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6. Jän. 2019

Erscheinung des Herrn

Menschenleben am Himmel abgebildet

Matthäus 2,1 - 12

Am Silvesterabend spazierte ich nachdenklich am Waldrand dahin, es nieselte ganz leicht, daher war es mir nicht vergönnt, den natürlichen Sternenhimmel zu sehen. Stattdessen leuchteten schon dort und da die ersten künstlichen Sternexplosionen am beginnenden Nachthimmel auf. Zufällig starteten von einem nur 100m entfernten Bauernhof gleich unterhalb von mir mehrere Feuerwerkskörper und sprühten mächtige Funkenkugeln über das düstere Firmament. Ich fragte mich: Warum haben die Leute solche Lust, gerade zum Jahreswechsel ihren eigenen Sternenhimmel zu schaffen – auch wenn er nur wenige Sekunden aufleuchtet? Hat unsere Menschenseele das Bedürfnis, jeden Neubeginn auch „da oben“ abzubilden? Haben wir Menschen etwa eine Ahnung, dass jede Geburtsstunde, jeder besondere Start im Himmel mitverfolgt wird? Oder umgekehrt: Der Himmel hat die Geburtsstunde schon vorbereitet? Vorgezeichnet? Solche Gedanken beschäftigten mich und gleichzeitig trug ich das bevorstehende Sonntagsevangelium mit mir. Der Kernsatz daraus ist für mich, dass die Sterndeuter sagen: „Wir haben SEINEN Stern im Aufgang gesehen.“

Für mich ist die Schilderung nicht bloß eine Symbolgeschichte, die keinen historischen Kern hätte. Die Überlieferung erfindet solche Ereignisse nicht, nur um damit ein altes Bibelwort zu bestätigen. „Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel …“ Es muss damals ein Himmelsereignis gegeben haben. Darüber möchte ich mehr erfahren. Der Astronom Johannes Kepler liefert uns einen Hinweis. Er machte im Dezember 1603 die Beobachtung, dass Jupiter und Saturn ganz eng beisammen standen. Man nennt es eine Konjunktion. Eigens dafür habe ich mir das Computer-Programm Planetarium gekauft, um diese Planeten-Konjunktion zu simulieren. Damit kann ich am Bildschirm eindeutig sehen, dass im Juni 7 v.Chr. der helle Planet Jupiter und der Planet Saturn im Osten aufgestiegen sind. Dieses Phänomen war über 2-3 Wochen hinweg jede Nacht um etwa um 1 Uhr zu beobachten. Jupiter steht für „König“ und Saturn lässt sich mit dem Land der Juden in Verbindung bringen. Die Konjunktion taucht noch dazu auf im Sternbild der Fische, das zur babylonischen Göttin Ischtar, der Göttin der Liebe gehörte. Dieses Himmelsereignis wiederholt sich etwa alle 800 Jahre.

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Der Maler Giotto aus Florenz setzte im Jahr 1302 über den Besuch der Sterndeuter einen Kometen, weil er selbst 2 Jahre zuvor dieses Himmelsereignis mit eigenen Augen gesehen hatte. So war aber sicher nicht der Betlehemsstern, denn Kometen galten als Künder von etwas Unheilvollem

