
15.Juni 2025 Dreifaltigkeits-Sonntag
Noch vieles habe ich euch zu sagen
Joh 16, 12 – 15
Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in der ganzen Wahrheit leiten.
Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird reden, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird.
Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden. Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden.
Dieser Abschnitt aus dem Johannes-Evangelium stammt aus der dritten Abschiedsrede Jesu, die uns der Evangelist während des Abendmahls vermittelt. 350 Jahre nach der Abschiedsrede war die Frage der Dreifaltigkeit zu einem brennenden Thema in der Kirche geworden, die inzwischen riesig groß angewachsen und zur „Staatsreligion“ des römischen Imperiums geworden war. Wegen der Trinitäts-Lehre wurde 381 das 1.Konzil von Konstantinopel einberufen. Damit sollte ein heftiger theologischer Gelehrtenstreit beendet werden. Man legte sich auf den Wortlaut des Glaubensbekenntnisses fest in lateinischer Sprache). "Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten"
Es besagt, dass zwischen den drei göttlichen Personen (auch Hypostasen genannt) eine Gleichrangigkeit bestehe und nicht wie manche Lehrer damals behaupteten, der Heilige Geist untergeordnet sei. Das Wort Person dürfen wir nicht nach heutigem Verständnis auffassen. Es sind nicht drei getrennte Persönlichkeiten gemeint, sondern drei Erscheinungsweisen einer Person. Das Wort Person kommt vom Lateinischen. Es setzt sich aus 2 Wortteilen zusammen: PER (=durch) und SONARE (=tönen). Es bedeutete die Maske, die ein Schauspieler im römischen Theater trug und durch die seine Stimme ertönte. Also eine Person, ein Schauspieler, trat mit unterschiedlichen Gesichtern auf.
Auf die Glaubensvorstellung übertragen heißt es, dass die göttliche Macht und göttliche Güte und Barmherzigkeit in drei verschiedenen Gesichtern oder Masken zu sehen ist: einerseits als Vater und Ursprung , andererseits als Sohn und Mensch und unser Bruder, schließlich auch als Windhauch und Beistand für die Glaubensgemeinschaft.

Im römischen Theater konnte ein und derselber Schauspieler in verschiedenen Rollen auftreten. Dazu wechselte er die Maske - PERSONA- hieß Maske.
Aus heutiger Sicht mag man sich wundern, wie damals vor über 1600 Jahren dieses rein theologische Thema zu einer Zerreißprobe der umfassenden Kirche werden konnte. Verständlich wird es, wenn man bedenkt, dass die Kirche sich gewandelt hatte aus einem Netzwerk von Hauskreisen zu einer mächtigen Institution. Nun standen die große Mitgliederzahl und deren Rechtgläubigkeit im Vordergrund. Gerade gut 70 Jahre zuvor hatten Helden des Glaubens noch ihr Leben gelassen, angesehene Männer und gebildete Frauen wie etwa Florian in Enns oder Barbara in Nikomedia/Türkei und Katharina von Alexandrien. Erst 60 Jahre vor diesem Konzil hatte erstmal ein Kaiser das Christentum erlaubt. Es war Konstantin – und einige Jahrzehnte später sollte die Lehre zur Staatreligion erhoben werden. Damit war eine Institution im Entstehen, in der das CREDO wichtiger geworden war als die Gute-Nachricht mit ihrer lebensverändernden Wirkung. Die Erfahrung von Zusammengehörigkeit wich der bloßen Mitgliedschaft. Die dogmatische Richtigkeit der Lehre stand über der Kraft des Wortes von früher. An die Stelle der bisherigen Runden in privaten Häusern traten Basiliken und an die Stelle der Tische traten steinerne Altäre. An den Tischen war das Brot geteilt worden. In Essen des Brotes Christi festigte sich die Gemeinde zu einem Leib, zu einem Corpus. In den Anfangsjahren unterschied man in der Gemeinde nicht zwischen sozial Schwachen und Wohlhabenden. Im Leib Christi war der Unterschied aufgehoben. In der mächtig gewordenen Kirche hingegen wurden statt Tischgemeinschaften Opfergottesdienste zelebriert. Aus den Tischen waren Altäre aus Stein geworden. Die Erinnerung an Jesus, wie er zu Lebzeiten mit den Menschen umgegangen ist, trat in den Hintergrund. Sie wurden verdrängt durch prachtvolle Mosaiken des Pantokrators, des Allherrschers Christus. Dogmen und Zeremonien wurden vorrangig, so auch die Frage nach der Trinität. Festgelegt wurde sie im 4.Jahrhundert, aber fester Bestandteil des Kirchenjahres wurde der Dreifaltigkeits-Sonntag erst im 14.Jht. Eingeführt hat ihn 1334 der im französischen Exil lebende Papst Johannes XXII – kurz vor seinem Tod. In vielen Klöstern Galliens/Frankreichs war es damals bereits 300 Jahre lang üblich, dieses Glaubensfest zu feiern. Auch die Künstler haben sich mehr und mehr um dieses Thema angenommen, aber von der Lehre Jesu hatten die Maler und Bildhauer nicht viel Ahnung.
