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23.März 2025      3.Fasten-Sonntag

Zeit der Entscheidung

Lukas 12,49–13,9

Zur gleichen Zeit kamen einige Leute und berichteten Jesus von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit dem ihrer Opfertiere vermischt hatte. Und er antwortete ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer größere Sünder waren als alle anderen Galiläer, weil das mit ihnen geschehen ist? Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle genauso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.

Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms am Schiloach erschlagen wurden – meint ihr, dass sie größere Schuld auf sich geladen hatten als alle anderen Einwohner von Jerusalem? Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle ebenso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.

Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis: Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine. Da sagte er zu seinem Winzer: Siehe, jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen? Der Winzer erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen!

Wenn wir lesen, dass einige Leute den Vorfall Jesus be­richteten, dann ist klar, dass dies keine sachliche Mitteilung ist: „Einige Leute berichteten Jesus von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit dem ihrer Opfertiere vermischt hatte.“ Sie schildern das voll Entsetzen und Wut und es verlangt nach einer Erklärung. Warum lässt Gott das zu? Am heiligen Ort des Tempels haben die Soldaten des Pilatus mehrere Pilger aus Galiläa geradezu abgeschlachtet so wie die Lämmer geschlachtet wurden. War es eine Strafe Gottes?

Bleiben wir zunächst bei Pilatus. Die Geschichtsforschung hat einiges über diesen Mann ans Licht gebracht: Als römischer Statthalter residierte er normalerweise in Cäsarea am Meer, also in jener neuen Hafenstadt, die Herodes an der Mittel­meer­küste hatte erbauen lassen. Der König hatte sich dabei am römischen Baustil orientiert. Danach kam der Prokurator – Statthalter genannt – und er vertrat den römischen Staat und den Kaiser, so wie in den anderen Provinzen üblich. Immer zu den jüdischen Hochfesten kam Pilatus mit militärischer Verstärkung nach Jerusalem, weil die Gefahr von Unruhen gegeben war. Dabei bezog er den Herodes-Palast in der Nordwestecke der Stadt.

Pontius Pilatus war in Judäa der fünfte Statthalter. Er amtierte ungewöhnlich lange, nämlich von 26 bis 36 n.Chr. Den Juden war er kaum freundlich gesinnt. Von Zeitgenossen, wie etwa dem jüdischen Geschichtsschreiber Josephus Flavius und dem jüdischen Gelehrten Philo von Alexandrien wurde ihm kein gutes Zeugnis ausgestellt. Josephus schreibt zwar, dass Pilatus seine militärischen Mittel angemessen einsetzte gegen die wiederholt auftretenden Unruhen im Land. Aber die religiösen Gefühle der Juden trat er mit Füßen.

Pilatus Steinweb.JPG

Dieser Stein enthält den Namen  Pilatus. Er wurde 1961 in Cäsarea gefunden und ist ein archäologischer Beweis für den Aufenthalt des Pilatus in der römischen Provinz Judäa.

So übertrug er gleich am Beginn seiner Amtszeit die römischen Feldzeichen, die das Bild des Kaisers zur Verehrung zeigten, nach Jerusalem. Das löste eine Empörung unter den strenggläubigen Juden aus. Man bat ihn mehrmals, davon abzulassen, aber vergeblich. Schließlich ließ Pilatus das Volk in der Rennbahn von Cäsarea zusammen kommen, ließ es von Soldaten umzingeln und drohte ihm an, es niederzumetzeln. Da warfen sich die Juden zu Boden, entblößten ihren Hals und erklärten: „Lieber sterben wir, als dass wir etwas geschehen lassen, was gegen unser religiöses Gesetz verstößt.“ So musste sich der Präfekt geschlagen geben und ließ die Bilder aus Jerusalem entfernen. Josephus berichtet auch von einem Aufruhr, nachdem Pilatus vom Tempel­schatz Gelder entnommen hatte, um für Jerusalem eine zusätzliche Wasserleitung bauen zu lassen. Das Lukasevangelium weiß nun von einem Gemetzel am Tempelplatz zu berichten, wie wir im heutigen Evangelium hören. Philo schildert ihn als einen von Natur aus unbeugsamen und eigenwilligen Menschen: „Er war nicht ge­willt, irgendetwas zu tun, was seinen jüdischen Untertanen gefallen hätte.“ Philo wirft ihm gewissenloses Verhalten vor: Bestechlichkeit, Beleidigungen, Misshandlungen, fortgesetzte Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren und uner­trägliche Grausam­keit. Mag dieses Bild von Philo auch überzeichnet sein, so bleibt doch ein großer Unter­schied zu dem, wie ihn die Evangelien während des Prozesses Jesu schildern. Er versuchte Jesus gegen die religiöse Führung frei zu bekommen: „Ich finde keine Schuld an ihm!“(Joh 18,38) „Was hat er denn für ein Verbrechen begangen?“ (Mk 15,14)