Zum Evangelium: Die Geburt Jesu lag schon mehrere Monate zurück, da trafen in Jerusalem Gelehrte ein, die Fachleute in der Sternkunde waren. Man nannte sie MAGOI, das war der griechische Fachausdruck für die babylonische Bezeichnung Chaldäer. Diese standen in dem Ruf, weltweit die besten Kenntnisse über die Sterne zu haben. Damals war wissenschaftliche Sternbeobachtung (Astronomie) und mystische Sterndeutung (Astrologie) noch nicht getrennt – wie heute. Solche Gelehrte waren nicht aktiv in der Politik, also keine Könige, aber waren geschätzt als weise Berater und Männer mit Weitblick. Damals war noch Herodes der Erste, der sogenannte „Große“ an der Macht. Er starb 4 v.Chr.  Das Große an ihm war, dass er ein Baulöwe war und sein Reich die größte Ausdehnung seit König David hatte. Er führte ein so grausames Regiment, dass man im römischen Kaiserhaus munkelte: „Lieber ein Schwein sein an seinem Hof als ein Sohn.“ Er scheute nicht davor zurück, eigene Söhne aus dem Weg zu räumen. Oh, welche Überraschung („Siehe“ steht im Originaltext): Zu der Zeit trafen die MAGOI aus Mesopotamien (heutiger Irak, Iran) in der Hauptstadt des Judenlandes ein. Als sie ihr Quartier bezogen, lautete ihre erste Frage: „Wo ist der Geburtsort des Prinzen?“ „Von welchen Prinzen redet ihr?“ wird die erstaunte Gegenfrage gelautet haben. Die Gelehrten hielten sich an ihre Erkenntnis aus der Sternbeobachtung: „Für ihn gibt es einen auffälligen Stern. Den haben wir im Aufgang beobachtet. Der war unmissverständlich: hat uns bewegt, dass wir aufgebrochen sind. Wir sind zwar nicht sofort losgezogen. Aber jetzt sind wir da nach wochenlanger Reise und wir wollen ihm die Ehre erweisen.“ Diese seltsame Frage nach dem Prinzen machte schnell die Runde in der Stadt und kam auch dem mittlerweile fast 70 Jahre alten Herodes zu Ohren. Den packte sofort das Entsetzen. Warum wohl? Natürlich aus Angst, seine Macht könnte in Gefahr sein. Er hatte wieder einen im Visier, der dringend zu beseitigen sei, bevor er zur Bedrohung werden könne. Jerusalem zitterte mit: Was würde nun wohl wieder über die Bevölkerung kommen? Bei aller Panik fiel ihm ein doppelter Schachzug ein: Er ließ die Hüter der Religion und die Bibeltheologen zu einer Studientagung zusammenkommen, um ein einziges Thema zu erörtern: „Der Hoffnungsträger des Volkes, der Gesalbte! Was ist in den Heiligen Schriften über ihn vorher gesagt? An welchen Ort wird er erwartet?“ Die Fachkundigen der Schrift konnten ihm die Frage ohne weiteres beantworten: „Das Buch Micha nennt das Städtchen Betlehem, und zwar das in Judäa, nicht das in Galiläa. Es ist seit 1000 Jahren mit dem Namen, des ruhmvollen Königs David verbunden.“ Hier ist das Schrift-Zitat:

