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14. Okt. 2018

28.Sonntag i.Jahr

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Nur Unbeladene kommen durch das Schlupfloch

Markus 10,17-30

Wer den Abschnitt dieses Sonntags gelesen hat, wird beeindruckt sein, von der detailgenauen Schilderung. Lange hat die Begegnung sicher nicht gedauert. Es lässt sich aber eine Vorgeschichte erahnen und vom Nachspiel hören wir einiges. Es lohnt sich, nochmals genau den Wortwahl und die Gesten zu beachten. Lasst es uns versuchen:

Den Namen des Mannes erfahren wir nicht, also taucht er unbekannt auf und nachher wieder unter, ohne ein bleibendes Mitglied der Jesus-Bewegung zu geworden zu sein. Anders ist das etwa bei dem Mann,  der am Kreuzweg auftaucht und zum Mittragen gezwungen wird. Dessen Name - Simon von Zyrene - bleibt der Urgemeinde erhalten, weil er nachher mit seiner Gattin und seinen Söhnen der weltumspannenden Jesus-Familie beitritt, wenn auch weit entfernt als Exil-Jude in Cyrene (heutiges Libyen/Nordafrika).

Dieser Unbekannte hier läuft auf Jesus zu und wirft sich ihm zu Füßen, was für einen gesunden Mann ungewöhnlich ist. Er hat kein Leiden wie der Lepra-Kranke. Offenbar plagt ihn eine andere Not: Er weiß um die Zerbrechlichkeit des Wohlstandslebens. Er spricht Jesus als Weisheitslehrer an und betont seine Gutherzigkeit: „Guter Meister!“ Niemand sonst hat ihn je so angesprochen. Er verlangt von Jesus, dass er ihm Verhaltensregeln nennt, für die er als Gegen-leistung ein Leben garantiert bekommt, das ihn bleibend glücklich macht und ihm nie mehr unter den Fingern zerrinnen kann: „Was muss ich tun?“

Jesus geht eins nach dem anderen von all dem an, was in der kurzen Aussage enthalten war: Erstens lässt er sich nicht beeindrucken von der schmei-chelnden Anrede. Zweitens hört er ein bedauerliches Gottesbild heraus. Hier steht jemand vor ihm, der in Gott einen sieht, der genau achtet, was die Person tut. Nicht ein Gott des Wohlwollens, sondern der Korrektheit, vielleicht sogar der Strafe. Diese Person schätzt Jesus, wie er mit der Bevölkerung liebevoll umgeht, weit gütiger ein als den Gott, den er gelernt hat. Jesus korrigiert diese armselige Gottes-vorstellung: „Der EINE ist die Güte selbst.“ Der Meister lässt sich nicht ausspielen gegen Gott, so als verbreite er mehr Güte.

Dieses unbeladen Kamel bei Jericho erinnert an ein Leben ohne die Belastung durch viel Besitz

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Im Blick aüf das Kloster der Versuchung (hoch oben an der Felswand) lesen die Geistlichen vom Wüstenaufenthalt Jesu. Es waren Wochen ohne  jede Annehmlichkeit, ganz der Fürsorge Gottes ausgeliefert.

