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2.Okt. 2022      27.Sonntag im Jahreskreis

Beim Glauben gibt es nur Ja oder Nein

Lukas 17, 5-10

Die Apostel baten den Herrn: Stärke unseren Glauben! Der Herr erwiderte: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanz dich ins Meer! und er würde euch gehorchen.

Wenn einer von euch einen Knecht hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Komm gleich her und begib dich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich und bediene mich, bis ich gegessen und getrunken habe; danach kannst auch du essen und trinken. Bedankt er sich etwa bei dem Knecht, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.

Diesmal hat der Text-Abschnitt zwei unterschiedliche Themen, die auf den ersten Blick hin wenig miteinander zu tun haben: 1. Glauben 2. Die Schuldigkeit tun. Eingeleitet wird der Doppelabschnitt mit einer Bitte der Apostel um Glauben. Was Jesus darauf antwortet, gilt also nicht der Allgemeinheit, sondern vor allem den „Aposteln“. Für Lukas gilt sie denen, die in den 90er Jahren das Werk der Apostel fortsetzen  und Gemeinden gründen oder leiten.  Heute gilt sie denen, die verantwortlich in der Seelsorge arbeiten. Wir gehen zunächst  auf das erste Thema ein: Glauben. Wieder hat Lukas in ein ursprüngliches Jesuswort stark eingegriffen, bedingt durch seine Zeitumstände, in denen er schreibt. In den Gemeinden ist die Naherwartung schon geschwunden. Paulus war in den 50er Jahren noch überzeugt, dass das Kommen Christi kurz bevor stünde. Das war in den 90er Jahren den lukanischen Gemeinden immer noch nicht wahr geworden – zumindest nicht so, wie man es sich vorstellte. Der Glaube kam ins Wanken, auch bei den Vorstehern. Sie fragten sich: Wie können wir den Herrn bitten, dass er die Glaubenskraft wieder erweckt so wie in den Anfangszeiten.

Daher lautet die Bitte der „Apostel“, die für Lukas  die Gemeinde-Vorsteher sind:  „Stärke unseren Glauben!“ Das ist allerdings nicht treffgenau übersetzt: Wörtlich heißt es: „Füge uns einen Glauben hinzu“. Das heißt: Ihr Vertrauen musste nicht gestärkt werden, weil es schwach geworden sei, sondern es war abhanden gekommen. Es muss wieder von Grund auf aufgebaut werden. Glaube ist nicht etwas, von dem man wenig oder mehr hat. Entweder vertraust du oder du zögerst, dann vertraust du eben nicht. Du gehst ein Wagnis ein oder du lässt es bleiben. Beim Glauben gibt es nur ein Entweder-Oder, nicht ein Schwach und Stark. Die Bitte der Gemeinde-Verantwortlichen zur Zeit des Lukas lautet daher: "Gib uns wieder einen Glauben." Dem entspricht, was Jesus bei anderer Gelegenheit gesagt hat: „Haltet fest am Gottes-Glauben“ (Mk 11,22) Oft wird auch dieses Jesus-Wort ungenau übersetzt, nämlich so: „Habt Glauben an Gott“, aber der Originaltext meint: „Haltet daran fest ! Behaltet den Glauben! Werft ihn nicht über Bord! Gebt ihn nicht auf!“

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Der Eiserne Vorhang war noch vor gut 30 eine unüberwindliche Sperrzone zwischen Tschechien und Österreich. Was damals unvorstellbar war, ist heute selbstverständlich: Man kann ungehindert von einer Seite zur anderen wechseln.

Jesus ermuntert dazu, sich ganz darauf einzulassen: „Macht die guten Erfahrungen damit! Speichert die Vertrauenserfahrungen! Sollten sie euch doch einmal abhanden kommen, dann holt sie euch wieder ins Gedächtnis. Haltet daran wieder fest.“ An diese Einsicht fügt Jesus eine Verhaltensregel zum Glauben. Diese Regel ist uns in unterschiedlichem Wortlaut überliefert:

Wir stellen die Lukas-Version dem Markus-Text gegenüber

Lukas

Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn,

würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen:

Entwurzle dich, und verpflanz dich ins Meer!,

und er würde euch gehorchen

Markus

Amen, ich sage euch:

Wenn jemand zu diesem Berg sagt:

Heb dich empor und stürz dich ins Meer!