„Du, Betlehem im Gebiet von Juda, / bist keineswegs die unbedeutendste / unter den führenden Städten von Juda; / denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, / der Hirt meines Volkes Israel.“ Man rechnete mit einem Herrscher, der sein Volk nicht unterdrückt, sondern sich darum sorgt, vorbildlich wie ein Hirt um seine Herde. Die Geistlichkeit wird sich gewundert haben, was denn für ein religiöses Interesse in den König gefahren sei, von dem man nur Willkür und Berechnung kannte. Nach der Entlassung der religiösen Elite folgte der nächste Schachzug. Er bestellte die MAGOI in seinen Palast – aber unter höchster Geheimhaltung. Warum diese Heimlichtuerei? Warum kein feierlicher Empfang? Das weiß man bei hinterhältigen Politikern nie. Aber scheinbar glaubte er an die Ergebnisse von Sternkundigen und er befragte sie nach dem Zeitpunkt, wann sie den Stern erstmals gesichtet hatten. Für ihn musste das der Geburtstermin sein. Bei deren Verabschiedung heuchelte er nochmals Hochachtung. Er wolle hinterher auch dem Kind die Ehre erweisen. „Deshalb erstattet mir genau Bericht, was ihr herausgefunden habt.“ Diese Begegnung wird sie hinterher verunsichert haben. Darin lag so viel Zwiespältigkeit, die den weisen Männern nicht verborgen bleiben konnte. Aber die Sicherheit kehrte wieder bei ihnen ein, denn  sieh an, sieh an: Genau dieselbe Sternkonjunktion die sie ein halbes Jahr zuvor in der Heimat immer nach Mitternacht beobachtet hatten, war wieder zu sehen. Sie waren zwar erst Monate nach dem Erscheinen des Sterns aufgebrochen, denn in der Sommerhitze 1600 km weit zu reisen, das wollten sie sich wohl nicht antun. So zogen sie nicht hinter her dem Stern – denn der war längst nicht mehr zu sehen – sondern hinter der Gewissheit her: Ein junger König ist im Land der Juden da. Nun, als sie aus den Herodespalast wieder durch die Hintertür entlassen wurden, lichtete sich der regnerische Dezember-Himmel und er war auf einmal wieder da, der Doppelstern. Diesmal stieg er nicht im Osten auf, sondern er senkte sich im Südwesten nieder. Das war von Jerusalem aus gesehen genau die Richtung nach Betlehem. „Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt,“ schreibt das Evangelium. Der Weg von Jerusalem nach Betlehem ist zu Fuß in 3 Stunden zu bewältigen. Also noch am selben Abend nach der widerlichen Begegnung mit dem misstrauischen Machthaber wurde ihnen der Anblick des Kindes mit der Mutter Maria gewährt. Allein dafür hatte sich die anstrengende weite Reise gelohnt. Diese erhebende Erfahrung des Schauens und Staunens am Pilgerziel – das können viele Langstrecken-Pilger bestätigen. Die MAGOI sanken in die Knie  aus Ehrfurcht vor dem Himmelzeichen, das auf diesem Kleinkind lag. Sie überreichten Gold, vielleicht soviel wie es Josef, der Mann Marias, nie zuvor gesehen hatte. Er ahnte da noch nicht, wie nötig er das brauchen würde in der bevorstehenden Not der Flucht. Aber das Gold war nicht in erster Linie als finanzielle Absicherung bedeutungsvoll, sondern es wies auf den „König“ hin, der in dem Kind steckte. Ebenso wiesen die weiteren Geschenke auf etwas Zukünftiges für das Kind hin: Weihrauch auf den Priester, Myrrhe galt als Salbe zum Einbalsamieren und wies auf das Sterben hin.

Das Planetarium versetzt mich ins Staunen, denn es zeigt für Dezember 7v.Chr. eine zweite Konjunktion, allerdings senken sich da die beiden Planeten Jupiter und Saturn gegen 8 Uhr abends im Südwesten und tauchen am Horizont unter. Ich bin verblüfft wie präzise das mit den Angaben im Matthäus-Evangelium überein stimmt.

Mag sein, dass manche Bibelleser an dieser punktgenauen Bibelauslegung keinen Gefallen finden. Stimmt, wir sollten die symbolische Deutung nicht außer Acht lassen. Jedes Menschenleben ist im Himmel abgebildet. Es gibt eine Entsprechung zwischen „oben“ und „unten“. Wir sollten uns öfter unter den Sternenhimmel sitzen und Erinnerungen aus unserem Leben aufsteigen lassen. Welcher Stern hat mein Leben geprägt? Was wurde mir in die Wiege gelegt und auf den Weg mitgegeben? Wohl nicht, dass ich ein König sein werde, aber doch jemand Einmaliger. Wie weit bin ich dieser Berufung gerecht geworden? Es ist nie zu spät, sich darauf erneut zu besinnen. Gab es Geschenke in meiner Kindheit, die bezeichnend waren? Gab es Momente, in denen ich die Geschenke genützt habe, wie es meiner Begabung entspricht? Sich auf diesen Stern zu besinnen, lohnt sich. Er mag uns über lange Stecken abhanden gekommen sein. Aber dann und wann reißt der Himmel auf und er zeigt uns erneut den Weg, ziemlich deutlich sogar.

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