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31.Aug. 2025      22.Sonntag im Jahreskreis

Sich selbst erniedrigen?

Lukas 14, 1.,7 – 14

Sie gingen von dort weg und zogen durch Galiläa. Er wollte aber nicht, dass jemand davon erfuhr; denn er belehrte seine Jünger und sagte zu ihnen: Der Menschensohn wird in die Hände von Menschen ausgeliefert und sie werden ihn töten; doch drei Tage nach seinem Tod wird er auferstehen. Aber sie verstanden das Wort nicht, fürchteten sich jedoch, ihn zu fragen.

Sie kamen nach Kafarnaum. Als er dann im Haus war, fragte er sie: Worüber habt ihr auf dem Weg gesprochen? Sie schwiegen, denn sie hatten auf dem Weg miteinander darüber gesprochen, wer der Größte sei. Da setzte er sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein. Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen: Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.

Sich selbst herabsetzen, sich abwerten, von sich selber nicht viel halten – ist das tatsächlich eine Grundforderung des Christentums? Geht sie wirklich auf Jesus selbst zurück, hat er dazu aufgefordert?  Er, der Mut-Macher, er, der gebeugte Menschen aufgerichtet hat, kann er das so gemeint haben? Dieser Lehrer der Menschlichkeit,  er sollte verlangt haben, dass man sich klein machen soll. Wem sollte das nützen? Sollte das „Sich-Erniedrigen“ der Entwicklung und Reifung eines Menschen dienen? Darf ein Mensch, besonders ein Heranwachsender nicht stolz sein auf seine vollbrachte Leistung? Vielleicht war es in früheren Zeiten ein Mittel, mit dem die Mächtigen ihre Untertanen „klein hielten“ und vom Aufbegehren abhielten. Den Tyrannen ist es klarerweise willkommen, wenn die Leute ein geschwächtes Selbstbewusstsein haben und geringschätzig von sich selber denken, denn damit können die Führer „stark“ auftreten.

In gewissen religiösen Kreisen wurde das „Sich-Klein-Machen“ tatsächlich als Ideal gelehrt und verbreitet. Daraus entstand eine depressive, ja leidende Lebenseinstellung. Sie wurde als „Demut“ bezeichnet und als Tugend im Christentum gepriesen. Selbstvertrauen zu lernen, wurde kaum gefördert. Selbstbewusste Menschen heranzubilden, war kein Bestreben. Überzeugtes Auftreten wurde nicht als eine löbliche Haltung erachtet. Wer sich durch Selbstbewusstsein auszeichne, sei nahe am Hochmut und das würde sich auf kurz oder lang rächen.

Auch die jüdisch-christliche Mythologie kennt das Thema „Überheblichkeit“. Die Ausdrucksweise des Propheten Jesaja ist gewaltig: „Hinabgestürzt ist zur Unterwelt dein Hochmut, der Klang deiner Harfen. Unter dir sind Maden ausgebreitet und Würmer sind deine Decke. Wie bist du vom Himmel gefallen, du Strahlender, du Sohn der Morgenröte. Wie bist du zu Boden geschmettert, du Bezwinger der Nationen“ (Jes 14,11f) Im Brief des Judas und in der Offenbarung des Johannes sind Andeutungen davon zu finden. „Jesus vernichtet die Engel, die ihren hohen Rang nicht bewahrt haben.“(Jud 5f) „Da sah ich einen Stern, der vom Himmel auf die Erde gefallen war. Ihm wurde der Schlüssel zu dem Schacht gegeben, der in den Abgrund führt“ (Off 9,1) Dieser Engel wurde in der späteren Tradition „Luzifer“ genannt, das Gegenstückt zum Erzengel Michael. So  bedeutet der Name Michael „Wer ist wie Gott?“ Michael ist die personifizierte Warnung vor der Überheblichkeit.

Der antike Dichter Homer warnte vor der Überheblichkeit, der Hybris

Darstellung aus dem 5.Jh. v. Chr.

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Der griechische Dichter Homer spricht oft von „Überheblichkeit“. Sie heißt „Hybris“ und bedeutet so etwas wie ‚zügellos werden‘ oder ‚sich austoben´. Die Hybris  lässt sich beobachten an ausufernden Flüssen, an wuchernden Pflanzen und an überfütterten Eseln. Sie beginnen, frech zu schreien und aufzustampfen. Homer gilt als der früheste Dichter des Abendlandes.  Sein Geburtsort und seine Lebenszeit sind nicht zweifelsfrei bekannt. Die Forschung ist aber mehrheitlich der Meinung, er habe im 8. oder 7.Jahrhundert v.Chr. gelebt. Damit könnte er Zeitgenosse einiger jüdischer Propheten sein. Der Prophet Ezechiel wurde knapp nach 600 v.Chr. nach Babylonien verschleppt: Er hat auch den Stolz zum Thema: „So spricht Gott, der Herr: Weg mit dem Turban, herunter die Krone. Nichts soll bleiben, wie es ist. Hoch das Niedrige, nieder das Hohe.“ (Ez 21,31) An anderer Stelle verkündet er einen ähnlichen Gottesspruch: „Ich mache den hohen Baum niedrig, den niedrigen Baum mache ich hoch.“ (Ez 17,24)