Und wenn er im Herzen nicht zweifelt, sondern glaubt, dass geschieht, was er sagt, dann wird es geschehen.

Die Unterschiede sind klar ersichtlich: Lukas schreibt: „Wenn … wäre, würdet ihr sagen, … und er würde gehorchen.“ Der unreale Unterton ist nicht zu überhören. Markus schreibt hingegen real: „Wenn jemand sagt: …nicht zweifelt, sondern glaubt, … dann wird es geschehen.“ Der Markus-Text ist spürbar Jesus näher. Er ist eine kraftvolle Zusage. Unter dem Bild des Berges kann man einen Berg Sorgen verstehen, den jemand ins Meer versenkt kann, wenn er glaubt, dass es geschieht. Das ist wirklich möglich. Real! Lukas hat den „Berg“ umgeschrieben in einen „Maulbeer-Baum“. Der 5 bis 10 Meter große Baum soll sich „entwurzeln“ und nicht wie der Berg „empor heben“. Wenn Lukas vom „entwurzeln“ spricht, spielt er vielleicht darauf an, dass jemand von seiner Ursprungs-Familie Abstand nehmen muss, wenn er in die Christus-Gemeinde eintreten will. Er muss entwurzelt werden, er muss seinen ehemaligen Wurzelboden, nämlich Vater und Mutter verlassen, um Christus zu folgen. Lukas erklärt den Seelsorgern: „Es gäbe genug Menschen, die auf euch horchen würden, wenn ihr das Evangelium glaubwürdig vermitteln würdet. Sie würden sich verpflanzen lassen. Ihr würdet sie heraus heben können und neu einpflanzen können in das Meer“. Vielleicht meint Lukas: in das Meer der Liebe. Lukas schreibt „würde“, weil er den wirksamen Glauben bei denen vermisst, die Apostel sein sollten. Sie haben die eingangs erwähnte Bitte an Christus bitter nötig: Füge uns einen Glauben hinzu. Sie verwalten die Gemeinde, sie sind um die kultischen Veranstaltungen bemüht, aber wo ist ihr Glaube, wo ist ihr Grundvertrauen?

 

Ereignisse aus der Gegenwart belegen, dass der Glaube die Kraft hat, Berge zu versetzen. Führen wir uns nur ein Beispiel vor Augen: Die Berliner Mauer ist im November 1989 gefallen. Das hätte fast niemand für möglich gehalten: Über 28 Jahre lang hatte sie Deutschland geteilt. Eine Weltmacht, es war die damalige Sowjetunion, hatte die Teilung erzwungen und mit Panzern und Geheimpolizei durchgesetzt. Der absolut gewaltfreie Widerstand, die Kraft der Worte, der Glaube von Hunderten von Christen in der Nikolai-Kirche und in anderen ostdeutschen Städten stürzte den Berg an Unrecht ins Meer. Der Glaube drückte sich aus in einer Flut von Kerzen vor den Kirchen. Dieser Glaube war stärker als Kriegsrüstung und inzwischen ist die Berliner Mauer und der Eiserne Vorhang Geschichte. Deshalb eine wichtige Ergänzung: Glauben ist an Taten gekoppelt. Glauben heißt nicht, sich in einem Andachtsraum zusammen zu setzen und darauf besinnen, dass das Große von selbst geschieht. Man muss hartnäckig dahinter bleiben, darf nicht aufgeben, manchmal ist auch Mut nötig. Man muss etwas unternehmen und wenn ein Versuch scheitert, einen anderen starten. Mehrmals ist im Evangelium zu lesen, dass Jesus bei den Geheilten ihren „Glauben“ bewundert hat: Aus der Hartnäckigkeit, wie sie ihm nachgegangen sind, sich ihm in die Arme geworfen haben, hat er den Glauben abgelesen. „Dein Glaube – dein Vertrauen – hat dich gerettet“ 

 

