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20. Okt 2019

29.Sonntag im Jkr

Hartnäckig Gottes Hilfe einfordern

Das Lesejahr C, dem das Lukas-Evangelium zugrunde liegt, neigt sich dem Ende zu. Es ziemt sich, diesem hervorragenden Schriftsteller, der als einziger nicht aus der jüdischen, sondern aus der römisch-griechischen Kultur stammt, eine Würdigung auszusprechen. Mehrmals in seinem Evangelium und gerade an diesem Sonntag ist es eine wahre Freude, Jesus im Originalton zuhören, denn so eine kühne Lehrrede kann nur aus seinem Mund stammen. Wir können dankbar sein, dass Lukas so frische Jesus-Worte überliefert – die hier aufgelisteten hat nur er in seinem Schriftwerk. Lukas wird aber auch nicht bestreiten können, dass er häufig zu den Jesus-Reden eine eigene Rahmung gestaltet, die aus seiner Feder stammt und Umstände aus seiner Zeit – also 60 Jahre nach Jesus – einfließen lässt.

Folgende Jesus-Worte gehören zum lukanischen Sondergut, wie die Bibelwissenschaft es nennt:

Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen Lk 10,18

Ein Mann aus Samarien sah den Verwundeten: Er goss Öl und Wein auf seine Wunden Lk 10,29-37

Martha, du machst dir viele Sorgen und Mühen. … Maria hat den guten Teil gewählt Lk 10,38-42

Um Mitternacht bittet ein Freund: Leih mir drei Brote! Lk 11,5-8

Ein reicher Mann sagte (angesichts einer guten Ernte): Ich werde Scheunen abreißen und größere bauen Lk 12,13-221

Ein Mann hatte in einem Weinberg einen Feigenbaum. Er fand daran keine Früchte Lk 13,6-9

Wenn du zu einer Hochzeit eingeladen bist, suche nicht den Ehrenplatz aus Lk 14,7-11

Wenn du ein Essen gibst, lade nicht Freunde oder … ein, sondern Arme, Krüppel … Lk 14,12-14

Wenn einer einen Turm bauen will, wird er zuerst rechnen, ob seine Mittel ausreichen Lk 14,28-32

Ein Mann hatte zwei Söhne. Der Jüngere sagte: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht Lk 15,11-32

Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Der verschleuderte angeblich sein Vermögen Lk 16,1-13

Vor der Tür des Reichen lag ein armer Mann namens Lazarus. Lk 16,19-31

Bedankt er sich etwa beim Sklaven, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? Lk 17,7-10

Es sind doch alle zehn von Aussatz rein geworfen. Wo sind die anderen neun? Lk 17,11-19

Ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm Lk 18,1-8

Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner Lk 18,9-14

Zachäus, komm schnell herunter. Ich muss heute in deinem Haus bleiben Lk 19,1-10

(Kindheit und Leiden Jesus sind hier nicht eingezogen)

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Werden die Früchte der Erde gerecht verteilt? Wann wird es Gerechtigkeit geben? Wer wird den Schwächeren zu ihrem Recht verhelfen?

Diese Stellen sind vielen Bibel-Interessierten bekannt, aber es ist wenigen bewusst, dass sie nur bei Lukas vorkommen. Ohne sein Evangelium würden wir von diesen Jesus-Worten nichts wissen. Wir haben uns mit den meisten von ihnen im abgelaufenen Jahr gründlich beschäftigt, zwei stehen uns noch bevor.

Diesmal sind es wieder kühne Worte. Hören wir zunächst, was davon auf Jesus selbst zurück geht. (Die Rahmung stammt von Lukas)

