde wird ständig den Mitgliedern sagen, worauf sie aufpassen sollen, was sie als Trost brauchen, worüber sie aufgeklärt werden müssen: Die Geistkraft wird trösten, warnen, ermutigen, klarstellen – immer aktuell, was gerade bevorsteht.
Alle Ankündigungen, die geistgewirkt aus der Gemeinde kommen, werden immer wieder glänzend bestätigen, dass ich die Wahrheit bin. Die Geistkraft wird schöpfen aus meinem Reichtum und wird euch über die Entdeckungen benachrichtigen (nicht „es verkünden“). Um zu prüfen, ob die Stimmen wahrhaftig sind oder in die Irre führen, braucht ihr nur diese künftigen Nachrichten zu vergleichen mit meiner Guten-Nachricht. Sind es die wahren Worte, so werden sie mich mit Licht umkleiden, sie werden das Meine strahlend verdeutlichen.
Alle Gute-Nachricht und alles heilsame Wirken hat denselben Ursprung: ob dies von mir kommt oder von der versprochenen Geistkraft, beides geht auf den zurück, den ich „Vater“ genannt habe. Die Dynamik der Gemeinschaft greift auf das zurück, was ich grundgelegt habe. Sie entfaltet das von mir Stammende für euch weiter und macht euch mit neuen Seiten meiner Botschaft vertraut.
Im Jahr 381 hat die Kirchenleitung sich auf diese Formel festgelegt.
"Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten"
Wenn wir das obige Wort Jesu ernst nehmen, wissen wir, dass solche Formulierungen nie abgeschlossen sind und für den "Christen der Zukunft" nicht mehr ausreichend sind. Der „Geist der Wahrheit“ wird uns noch weiter führen - auch nach Jahrhunderten noch. Somit können wir heute erweitert sprechen:
"Wir glauben an den Heiligen Geist und wir erfahren den Heiligen Geist … der nicht nur angebetet und verherrlicht wird
sondern auch in Anspruch genommen wird von der Gemeinde. Die Leitung wird ihn auch unter den Mitgliedern zu lassen.
Er hat gesprochen durch die Propheten
und er wird weiterhin sprechen durch prophetische Menschen der künftigen ganz vielfältiigen Kirchenrunden.
Das für das 3.Jahrtausend erweiterte Credo erfordert den Wandel von einer strukturell geregelten Kirche hin zu einer spirituellen Kirche. Im März 1984 ist der große Theologe Karl Rahner im Alter von 80 Jahren verstorben. Von ihm stammt die immer wieder zitierte These „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein“. Damit meinte er wohl nicht, dass sich Christen gänzlich in stille Klöster oder Einsiedlerhöhlen zurückziehen, sondern dass sie ermutigt werden, nach innen zu hören und dass allen Christen zugetraut wird, je eigene spirituelle Erfahrungen zu machen. Unter Mystik verstehen wir die Offenheit für die spirituelle Führung. Diese These gesteht den einzelnen Glaubensbrüdern und -schwestern zu, dass die Geistkraft durch sie spricht und durch sie wirkt. Offenbar stehen wir kirchenweit an der Schwelle zu dieser Zukunft.