So knüpft hier Lukas das zweite Thema an: Die Schuldigkeit tun. „Wenn ihr alles getan habt, was euch aufgetragen wurde, ….“ Wir sollten das Wort auf dem Hintergrund der Lukas-Gemeinden lesen: „Wenn einer von euch einen Knecht hat, der pflügt oder das Vieh hütet, ...“ Mit „Knecht“ ist einer gemeint, der im Dienst Christi steht, also im Dienst der Gemeinde. So schreibt auch Paulus am Beginn des Römerbriefes: „Paulus, Knecht Christi, …“ Es kann sein, dass der „Knecht“ tagsüber zu pflügen oder das Vieh zu hüten hatte und jetzt heim kommt. Wenn er gepflügt hat, dann war das „Boden aufbereiten“. Der Seelsorger hat also viele Hausbesuche gemacht, Gespräche mit Fernstehenden geführt. Das war „pflügen“. Wenn er hingegen „das Vieh gehütet hat“, dann war es seine Aufgabe, sich um die Herde der bereits Gläubigen zu kümmern. Das heißt, er hat als Seelsorger Glaubensrunden angeleitet und bestehende Gruppen geistig genährt, also zum Futterplatz geführt. Das zu tun ist seine Pflicht als „Knecht Christi“, als Diener der Gemeinde. Wenn er dann müde heimkommt, kann er nicht von der Gemeinde erwarten, dass sie ihn jetzt verwöhnt und sagt: Setzt dich zum gedeckten Tisch. Es ist seine Aufgabe, den Tisch zu bereiten für die Gemeinde, den Tisch des Wortes und des Brotes. Er steht im Dienst der Gemeinde, er ist nicht ihr Herr. Diese Aufgaben zu tun ist selbstverständlich, es ist seine Schuldigkeit. Erst wenn er seine Pflicht für den Herrn erfüllt hat, kann er sich selber entspannen, essen und trinken.   Wird etwa ein Vorgesetzter sich bei seinem Mitarbeiter bedanken dafür, dass er die Dinge erledigt, die ihm aufgetragen wurden und die sein Aufgabenfeld sind? Zu fragen: Wo bleibt der Dank für mein Engagement?, das steht ihm nicht zu.

 

Macht euch das zum Grundsatz – so soll es bei euch sein: Wenn ihr eure Pflicht erledigt habt, dann rühmt euch dessen nicht, sondern sagt im Gegenteil: Wir sind Bedienstete, aber noch lange keine perfekten. Wir haben keine Ansprüche geltend zu machen. Was wir schuldig waren zu tun, das haben wir getan. Was zu tun war, das haben wir ausgeführt, weil wir uns dafür verpflichtet haben.

Auf unsere heutige Kirche und Seelsorge übertragen heißt das: Die Verantwortlichen haben von Jesus her nicht das Recht, sich als Herren zu benehmen. Sie sind Bedienstete (Knechte, Sklaven) ihrer Gemeinde. Sie sollten es unterlassen, immer einen Dank zu erwarten, auch nicht, wenn sie sich besondere Mühe gegeben haben. Das zu tun ist ihre Pflicht. Auf ihre Leistungen sollen sie sich nichts einbilden und sich das nicht eigens honorieren lassen. „Wir sind unnütze Knechte, …“ Ob Jesus tatsächlich so eine Selbstabwertung verlangt hat oder ob das aus der Feder des Lukas stammt, das sei dahingestellt. Jedenfalls hat Jesus zur nüchternen Selbsteinschätzung aufgefordert: „Perfekt sind wir noch lange nicht. Wir haben es getan so gut wir konnten“. Das zu sagen könnten sie sich zur Grundhaltung machen.  Perfekt ist unser Vater im Himmel. ER ist vollkommen, er ist integer. ER möge unser Fernziel sein: Vollkommen sein, integer sein. „Ihr sollt also vollkommen sein wie euer himmlischer Vater“ (Mt 5.48)

Lukas hat zwei wichtige Themen miteinander verknüpft: Festes Vertrauen haben, dass unglaubliche Vorhaben wahr werden. Und: Sein Bestes geben bei der Erfüllung der übernommenen Aufgaben.

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