Drittens listet er dem Fragesteller die Heilsgebote auf. Interessant ist, dass er nur die nennt, die ihn gegenüber dem Mitmenschen verpflichten. Ein Gebot verdoppelt er sogar: „Du sollst keinem das wegnehmen, das ihm gehört. Und dazu: Du sollst nicht als der Große den Kleinen berauben. Du sollst ihm nicht den Lohn vorenthalten, der ihm zusteht. Das geht offenbar den Unternehmer an.“ Zu dem Wunsch nach „der Erbschaft des ewigen Lebens“ gibt es eine auffällige Parallelen bei Paulus: Im Galaterbrief zählt er schändliche Verhaltensweisen auf: „Feindschaft, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltung, Parteiung, Neid, maßloses Trinken und Essen und Ähnliches mehr. Ich sage euch voraus, wie ich es früher vorausgesagt habe. Wer so etwas tut, wird das Reich Gottes nicht erben.“ (Gal 5,21) Jesus spricht positiver: Er warnt nicht vor dem Verlust des Erbrechtes, sondern sagt es ihm zu. Der Mann versichert Jesus, dass er sich an die heiligen Regeln gehalten hat, seit er als junger Mensch die Vernunft gebrauchen kann. Jetzt tut Jesus etwas außergewöhnlich Herzliches: Er umarmt den Mann ganz fest. Aus dieser Geste heraus wagt er einen Versuch: „Du hast noch einen Mangel: Es fehlt dir etwas, das du noch als Gewinn ernten könntest. Verkaufe dein Eigentum: sowohl Wertgegenstände und als auch Immobilien. Den Erlös gibst du irgendwelchen Bedürftigen, Menschen, die sich wichtige Dinge zum Leben nicht leisten können. Indem du dein Geld dort investierst, tätigst du die sicherste Wertanlage, die es gibt. Die Investitionen in dieser übergeordneten Anders-Welt unterliegen einer enormen Wertsteigerung und können nie verloren gehen. Wenn du diese Tat vollbracht hast, diesen Mangel behoben hast, dann komm wieder und melde dich bei mir. Dann bist du in der Lage, dass du dich mir verbindlich anschließt und hier mitgehst als Lernender.“  Die zuvor strahlenden Gesichtszüge des Mannes verfinsterten sich, wie er diese Einladung hört. Seine Züge verkrampfen sich und er schiebt Jesu Arme weg von seiner Schulter. Er dreht sich um und geht gesenkten Hauptes davon. Erst jetzt zum Schluss wird uns verraten, dass es sich um eine Person handelt, die etliche Häuser und Ländereien besitzt. Jesus ruft ihm nicht nach, machte ihm kein zweites billigeres Angebot, obwohl ihm der Mensch sympathisch ist. Zweifellos hätte er ihn gerne in seinem Anhängerkreis gehabt. Er ermahnt ihn auch nicht und warnt ihn nicht vor den Gefahren des Wohlstandes. Es soll ihm ganz frei gestellt sein, wofür er sich entscheidet. Seinen verdutzten Schülern, die von der Begegnung angetan sind – er nennt sie hier „seine Kinder“, also Familienmitglieder – erklärt er noch eine Grundregel: „Wer sich der Ordnung des Welt-Familien-Vaters unterwerfen will und gleichzeitig an seinem Eigentum festhalten will, gerät in ein unlösbares Dilemma. Das ist beides unvereinbar. Da schafft es noch eher ein Karawanen-Führer, spät am Abend in die Stadt hinein zu kommen, obwohl die Stadttore schon verriegelt sind. Dazu muss er von jedem Kamel die teuren Güter abladen und das Tier in die Knie zwingen, damit es durch das enge Nadelöhr-Tor hinein schlüpft.“ Dieses anschauliche Bild verunsichert den Anhängerkreis Jesu noch mehr, sodass diese eine Reihe von Fragen stellen – allen voran die bange Frage: „Wer kann gerettet werden?“

Jesus hat in dieser Begebenheit drei Gewinnstufen in Aussicht gestellt: 1. Leben von einer Dauer, der auch der Tod nichts anhaben kann. 2. Gesicherte Wertanlage auf übergeordneter Ebene 3. Herrschaftsordnung der Geschwisterlichkeit, Imperium der Liebe, weltumspannende Gottes-Familie

So nebenbei bemerkt: Jesus hat den Verkaufserlös nicht für seine Gemeinschaft gefordert, wie das etwa bei der Ordensgemeinschaft von Qumran üblich war. Nie fordert er zu Spenden auf. Sponsoren finden sich von selbst – immer wieder. Reiche Damen unterstützen sein Projekt, sie sind sogar namentlich bekannt, so etwa Johanna, die Gattin des Chuza, des hohen Beamten am Königshof des Herodes. Es ist nicht im Sinne des Evangeliums, Reiche zu verurteilen, das Evangelium verschweigt aber auch nicht, das Reichtum und bewusstes Christsein schwer vereinbar sind. Es bleibt die Empfehlung, die schon ziemlich am Anfang zu lesen ist (Seligpreisungen): "Zu beglückwünschen sind alle, die schon den Genuss des einfachen Lebens erfahren haben. Gratuliere, wer das besitzfreie Leben gewählt hat, um dem geistigen den Platz einzuräumen. Der Person gehört schon das Königreich Gottes.“

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