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29. Sept 2019
26.Sonntag im Jkr

Der Bettler stirbt und gastiert im Himmel.

Der Reiche bekommt Begräbnisfeierlichkeiten.

Lukas 16, 19- 31

Es war einmal ein reicher Mann. Worin merkte man den Reichtum?  Er war zu erkennen an seinem Auftreten in prächtiger Kleidung und an den Festen, die er für seine Freunde gab. Die Farbe seiner Kleider war schon von weitem als edel zu erkennen: Sie war Purpur. Während die durchschnittliche Bevölkerung eher blasse, erdfarbene Kleider trug, stachen die Reichen heraus durch ihre leuchtenden Farben. Purpurfarben waren die Amtskleider des Kaisers, er trug sie beim Triumphzug. Hohe Beamte, die hohe Priesterschaft und Vasallenkönige durften auch so gekleidet sein. Dass reiche Bürger Purpurkleidung trugen, ließ sich nicht verhindern – auch nicht durch Verordnungen. Die teure Farbe wurde auch für Teppiche und Liegesofas verwendet. Zu Cäsars Zeiten bezahlte man für ein halbes Kilo Purpurwolle 100 Denare. Für diese Summe musste ein Tagelöhner ein halbes Jahr arbeiten. Original Purpur aus der Ursprungsgegend Tyrus konnte 10 Mal so teuer sein und ein ganzes Kleid konnte bis auf das 40fache kosten – also 20 Jahreslöhne eines Arbeiters. Das wären mehr als 200.000 €. Die Textilien waren von erlesener Qualität: Das Evangelium nennt es Byssos – das war eine Art Seide, gewonnen von einer Muschel. Die Faser war goldglänzend, sehr dünn und extrem fest. So also war der Leib des Reichen eingehüllt: in seidenglattes Unterkleid und in einen blau-rötlichen, wallenden Umhang. Er gab laufend Feste: sein Leben schien nur darin zu bestehen, mit reichen Freunden an der Tafel zu liegen – im sogenannten Triklinium. Das heißt, es waren um den Speisetisch an drei Seiten Liegesofas aufgestellt und an der freien Seite blieb der Zugang für das Servierpersonal frei. Die köstlichen Gänge wurden der Riehe nach aufgetischt. Man speiste liegend, die Füße nach außen gestreckt und auf den linken Arm gestützt. Essbesteck kannte man nicht (wie heutzutage), sondern man griff mit den Fingern nach den gekochten Speisen oder frischen Früchten. Dünne Brotfladen dienten zum Auftunken der Fleischsoße oder zwischendurch um Abwischen der Hände. Das gebrauchte Brot wurde unter den Tisch fallen gelassen. Die Feste dauerten bis spät in den Abend. Bei Einbruch der Dunkelheit entfachten die Diener eine prachtvolle Beleuchtung.

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Purpurfarbene Kleidung war damals teuer. So unerschwinglich ist sie heute nicht mehr, aber sie hat ihre Eleganz behalten.

Gäste, die dann um Mitternacht erst heimgingen, schritten zuerst durch den Innenhof, dann durch die Eingangshalle und verließen schließlich die Villa durch das fürstliche Portal. Dort lag straßenseitig ein Bettler, durch die Torleibung ein wenig geschützt vor Wind und Regen. Der Bettler trug einen Namen, nämlich „Gott-Hilf“ („Eleazar“ auf aramäisch, der Muttersprache Jesu, latinisiert Lazarus). Dass sein Leib und die Haut auch schimmerte wie das Seidengewand des Reichen, allerdings von Eiterausfluss aus den Geschwüren, das wollten die Gäste nicht sehen. „Jetzt bist du schon wieder hier“, schrie  ihn der Reiche an und schickte ihm seine Hunde. Die bellten anfangs heftig, beruhigten sich aber bald, weil er sich nicht rührte. Dann leckten sie ihm die Wunden ab. Dem Eleazar hätten die Brotreste geschmeckt und ein wenig den Magen gefüllt, die von den Reichen nur als Servietten benutzt und fallen gelassen wurden.

