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12.Juni 2021      Dreifaltigkeits-Sonntag

Verkünden, was kommen wird

Joh 16,12-15

Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird reden, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird. Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden. Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden.

Dieser Abschnitt aus dem Johannes-Evangelium stammt aus der dritten Abschiedsrede Jesu, die uns der Evangelist während des Abendmahls vermittelt. 350 Jahre nach der Abschiedsrede war die Frage der Dreifaltigkeit zu einem brennenden Thema in der Kirche geworden, die inzwischen riesig groß angewachsen und zur „Staatsreligion“ des römischen Imperiums geworden war. Wegen der Trinitäts-Lehre wurde 381 das 1.Konzil von Konstantinopel einberufen. Damit sollte ein heftiger theologischer Gelehrtenstreit beendet werden. Man legte sich auf den Wortlaut des Glaubensbekenntnisses fest (lateinisch). "Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten"

Es besagt, dass zwischen den drei göttlichen Personen (auch Hypostasen genannt) eine Gleichrangigkeit bestehe und nicht wie manche Lehrer damals behaupteten, der Heilige Geist untergeordnet sei. Das Wort "Person" dürfen wir nicht nach heutigem Verständnis auffassen. Es sind nicht drei getrennte Persönlichkeiten gemeint, sondern drei Erscheinungsweisen einer Person. Das  Wort Person kommt vom Lateinischen. Es setzt sich aus 2 Wortteilen zusammen: PER (=durch) und SONARE (=tönen). Es bedeutet die Maske, die ein Schauspieler im römischen Theater trug und durch die seine Stimme ertönte. Somit handelt es sich um EINE Person, die in verschiedenen Rollen auftritt. Aus heutiger Sicht mag man sich wundern, wie damals vor dem Konzil dieses rein theologische Thema zu einer Zerreißprobe der umfassenden Kirche werden konnte.

Verständlich wird es, wenn man bedenkt, dass die Kirche sich gewandelt hatte aus einem Netzwerk von Hauskreisen zu einer mächtigen Institution. Nun standen die große Mitgliederzahl und deren Rechtgläubigkeit im Vordergrund. Gerade gut 70 Jahre zuvor hatten Helden des Glaubens noch ihr Leben gelassen, angesehene Männer und gebildete Frauen wie etwa Florian in Enns oder Barbara in Nikomedia/Türkei und Katharina von Alexandrien. Erst 60 Jahre vor diesem Konzil hatte erstmal ein Kaiser das Christentum erlaubt. Es war Konstantin – und einige Jahrzehnte später sollte die Lehre zur Staatreligion erhoben werden. Damit war eine Institution im Entstehen, in der das CREDO wichtiger geworden war als die Gute-Nachricht mit ihrer lebensverändernden Wirkung. Die Erfahrung von Zusammengehörigkeit wich der bloßen Mitgliedschaft. Die dogmatische Richtigkeit der Lehre stand über der Kraft des Wortes von früher. Anstelle der bisherigen Runden in privaten Häusern traten Basiliken und an die Stelle der Tische traten steinerne Altäre. An den Tischen war das Brot geteilt worden. In Essen des Brotes Christi festigte sich die Gemeinde zu einem Leib, zu einem Corpus. Damals unterschied man nicht zwischen sozial Schwachen und Wohlhabenden. Im Leib Christi war der Unterschied aufgehoben - In der mächtig gewordenen Kirche hingegen wurden nun Opfergottesdienste zelebriert. Aus Tischen waren  Altäre aus Stein geworden. Die Erinnerung an Jesus zu Lebzeiten trat in den Hintergrund, sie wurden verdrängt durch prachtvolle Mosaiken des Pantokrators, des Allherrschers Christus. Dogmen und Zeremonien wurden vorrangig, so auch die Frage nach der Trinität. Festgelegt wurde sie im 4.Jahrhundert, aber fester Bestandteil des Kirchenjahres wurde der Dreifaltigkeits-Sonntag erst im 14.Jht . Eingeführt hat ihn 1334 der im französischen Exil lebende Papst Johannes XXII –  kurz vor seinem Tod. In vielen Klöstern Galliens/Frankreichs war es damals bereits 300 Jahre lang üblich, dieses Glaubensfest zu feiern. Auch die Künstler haben sich mehr und mehr um dieses Thema angenommen, aber von der Lehre Jesu hatten diese Kunstschaffenden nicht viel Ahnung.

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Dieses Bild von Albrecht Dürrer 1511 ist stellvertretend für Hunderte ähnlicher Darstellungen. Mit der Lehre von der Dreieinigkeit haben sie wenig zu tun - ja sie sind irreführend. (Foto Wikipedia oben, Pixabay unten)

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Wir heutige Christen sind dabei, dass wir uns wieder auf die Ursprünge besinnen. Wir nehmen das Wort Jesu ernster und kommen zu der Erkenntnis: Er selbst nimmt die Zahl drei kein einziges Mal in den Mund, wenn er die Göttlichkeit zu erklären versucht. Selbst wenn er die Beziehung bespricht zwischen sich und dem, von dem er sich gesandt fühlt, spricht er vom „Vater“ und sagt  nie „wir zwei“, sondern er beschreibt sie immer als eins. Er liefert für die Rückbindung zu seinem Ausgangspunkt auch keine hochtheologische Erklärung, sondern er verknüpft sie sofort ganz real mit jener Einigkeit, die ihm für seine Nachfolge-Gemeinschaft am Herzen liegt. Von Einigkeit kann man schließlich nur in einer Beziehung sprechen. Ein Alleinherrscher hingegen kennt den Begriff Einigkeit nicht.