In einer bestimmten Stadt gab es einen bestimmten Richter. Rechtsfachleute vertreten die staatliche Rechtsordnung des Landes. Es war also ein Rechtsstaat, in dem sich jeder Bürger auf das Gesetz berufen und es in Anspruch nehmen konnte. Vom Glauben und von Religion hielt dieser erwähnte Richter nichts. Was andere als Gott bezeichneten, davor hatte er keine Achtung. Darüber redete er geringschätzig. Auch der Gesprächsstoff der Menschen kümmerte ihn nicht. Was die Leute wirklich beschäftigte, das nahm er nicht ernst. Nicht einmal, was sie über ihn redeten, berührte ihn. Wenn ein Bürger seinen groben und gleichgültigen Charakter öffentlich beanstandete, wusste er sich leicht zu helfen: Er bezahlte sich Leute, die diesen Bürger schnell in Verruf brachten. In derselben Stadt gab es eine vornehme Frau, die ihren Mann verloren hatte. Sie stand als schutzlose Witwe da und sie kam mit einem Anliegen zum Richter und erwartete sich Rechtshilfe und Schutz von ihm. Sie war sicher keine Arme, denn keine aus der Unterschicht hätte es gewagt, einen Richter in Anspruch zu nehmen und könnte sich einen Anwalt leisten. Sie hingegen war eine selbstbewusste Frau und sie war überzeugt, dass sie im Recht war. So sagte sie zu ihm kurz und bündig: „Verschaff mir Recht gegenüber meinem Widersacher.“ Das erwartete sie sich von ihm: Er sollte dafür sorgen, dass sie zu ihrem Recht kam. (Das griechische Wort heißt: „heraus-rechten“.) Wer dieser Gegenspieler war, brauchen wir nicht zu wissen. Leicht erahnen lässt sich hingegen, worum sie betrogen wurde: wahrscheinlich um ihr Erbe – um das, was ihr zustand, nach dem Tod ihres Mannes. Der Richter jedoch machte keine Anstalten, sich um die Sache anzunehmen. Er wollte einfach nicht. Warum er nicht wollte, dafür mag es viele Gründe geben: Gleichgültigkeit? Überarbeitung? Zuwenig Honorar? Kein geeigneter Zeitpunkt für die Problemlösung? Wir erfahren den Grund nicht. Das Nichtwollen zog sich in die Länge. Die Zeit verging, aber sie ließ nicht locker. Man kann sich vorstellen, dass die Witwe von Mal zu Mal lauter wurde. Wenn sie ihn Vorwürfe machte, er würde seine Pflichterfüllung vernachlässigen, beeindruckte ihn das nicht im Geringsten. Er war stolz auf seine Unerschrockenheit und sagte vor sich hin: „Vor dem Allmächtigen, wie ihn viele nennen, vor dem fürchtete ich mich nicht. Und die Menschen – denen wende ich den Rücken zu. Was immer die reden über mich, dafür schäme ich mich nicht. – Aber diese eine Frau, diese Witwe bereitet mir Ärger. Ich habe keine Ruhe von ihr. Ich werde jetzt doch dafür sorgen, dass sie zu ihrem Recht kommt. Ich bin entschlossen, ihr zum Recht zu verhelfen. Die ist in der Lage, mir einen Schlag unter das Auge zu verpassen. Es wäre nicht auszudenken, wie ich dastünde vor den Freunden und Nachbarn mit einem blauen Auge. Wenn die mich dann fragen würden: Von wem? Von einer Frau, Witwe noch dazu? – Nicht auszudenken!“ Damit beendet Jesus seine Lehrgeschichte. Gut vorstellbar, dass er schmunzelnd in der Runde herum blickt. Er schildert nicht mehr, ob das Rechtsverfahren tatsächlich zu ihren Gunsten ausgegangen ist. Zweifellos ist es das, denn sie war ja im Recht. Schließlich ergänzt Jesus noch: „Hab ihr bemerkt, worauf der Richter angesprungen ist, der sich nicht um das Recht kümmert? Was war es letztlich, das ihn zum Tätigwerden veranlasst hat, obwohl er sich nicht für eine gerechte Welt einsetzt?“ Jesus lässt seine Hörer selber drauf kommen, er gibt die Antwort nicht. Aber sie ist eindeutig: Die Ehre war dem Richter heilig, die durfte nicht angepatzt werden. Bei den Großen, von sich Eingenommenen erreicht man am ehesten etwas, wenn man sie bei der Ehre packt. Zum Schluss ist noch ein Lehrgrundsatz angefügt, der sich aus der Geschichte ableiten lässt: „Wird Gott nicht eine Lage des Rechts für seine Auserwählten schaffen, wenn sie während des Tages und während der Nacht zu ihm schreien. Wird er gerade sie lange warten lassen? Ich sage euch: Er wird ihnen in Kürze Recht verschaffen.“ Ob dieser Lehrsatz noch aus dem Mund Jesu stammt, ist umstritten. Dafür klingt er zu wenig klar. Sicher aus der Feder des Lukas stammt der allerletzte Satz: „Wird der Menschensohn etwa, wenn er kommt, die Glaubenstreue auf der Erde vorfinden?“ Lukas in den 90er Jahren stellt mit Besorgnis „Glaubensschwund“ oder Wankelmütigkeit fest. Die glühende Erwartung ist blass geworden, die noch Paulus in den 50er Jahren angetrieben hat: Für den war es nur noch eine Frage der Zeit, dass der Menschensohn im Strahlenglanz erscheinen würde. Diese Naherwartung ist geschwunden – es bleibt trotzdem der Apell, zum Herrn zu schreien – am hellen Tag aus Freude und in der dunklen Nacht um Rettung. Das hat Lukas schon im Einleitungssatz betont: „Immerfort beten! Nicht müde werden!“ Jesus selbst hatte die Betonung auf die Zudringlichkeit und Hartnäckigkeit gelegt.

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