Es kam aber die Zeit, dass der Bettler von seinem mühseligen Erdendasein erlöst wurde. Er starb. Begräbniszeremonien gab es natürlich keine. Aber was ihn als Mensch ausmachte, er als Person in Würde, er wurde von den sanften Gottesboten abgeholt und ohne Zwischenaufenthalt zum Festgelage des Ahnvaters Abraham getragen. Er durfte Platz nehmen an seiner Brust. Seite an Seite mit ihm durfte er sich des göttlichen Gastmahl erfreuen – er in der Runde von verdienten Glaubensboten, die Gott gewürdigt hatte und die in der Nachwelt hohes Ansehen genießen. Mit denen gemeinsam speiste er jetzt. Wenn Jesus das so erzählt, kann man sich lebhaft vorstellen, wie er inne hält und mit seinen strahlenden Augen reihum alle anschaut: „Glaubt ihr das? Entspricht dieses Bild eurem Glauben? Ich bin davon überzeugt.“ - Auch für den Reichen hatte das Leben eine bestimmte Frist. Auch für ihn kam das Ende. Er starb und für seinen Leib gab es einen Rahmen aus Stein, wohin er bestattet wurde. Es fehlte nicht an Feierlichkeit beim Begräbnis. Jesus schließt ab mit einer fragenden Geste, in der er seine Handfläche von unten nach oben dreht, so als wollte er sagen: „So kehren sich die Dinge um.“ Dabei schaut er wieder in der Runde, nicht mit drohenden Blicken auf die Reichen, sondern mit einem verschmitzten Lächeln an alle.
 

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Ein voll beladenes Kamel wird nach Torschluss nicht mehr in die Stadt hinein gelangen. Durch das kleine Schlupfloch deneben kommt es nur, wenn der Reichtum abgeladen ist. 

Lukas ist der einzige Evangelist, der uns diese feine Lehrgeschichte Jesu überliefert. Sie ist ihm sehr willkommen, denn er kennt in seinem römischen Umfeld viele Reiche und er sieht viel Armut. Er empört sich, dass diese Reichen den armen Wohnsitzlosen nicht einmal Aufmerksamkeit schenken. Diese lagern hungernd vor ihrer Grundgrenze und sie beachten sie nicht im Mindesten. Das ist die Schuld der Reichen, auch wenn sie sich äußerlich nichts zu Schulden kommen lassen. Die Armen existieren für sie gar nicht. Oder doch? Ja, als lästige Besitzstörer. Sie schicken ihnen die Hunde. Aus dieser Empörung heraus schreibt Lukas einen Anhang, der doppelt so lang ist wie die Geschichte selber. Er lässt den toten Reichen Höllenqualen leiden. Der richtete von dort aus drei hartnäckige Ersuchen an den Gesegneten des Jenseits. Er spricht sogar die Zumutung aus, dass ihm Lazarus, um den er sich nie geschert hat, jetzt die Qualen erleichtern soll. Es entsteht zwischen dem Reichen und Abraham ein Wechselgespräch im Hades, in der Unterwelt. Diese Jenseitsbeschreibung entspricht nicht der jüdischen Vorstellungswelt, in der Jesus beheimatet ist. Sie stammt aus dem römisch-griechischen Empfinden, also aus der Feder des Schriftstellers Lukas. Nach der Überzeugung Jesu gibt es für jeden eine Schlussbeurteilung des Lebens, eine ehrliche Selbsteinschätzung, das „Gericht“ – oder wie immer man es nennen will. Das überspringt Lukas, er ist sofort bei den Qualen und will damit die wohlhabenden Zeitgenossen eindringlich warnen, die nur auf sich bedacht sind. Nach dem Tod ist es zu spät. Lukas sagt: „Da ist einer von den Toten auferstanden – glaubt doch dem!“ Schlussendlich muss sich Lukas eingestehen: „Sie werden sich nicht überzeugen lassen.“ Schon im 6.Kapitel hat Lukas eindringlich geschrieben: „Weh euch ihr Reichen, ihr habt euren Trost schon empfangen.“ (Lk 6,24)

Jesus im Original-Ton ist viel positiver und mehr diesseits geprägt. Er gibt einzelnen Reichen ermunternd eine Chance, er droht ihnen nicht. Bestärkend wendet er sich denen zu, die sich für ihn entschieden, sich seither vom Besitz verabschiedet haben und nun mit ihm gehen. Denen gibt er die feierliche Zusicherung: „Was ich euch jetzt sage, ist heilig wahr: Amen! Es gibt keinen, der etwas losgelassen hat und es nicht mehrfach wieder entgegen nehmen wird: Häuser, Brüder, Schwestern.“ (Siehe Mk 10,28f)

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