„Hochmut kommt zu Fall“ – das weiß schon der Volksmund. In Wirklichkeit ist das nicht ein Sprichwort aus dem Volk, sondern ein biblischer Spruch und er heißt genau: "Hochmut kommt vor (!) dem Fall" (Spr 16,18). Gemeint ist damit: Der Fall ist die Folge von Hochmut. „Vor dem Untergang kommt die Überheblichkeit, vor dem Sturz kommt Übermut.“ (So übersetzt die „Bibel in gerechter Sprache“) Schon die alten Griechen kannten diese Warnung. Das Wort „Hybris“ kommt auch in den antiken griechischen Tragödien vor. Es bedeutet: Selbstüberschätzung, Überheblichkeit, Realitätsverlust, übersteigerte Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und der Kompetenzen. Gerade Leute in Führungspositionen sind davon gefährdet. Der Sturz sei die Strafe Gottes oder der Götter. Die griechische Mythologie hat dafür eine eigene Instanz erfunden: Die Nemesis – sie ist die Göttin des gerechten Zorns, ja der Rache.

Wenn Jesus sagt: „Nimm den untersten Platz ein!“, dann meint er wohl: Scheue dich nicht, Seite an Seite mit denen zu sitzen, die weniger gelten in der Welt. Geh zu den Benachteiligten. Misch dich unter diejenigen, die keinen Gesprächspartner haben, die gemieden sind. „Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ Wer sich nicht zu gut ist, mit denen Kontakt aufzunehmen, die „ganz unten sind“ und sich hin zu setzen neben diese Leute, der wird aufgewertet, wenn der Zeitpunkt da ist. Bei Mutter Teresa hat sich das bewahrheitet. Sie ging in Kalkutta zu denen, die am Straßenrand schliefen. Sie und ihre Mitschwestern haben sich selbst tief erniedrigt. Gerade dafür wurde sie vom US-Präsidenten R.Reagan geehrt und vom Nobelpreis-Komitee – sogar nach ihrem Tod noch durch geehrt Heiligsprechung – von Papst Franziskus.

 

Lukas greift das Thema von „Aufstieg und Abstieg“ auf und bringt es in den Zusammenhang mit Gastmählern und Ehrenplätzen. Das passt gut in sein Umfeld: Gegen Ende des 1.Jahrhunderts, als er gerade schreibt, gründen immer mehr wohlhabende Leute spirituelle Hauskreise, weil sie an der Lebensregel Jesu Gefallen gefunden haben und weil sie sich mit dem Evangelium mehr und mehr vertraut machen wollen. Denen will Lukas klar machen: „Das Evangelium Jesu muss sogar euren Lebensstil ändern. Es reicht nicht aus, dass ihr Glaubens-Veranstaltungen und Festessen finanziert. Nur schöne Gespräche zu führen, religiöse Lieder zu singen und ein Festmahl unter seinesgleichen zu gestalten, das ist zu wenig. Damit dringt ihr nicht in den Kern der Botschaft vor. Bisher wart ihr gewohnt, in guten Kreisen zu verkehren und vorrangig auf euer eigenes Wohl zu achten, ab jetzt werdet ihr auf die Not der zu kurz Gekommenen in unserer Gesellschaft achten. Wenn aus hoch angesehen Leuten wie ihr, solche werden, die sich erniedrigen für die Schwachen, dann verwirklicht ihr die Herrschaftsordnung Gottes in dieser Welt. Damit werden herkömmliche Ordnungen umgeschichtet. Aber eines könnt ihr sicher sein: Ihr steht am Schluss nicht als die Verlierer da, sondern ihr bekommt Ehrenplätze und Auszeichnungen von ganz oben. Die höchste Autorität weiß es zu schätzen, was ihr da jetzt tut. Es mag in der Gesellschaft als verrückt erscheinen, Leute aus der Unterschicht persönlich zum Essen einzuladen, aber es wird gewürdigt – nicht von irgendwem wird es gewürdigt, sondern von der Macht, die das Weltgefüge steuert. Letztendlich gibt es nämlich eine Beurteilung jedes Menschen. Sie erfolgt entsprechend diesen Diensten, die ihr den Unteren und den Unauffälligen erweist. – Es wird dir vergolten bei der Auferstehung der Gerechten.“

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Datenschutz ©Martin Zellinger

Mag. Martin Zellinger              Bibeltheologe, Reiseleiter & Eigentümer Lester Hof

Lest 1, 4212 Kefermarkt          e-mail: m.zellinger@aon.at         Telefon: +43 (0) 699 11 50 66 45

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