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15.Jän. 2023      2.Sonntag im Jahreskreis

Woran sich die Welt schuldig macht

Joh 1,29-31

Am Tag darauf sah er Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt! Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, damit er Israel offenbart wird. Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes.

Letzten Sonntag haben wir die Matthäus-Version der Taufe Jesu am Jordan gehört. Diesmal wird die Bedeutung der Taufe ergänzt und zwar aus der Sicht des Johannes-Evangeliums.

Johannes sieht (Präsens) Jesus auf sich zukommen, er sieht ihn nicht bloß kommen, sondern „auf sich zu“. Da muss er sich fragen: „Wer ist der im Grunde, der hier auf mich zukommt ?“ Johannes fühlt sich zu einer Stellungnahme gedrängt, die etwas ganz Grundsätzliches aussagt: „Siehe, das Lamm Gottes. Es nimmt die Sünde der Welt weg.“ Es hebt das Unrecht der Welt auf. Es hilft der Menschheit insgesamt, heraus zu kommen aus ihrer Verschuldung. Von alleine kommt sie über ihre selbst verschuldete Lage nicht hinweg.“ Das „Lamm Gottes“ nimmt nicht bloß die vielen einzelnen Sünden hinweg, sondern das eine große Verschulden, das schwere Versäumnis der Welt. Wer oder was ist gemeint mit „Welt“? Das griechische Wort heißt KOSMOS und es hat vielfältige Bedeutung. In diesem Fall könnten wir es übersetzen mit: die Menschheit insgesamt, die über den Erdball verbreitet ist.
Das Johannes-Evangelium schreibt nicht „Seht, das Lamm Gottes“ sondern „Siehe“, so wie „Sieh an, sieh an, das Lamm Gottes!“ Es ist niemand erwähnt, an wen er das Wort richtet. Es klingt eher nach einer eigenen Einsicht oder nach einer allgemeinen Erklärung.

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Ein gewaltiges Zeichen bei der Taufe Jesu war, dass der Himmel aufgerissen ist. Davon erwähnt das Johannes-Evangelium nichts, dafür enthält es den Hinweis auf das Lamm Gottes.

Man hat sogar den Eindruck, das hätte es nicht der Täufer tatsächlich, historisch gesagt, sondern es ist eine Jesus-Einschätzung im Nachhinein, die dem Täufer in den Mund gelegt wird. Denn erst nach seinem dreijährigen Wirken und nach seinem Leidensweg kann man zurecht sagen: Der ist das Lamm Gottes, er  das Pascha-Lamm, in dem wir die rettende Tat Gottes erkennen. Das Blut des Lammes, auf die Türpfosten gestrichen, bewahrt uns vor dem Tod. Dieses Gedächtnis feierte jede jüdische Familie, nachdem sie ein makelloses Lamm im Tempel schlachten hatte lassen. Es galt für dieses Feiern Regeln, die im Buch Exodus nachzulesen sind. „Kein Fremder darf davon essen, …In einem Haus muss man es essen. Trag nichts vom Fleisch aus dem Haus. Und ihr sollt keinen seiner Knochen zerbrechen.“ (Ex 12,43ff) Das Johannes-Evangelium und sonst keines berichtet uns von der Kreuzigung: „Also kamen die Soldaten und zerschlugen dem ersten die Beine, dann dem anderen, der mit ihm gekreuzigt worden war. Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, … Das ist geschehen, damit sich das Schriftwort erfüllte: Man soll an ihm kein Gebein zerbrechen.“ (Joh 19,32f) Das ist eine für einen Juden unmissverständ­liche Anspielung auf das Pascha-Lamm. Griechische Leser werden den Hinweis nicht verstanden haben. Aber die Klammer ist eindeutig und vom Evangelisten kunstvoll geschaffen: Das erste Wort das über Jesus gesagt wird im Buch, und das letzte, das ihn kennzeichnet, ist „Lamm Gottes“. Wenn Johannes den herankommenden Jesus als „Lamm Gottes“ bezeichnete, dann konnte das nur aus einer Vorahnung kommen.

Johannes der Täufer sagte weiter: „Ja, ich war es, der gesagt hat: Nach mir – als Nachfolger für mich – kommt ein Mann, der früher war als ich.“ (Im Original-Text steht nicht „vor mir war“, sondern „früher war“.)  Johannes  sagte nicht: Es kommt ein Held, nicht ein Gott – sondern ein Mann. Johannes ergänzt: „Dieser ist es, von dem ich das gesagt habe. Er hat einen Vorsprung. Er ist mir dem Rang nach voraus. Im Entwurf der Welt war er nicht zeitlich vor mir, sondern ursprünglicher – somit früher.“ 

„Ich kannte ihn nicht, ich wusste nicht, wer es genau sein würde. Dennoch hatte ich den Auftrag, das gläubige Volk Israel auf ihn hinzuweisen, ihn aus der Rolle des Unscheinbaren hervor zu heben und ihn sichtbar zu machen. Das habe ich gemacht, indem ich die Menschen und auch ihn in Wasser eingetunkt habe.“

