16. Sept. 2018
24.Sonntag i.Jahr
Der Messias und sein Anspruch
Markus 8, 27 .35
Das Lesestück ist diesmal voller Gefühlsschwankungen: Zuerst lässt Jesus seinen engsten Vertrauten das freudige Geständnis ablegen: „Für uns bist du dieser Einmalige: der Gesalbte, der Erwählte, von dem unser Volk immer schon eine Vorahnung hatte. Du erfüllst diese hohen Ansprüche.“ Sie sind glücklich, dass es endlich ausgesprochen ist und dass der ersehnte Erfolg sich in Kürze einstellen wird. Das Imperium wird wahr. Kurz darauf bremst sie Jesus ein in ihrem Überschwang, der in die falsche Richtung geht. „Ich werde nicht dem gängigen Führer- und Retterbild entsprechen. Die höchste religiöse Behörde wird Sitzungen einberufen und mich prüfen und – mich – verwerfen. Der Ausschluss aus der Glaubens-gemeinschaft wird ihnen nicht genügen, sie werden mich zu vernichten suchen, indem sie mich umbringen. Das aber wird zu meinem vollen Durchbruch führen.“ Petrus als Gruppensprecher stellt sich vorne hin und ruft: „Stopp! Diesen grausamen Weg darfst du nicht einmal denken, geschweige denn einschlagen.“ Jesus verweist ihn nach hinten und nennt ihn „Satan“. Damit bezeichnet er ihn nicht als den Bösen, sondern der vom Weg Gottes, vom Heilsplan, weg lockt. Satan ist nicht „das Böse“, sondern das, was ablenkt vom guten heilsamen Weg.
Cäsarea Philippi liegt ganz im Norden des Landes. Von hier startet Jesus den letzten Weg nach Jerusalem. Heute heißt der Ort "Banias" und ist ein wasserreicher Nationalpark
Das Lesestück schließt damit, dass gerade die belehrt werden, die Jesus als den Strahlemann schätzen. Sie sehen in ihm den Helden, und haben das nötige Selbstvertrauen, dass sie sich anschließen wollen. Diese Begeisterten werden jetzt aufgeklärt: „Wenn einer hinter mir her gehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ Was meint der Meister damit? (das können wir uns bis heute nach 2000 Jahren fragen) Er verlangt vom Bewerber, die Eigenidentität aufzugeben. Das, worauf er bisher stolz war, kann er vergessen. Bei Vorstellungsgesprächen in heutigen Unternehmen ist gerade das wichtig, dass man sich gewinnend darstellt, seine Stärken vorweist und davon überzeugt ist. In der Jesus-Mannschaft ist es offenbar umgekehrt. Wer einen „Job“ bei ihm bekommen will, muss sein „Ich“ zurückweisen. Dem soll er keine Beachtung mehr schenken und sich von seinen „Vorzügen“ verabschieden. Er soll sich sagen: „Die kenne ich nicht, habe damit nichts mehr zu tun.“ Der kann in meine Fußstapfen treten - sagt Jesus.
Darüber hinaus soll er den eigenen Marterpfahl aufheben und sich aufladen. Jesus spricht hier nicht von dem Kreuz, auf dem er später aushauchen wird, sondern das griechische Wort STAUROS bezeichnet einen aufgerichteten spitzen Pfahl. Mit dem Wort sind nie zwei übereinander gelegte Holzstücke gemeint, sondern nur eines, das senkrecht steht. Vielleicht meint Jesus das Angebunden sein, den Freiheitsverlust, die Zustimmung zur eigenen Schwäche und zum Versagen. Jesus braucht scheinbar nicht Stolze und Selbstsichere, sondern solche, die auch dem Scheitern zustimmen können.
„Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.“ Wie meint er das? Will er klarstellen, dass es letztlich zur Selbstschädigung führt, wenn man sich selbst zum Mittelpunkt der Fürsorge macht? Es führt zum Persönlichkeitsverlust. Wer seine ganze Anstrengung darauf richtet, das eigene Glück zu sichern oder gar zu steigern, dem zerrinnt es zwischen den Fingern. Er bereitet sich selbst einen großen Schaden. Wer immer nur darauf bedacht ist, dass es ihm selber gut geht, der vermindert die Qualität seines Lebens. Der Mensch ist von Grund auf ein soziales Wesen und wer den anderen fördert, bringt damit sich selbst voran. Wer darüber hinaus sogar eigene Vorteile im Leben aufs Spiel setzt, weil er das Weltvorhaben des Meisters Jesus weiterführen will, der wird sehen, dass er das eigene Leben gerettet hat – in Sicherheit gebracht hat. Das galt zu Lebzeiten Jesu (um meinetwillen) und es gilt heute (um des Evangeliums willen). Es kann also sein, dass jemand die üblichen Lebensvorzüge einbüßt, weil er sich ganz für die Gute Nachricht einsetzt. Aber er kann sich verlassen, dass es sich als Gewinn erweisen wird.