 

Wahrscheinlich stammte er aus der Familie der Pontier, einem adeligen Ge­schlecht mit Stammland in den Abruzzen östlich von Rom. Sein Geburtsjahr ist nicht bekannt, er trat erst in das Blickfeld der Geschichte, als ihn Kaiser Tiberius zum Präfekten der römischen Provinz Judäa ernannte. Zu diesem einflussreichen Posten hatte ihm der Polizeichef Seianus verholfen. Nach einer späteren Legende soll auch die Frau des Pilatus ihren Einfluss geltend gemacht haben: Procula Claudia. Dass ein römischer Statt­halter von seiner Gattin in die Provinz begleitet wurde, war ursprünglich unter­sagt, aber schon Kaiser Augustus hatte dieses Verbot aufgehoben. Das Matthäus­evan­gelium erwähnt seine Frau: „Während Pilatus auf dem Richterstuhl saß, ließ ihm seine Frau sagen: Lass die Hände von diesem Mann, er ist unschuldig. Ich hatte seinetwegen heute Nacht einen schrecklichen Traum.“ (Mt 27,19).

Auch der römische Geschichtsschreiber Tacitus erwähnt ihn, als er über den Prozess Jesu berichtet: „Christus wurde unter der Herrschaft des Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet.“

Das Todesurteil über Jesus bildet ungefähr die Mitte seiner Amtszeit. Im Jahr 31 n.Chr. fiel sein Förderer in Rom, Seianus, beim Kaiser in Ungnade, trotzdem konnte sich Pilatus weitere fünf Jahre im Amt halten und sein hartes Regiment fort­setzen. Erst als er in Samaria wieder ein blutiges Gemetzel anrichtete, wurde er des Amtes enthoben. Bewohner eines Dorfes wollten nämlich den heiligen Berg Garizim (bei Nablus) besteigen. Weil sie aber Waffen bei sich trugen, meinte Pilatus, ein­schrei­ten zu müssen. Die Samaritaner reichten eine Beschwerde bei dessen Vorge­setz­ten, dem Legat Vitellius in Syrien ein. Daraufhin musste sich Pilatus nach Rom begeben, um sich vor dem Kaiser zu verantworten. Doch vor seinem Eintreffen war Tiberius bereits verstorben. Ob es zu einem gerichtlichen Ver­fahren ge­kommen ist, und was sein weiteres Schicksal war, darüber berichten die zeit­ge­nössischen Geschichts­schreiber nichts. Erst bei dem christlichen Historiker Eusebius (gest. 340 n.Chr.) findet sich ein Hinweis, dass er nach Vienne in Gallien (Südfrankreich) verbannt worden sei und dort unter Kaiser Caligula Selbstmord be­gangen haben soll.

Seit 1961 gibt es auch einen archäologischen Beleg für seine Amtszeit. Im Theater von Cäsarea wurde eine große Steinplatte gefunden, auf der noch 31 Buchstaben zu erkennen sind. Sie besagen, dass Pilatus ein Gebäude errichten ließ. Der Name PILATUS ist auf der Platte deutlich zu lesen.