Nun zum Wortlaut des Sonntagsevangeliums:

 Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.

Es ist noch nötig, dass ich euch viel sage. Meine Lehre ist noch lange nicht ausgeschöpft. Das liegt nicht an mir, nicht an meiner Fähigkeit, sie darzulegen, sondern an euch. Ihr seid noch nicht aufnahmefähig für alles. Erst nach und nach seid ihr in der Lage, den Reichtum meiner Botschaft aufzunehmen. Der Mangel wird nicht durch ein einmaliges bevorstehendes Ereignis ausgeglichen, etwa ein „Geist-Ereignis“, sondern es ist ein Prozess, es ist euer Reifungsprozess.

 Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird.

Wann immer jene "Dynamik der Wahrheit" – nennen wir den „Geist“ einmal „Dynamik“ – wenn sie kommt und sich anbietet und wenn ihr dafür offen seid, wird sie euch auf dem Weg zur ganzen Wahrheit voranbringen. Das geht nicht schlagartig, es ist nicht ein überwältigendes "Erlebnis", sondern ihr werdet unterwegs dorthin sein. Es wird eine schrittweise Annäherung sein. Er wird euch „leiten“. Die Geisteskraft wird sich in den Gemeinschaften zu Wort melden und was dabei ans Tageslicht kommt, das sind nicht Pläne, die sich jene Gemeinschaft ausgedacht hat oder durch Abstimmung beschlossen hat, sondern die Gemeinde hat die Worte vernommen, indem sie hingehört hat. Wo immer das Hinhören geübt wird, dort ist die Geistkraft in der Lage, euch zu benachrichtigen über alles, was noch bevorsteht. Die Übersetzung "er verkündet, was kommen wird“, vermittelt den Eindruck, es handle sich um eine „Kunde“. Das Originalwort meint aber nicht eine einmalige Ankündigung, wie etwa die Ansage eines großen Ereignisses, sondern es meint einen laufenden Bericht, wie wir es vom Wetterbericht kennen. Das heißt: Die Dynamik-Stimme Gottes in der Gemeinde wird ständig den Mitgliedern sagen, worauf sie aufpassen sollen, was sie als Trost brauchen, worüber sie aufgeklärt werden müssen: Die Geistkraft wird trösten, warnen, ermutigen, klarstellen – immer aktuell, was gerade bevorsteht.

 Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden.

Alle Ankündigungen, die geistgewirkt aus der Gemeinde kommen, werden immer wieder glänzend bestätigen, dass Jesus die Wahrheit ist. „Das PNEUMA (=der Hauch) wird mich verherrlichen. Die Geistkraft wird schöpfen aus meinem Reichtum und wird euch über die Entdeckungen benachrichtigen (nicht „es verkünden“). Um zu prüfen, ob die Stimmen in der Gemeinde auch wahrhaftig sind oder ob sie von einem in die Irre führenden Hauch kommen, dazu braucht ihr nur diese Nachrichten zu vergleichen mit meiner Guten-Nachricht. Wenn die Meldungen wahre Worte sind, dann werden sie mich mit Licht umkleiden, mich verherrlichen. Sie werden das Meine strahlend verdeutlichen.

 Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden.

Alle Gute-Nachricht und alles heilsame Wirken hat denselben Ursprung: den „Vater“. Ob die Wirkkraft von mir kommt oder von der versprochenen Geistkraft, beides geht auf den zurück, den ich „Vater“ genannt habe. Die Dynamik der Gemeinschaft greift auf das zurück, was ich grundgelegt habe. Sie entfaltet das von mir Stammende für euch weiter und macht euch mit neuen Seiten meiner Botschaft vertraut.

Wenn wir das obige Wort Jesu ernst nehmen, wissen wir, dass dogmatische Formulierungen nie abgeschlossen sind und für den "Christen der Zukunft" nicht mehr ausreichend sind. Der „Geist der Wahrheit“ wird uns noch viel weiter führen - auch nach Jahrhunderten noch. Somit können wir heute erweitert sprechen: "Wir glauben an den Heiligen Geist und wir erfahren den Heiligen Geist … der nicht nur angebetet und verherrlicht wird, sondern auch in Anspruch genommen wird von der Gemeinde. Die Leitung, die amtlichen Geistlichen,  werden ihn nicht nur für sich beanspruchen, sondern auch unter den Mitgliedern zulassen.  Er hat gesprochen durch die Propheten und er wird weiterhin sprechen durch prophetische Menschen der künftigen ganz vielfältigen Kirchenrunden.

Wenn wir den Mut haben, das  Credo aus dem Jahr 381 für das 3.Jahrtausend zu erweitern, dann wird es den Wandel der Kirchen fördern – von einer strukturell geregelten Kirche hin zu einer spirituellen Kirche. Im März 1984 ist der große Theologe Karl Rahner im Alter von 80 Jahren verstorben. Von ihm stammt die immer wieder zitierte These „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein“. Damit meinte er wohl nicht, dass sich Christen gänzlich in stille Klöster oder Einsiedlerhöhlen zurückziehen, sondern dass sie ermutigt werden, nach innen zu hören und dass allen Christen zugetraut wird, je eigene spirituelle Erfahrungen zu machen. Unter Mystik verstehen wir die Offenheit für die Führung durch den Hauch Gottes. Diese Mystik-These gesteht den einzelnen Brüdern und Schwestern im Glauben zu, dass die Geistkraft durch sie alle spricht und durch sie wirkt. Offenbar stehen wir kirchenweit an der Schwelle zu dieser Zukunft. „Der Geist der Wahrheit wird euch verkünden, was kommen wird“ – er wird es euch wissen lassen.

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