Folgendes konnte Johannes bezeugen und er sagte: „Ich war zur Stelle als zu sehen war, dass der Hauch Gottes, die Geistkraft wie eine Taube aus dem Himmel herunter stieg. Diese Geisterfüllung war nicht etwas Kurzfristiges, nicht eine schnelle Begeisterung, sondern etwas Bleibendes, etwas, das auf Dauer zu ihm gehörte.“

Johannes wiederholt sich: „Wie gesagt: Ich kannte ihn nicht. Ich stand in keinem Naheverhältnis zu ihm. Aber ich bekam einen Hinweis, durch das, was ich mit eigenen Augen sah. Derselbe Auftraggeber, der mich gesandt hat, dass ich Menschen untertauchen sollte, der hat mir auch zu verstehen gegeben: Es wird jemand dabei sein unter den Pilgern, bei den du siehst, wie der Hauch herab kommt. Der kommt aber nicht für eine schnelle Begeisterung herab, sondern ist bleibend und dauerhaft. Genau der Mann ist es dann, der Menschen in heilbringenden Hauch eintaucht. Dieser Hauch entspricht nicht den geistigen Strömungen der Welt, sondern er ist abgehoben davon. Er ist heilig.“

Der Täufer wiederholt sich weiter, indem er vom „Zeugnis Geben“ spricht: „Ich bin es, der gesehen hat und bezeugen kann: Dieser ist es, dem Gott alles überlässt, alles, was er zu vererben hat, wie ein Vater den meist vertrauenswürdigen Sohn beerbt. Dieser ist für Gott der Sohn, genauso wie König David zu seinem Sohn wurde und wie es Salomo war. So steht es schon in den biblischen Büchern: „Ich werde für ihn Vater sein, und er wird für mich Sohn sein.“ (2 Sam 7,14)

Eine sehr ursprüngliche Darstellung der Taufe Jesu enthält das Markus-Evangelium:  Im Vergleich mit dem Johannes-Evangelium finden sich bemerkenswerte Unterschiede: 1. Nur das Johannes-Evangelium bringt den Jesus-Titel „Lamm Gottes“ 2. Laut Markus sah Jesus selbst, wie die Taube auf ihn zuflog. Jesus erlebt sich selbst von Gott  angesprochen: „Du bist mein geliebter Sohn.“ Es war ein zutiefst persönliches und berührendes Erwählungserlebnis. Was Jesus selbst gesehen und gehört hat, wird im Johannes-Evangelium zum Täufer-Wort:  „Ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes.“ 3. Der Evangelist Johannes fügt das „Bleiben“ hinzu. Was lässt sich daraus ablesen? Dem 4.Evangelium ist das „Bezeugen“ wichtig – das Wort kommt noch oft vor. Es will vor der griechisch-römischen Welt belegen, dass es sich in den Schilderungen nicht um Mythen handelt, nicht um unhistorische schöne Schilderungen, nicht um eine persönliche Einbildung Jesu, sondern dass es Zeugen dafür gibt.

Es ist ein Satz, der am stärksten in unsere heutige Zeit herein wirkt : „… das Lamm, das die Sünde der Welt hinweg nimmt.“  Wir sehen die Sünde der Welt heute deutlich, etwa wie verheerend sich die schonungslose Plünderung der Erde auswirkt. Wir sehen das Unrecht, das einem großen Teil der Weltbevölkerung angetan wird: Ausbeutung, Hunger. Wir sehen, welchen Schaden der Egoismus der reichen Welt global anrichtet. Wer ist in der Lage, diese Sünde zu beheben? Wer hilft heraus aus dieser Sackgasse? Wer hat eine umfassende Lösung bereit und kann sie durchsetzen? Wohl kein Staatoberhaupt, schon gar nicht eine Führerfigur, die sich wortgewaltig aufspielt. Es wird eine geistige Neuorientierung nötig sein, weg von der kurzsichtigen Gewinnsucht hin zum achtsamen Umgang miteinander. Es wird eine Menschengruppe nötig sein, die sich an dem „Lamm Gottes“ orientiert und die seine Weisung umsetzt. Damit wird das Unrecht aufgehoben – Die weltweite Erneuerungsbewegung, die der Welt heraus hilft aus ihrer Verwirrung, wird angeleitet sein von dem Lamm. Das mag visionär klingen oder weltfremd-religiös, aber der Ruf nach Rettungsmaßnahmen wird immer lauter. Es finden weltweite Konferenzen statt, an denen die Themen am Tisch liegen: Eindämmung der Umwelt-Zerstörung, Unterstützung für die Hitze-Geschädigten auf der Erde, Schutz der Benachteiligten und Minderheiten, Schutz der Artenvielfalt ... Letztlich geht es darauf hinaus, achtsamer zu leben  Die Diener des Lammes haben sich eben das zum Lebensmotto gemacht und sie bestärken sich gegenseitig darin. Sie tragen dazu bei, dass Schuld abgebaut wird, dass Vergebung zur bevorzugten Haltung wird. Sie versuchen es zuerst in ihrem persönlichen Umfeld. Wo die Welt sich wandelt von „Räumen der Schuldzuweisung“ in „Zellen der Einsicht“ , dort ist das Lamm Gottes erkennbar. „Siehe, das Lamm Gottes!“

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