Die Dreifaltigkeitsbilder des ausgehenden Mittelalters, in denen Gott als bärtiger Mann dargestellt ist und vor ihm der Gekreuzigte und über ihm eine silberne Taube zu sehen sind, müssen wir heute als irreführende Darstellungen bezeichnen. Trotzdem waren Christen über Jahrhunderte hinweg stärker davon geprägt als vom Wort Jesu selbst.
Wir heutige Christen sind dabei, dass wir uns wieder auf die Ursprünge besinnen. Wir nehmen das Wort Jesu ernster. So kommen wir zu der Erkenntnis: Er selbst nimmt die Zahl drei kein einziges Mal in den Mund, wenn er die Göttlichkeit zu erklären versucht. Selbst wenn er die Beziehung bespricht zwischen sich und dem, von dem er sich gesandt fühlt, spricht er vom „Vater“, sagt aber nie „wir zwei“, sondern er beschreibt die Beziehung immer als eins. Er liefert für die Rückbindung zum Vater, also zu seinem Ausgangspunkt auch keine hochtheologische Erklärung, sondern er verknüpft sie sofort ganz real mit jener Einigkeit, wie er sich seine Nachfolge-Gemeinschaft wünscht. Von Einigkeit kann man schließlich nur in einer Beziehung sprechen. Ein Alleinherrscher hingegen kennt den Begriff Einigkeit nicht.
Nun zum heutigen Text aus dem Johannes-Evangelium:
Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.
Es ist noch nötig, dass ich euch viel sage. Meine Lehre ist noch lange nicht ausgeschöpft. Das liegt nicht an mir, nicht an meiner Fähigkeit, sie darzulegen, sondern an euch. Ihr seid noch nicht aufnahmefähig für alles. Erst nach und nach seid ihr in der Lage, den Reichtum meiner Botschaft aufzunehmen. Der Mangel wird nicht durch ein einmaliges bevorstehendes Ereignis ausgeglichen, etwa ein „Geist-Ereignis“, sondern es ist ein Prozess, es ist euer Reifungsprozess.
Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird.
Wann immer jene "Dynamik der Wahrheit" – nennen wir den „Geist“ einmal „Dynamik“ – wenn sie kommt und sich anbietet und wenn ihr dafür offen seid, wird sie euch auf dem Weg zur ganzen Wahrheit voranbringen. Das geht nicht schlagartig, es ist nicht ein überwältigendes "Erlebnis", sondern ihr werdet unterwegs dorthin sein. Es wird eine schrittweise Annäherung sein. Er wird euch „leiten“. Die Geisteskraft wird sich in den Gemeinschaften zu Wort melden und was dabei ans Licht kommt, das sind nicht Pläne, die sich jene Gemeinschaft ausgedacht hat oder durch Abstimmung beschlossen hat, sondern die Gemeinde hat die Worte vernommen, indem sie hingehört hat. Wo immer das Hinhören geübt wird, dort ist die Geistkraft in der Lage, euch zu benachrichtigen über alles, was noch bevorsteht. Die Übersetzung "er verkündet, was kommen wird“, vermittelt den Eindruck, es handle sich um eine „Kunde“. Das Originalwort meint aber nicht eine einmalige Ankündigung, wie etwa die Ansage eines großen Ereignisses, sondern es meint einen laufenden Bericht, wie wir es vom Wetterbericht kennen. Das heißt: Die Dynamik-Stimme Gottes in der Gemeinde wird ständig den Mitgliedern sagen, worauf sie aufpassen sollen, was sie als Trost brauchen, worüber sie aufgeklärt werden müssen: Die Geistkraft wird trösten, warnen, ermutigen, klarstellen – immer aktuell, was gerade bevorsteht.
Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden.
Alle Ankündigungen, die geistgewirkt aus der Gemeinde kommen, werden immer wieder glänzend bestätigen, dass Jesus die Wahrheit ist. „Das PNEUMA (=der Hauch) wird mich verherrlichen. Die Geistkraft wird schöpfen aus meinem Reichtum und wird euch über die Entdeckungen benachrichtigen (nicht „es verkünden“). Um zu prüfen, ob die Stimmen in der Gemeinde auch wahrhaftig sind oder ob sie von einem in die Irre führenden Hauch kommen, dazu braucht ihr nur diese Nachrichten zu vergleichen mit meiner Guten-Nachricht. Wenn die Meldungen wahre Worte sind, dann werden sie mich mit Licht umkleiden, sie werden das Meine strahlend verdeutlichen. Das ist gemeint mit „mich verherrlichen“
Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden.
Alle Gute-Nachricht und alles heilsame Wirken hat denselben Ursprung: ob dies von mir kommt oder von der versprochenen Geistkraft, beides geht auf den zurück, den ich „Vater“ genannt habe. Die Dynamik der Gemeinschaft greift auf das zurück, was ich grundgelegt habe. Sie entfaltet das von mir Stammende für euch weiter und macht euch mit neuen Seiten meiner Botschaft vertraut.
Wenn wir das obige Wort Jesu ernst nehmen, wissen wir, dass solche Texte wie das CREDO nie abgeschlossen sind in ihren Formulierungen und dass sie für den "Christen der Zukunft" nicht mehr ausreichend sind. Der „Geist der Wahrheit“ wird uns noch viel weiter führen - auch nach Jahrhunderten noch. Somit können wir heute erweitert sprechen: "Wir glauben an den Heiligen Geist und wir erfahren den Heiligen Geist … der nicht nur angebetet und verherrlicht wird, sondern auch in Anspruch genommen wird von der Gemeinde. Die Leitung, die amtlichen „Geistlichen“, werden ihn nicht nur für sich allein beanspruchen, sondern auch unter den Mitgliedern zulassen. Er hat gesprochen durch die Propheten und er wird weiterhin sprechen durch prophetische Menschen der künftigen ganz vielfältigen Kirchenrunden.
Wenn wir den Mut haben, das Credo aus dem Jahr 381 für das 3.Jahrtausend zu erweitern, dann wird es den Wandel der Kirchen fördern – von einer strukturell geregelten Kirche hin zu einer spirituellen Kirche, zu einer synodalen Kirche, einer Kirche in der vielen Mitgliedern zugetraut wird, dass sie etwas Wertvolles und Geisterfülltes für die Gemeinde zu sagen haben. Im März 1984 ist der große Theologe Karl Rahner im Alter von 80 Jahren verstorben. Von ihm stammt die immer wieder zitierte These „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein“. Damit meinte er wohl nicht, dass sich Christen gänzlich in stille Klöster oder Einsiedeleien zurückziehen, sondern dass sie ermutigt werden, nach innen zu hören und dass allen Christen zugetraut wird, je eigene spirituelle Erfahrungen zu machen und mitzuteilen. Unter Mystik verstehen wir die Offenheit für die Führung durch den Hauch Gottes. Diese Mystik-These gesteht den einzelnen Glaubensbrüdern und -schwestern zu, dass die Geistkraft durch sie alle spricht und durch sie wirkt. Offenbar stehen wir kirchenweit an der Schwelle zu dieser Zukunft. „Der Geist der Wahrheit wird euch verkünden, was kommen wird“ – er wird es euch wissen lassen.