 

Nun zum EVANGELIUM: Jesus lehnt es entschieden ab, aus Schicksalsschlägen voreilige Schlussfolgerung zu ziehen: Die Pilger aus Galiläa sind zwar durch ein Gemetzel des Herrschers umgekommen. Die These, dass dies nur eine Strafe Gottes sein könne, verwirft Jesus in aller Deutlichkeit. Jesus sagt klar: Nein, so einfach könnt ihr euch die Antwort nicht machen. Damit lenkt ihr von eurem eigenen Lebensstil ab. In solchen Schicksalsfällen nur nachzuforschen, wo denn die Schuld liegt, das geht am Wesentlichen vorbei: Erschütternde Vorfälle haben nicht nur Schuldcharakter, sondern auch Appellcharakter: Sie rufen dringend dazu auf, selber zur Einsicht zu kommen. Fragt euch nach solchen Vorfällen: 1. Wie lebe ich selber? Kann ich jederzeit Rede und Antwort stehen zu meinem Lebensstil? 2. Wo kann ich nach dem tragischen Schicksal jemandem beistehen, der davon getroffen wurde? Trösten? Mut machen? Nicht allein lassen! Üblicherweise wird der Bibeltext so übersetzt, als hätte Jesus zur „Umkehr“ aufgerufen. Aber das Wort „Umkehr“ trifft die Aussagekraft seiner Worte nicht. Wer kann denn schon eine Kehrtwende machen und zurückgehen im Leben (=umkehren)? Das Wort heißt im Griechischen META-NOIA und es meint Gesinnungsänderung. META bedeutet: „im Nachhinein“ und NOIA ist „Einsicht“. Die Aufforderung Jesu lautet: Überprüft euren eigenen Lebensstil! Schaut euch hinterher an, was ihr getan habt. Zieht daraus Konsequenzen. Macht nicht unbedenklich weiter! Damals – zur Zeit Jesu – wurden Schicksalsschläge als Gottesstrafe angesehen, das ist heute kaum mehr so. Eher fragen Menschen, insbesondere religiöse Menschen: Wie kann das Gott zulassen? – Aber da muss man fragen: Was für ein Gottesbild steckt hinter dieser Frage? Das sollten wir genau prüfen. Sitzt denn Gott an den Schalthebeln des Schicksals?  Tunkt er etwa manche ein und andere verschont er? Dass er die Bösen vernichtet und die Guten rettet, das ist ein überholtes Gottesbild, das sich vor über 3000 Jahren hätte ändern sollen. Schon Mose musste sein Gottesbild umlernen als er vor dem brennenden Dornbusch stand: „Der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage gehört. Ich kenne sein Leid.“ (Ex 3,7) Wenn uns das heutige Elend weltweit täglich in den Medien vor Augen geführt wird, fragen viele: Warum verhindert das Gott nicht? Auch hier würde Jesus sein entschiedenes NEIN dazwischen rufen. Das Gefüge des Kosmos ist hochkomplex und von Licht und Dunkel durchsetzt. Das Böse und das Gute fordern sich gegenseitig heraus. Die Grundrichtung der Schöpfung ist Weiterentwicklung, ist Heilsplan. An uns liegt es, dass wir uns die Frage stellen: Trage ich dazu bei? Stelle ich mich dem Heilsplan zur Verfügung? Zum Wohl meiner Mitmenschen? Wenn nicht, ist dringend eine persönliche Kurskorrektur nötig.

 

Nun kommt Jesus zum Gleichnis vom Feigenbaum: Der wurde vor drei Jahren gepflanzt und trägt noch immer keine Früchte. Vielleicht spielt Jesus damit auf den Beginn seines Wirkens und Lehrens vor drei Jahren an.  Jesus hat trotz aller Liebe und Leidenschaft für das Gute bei gewissen Leuten keinen Fruchtansatz bewirken können. Eigentlich hätten diese Leute jede Berechtigung verloren, weiter im Reich Gottes zu stehen und anderen den Platz wegzunehmen. Es wäre angemessen, diese Nutzlosen zu beseitigen. Aber Jesus ist die Verkörperung des neuen Gottesbildes: „Gib ihm noch ein Jahr eine Chance!“ Dieses eine Jahr reicht über den Tod Jesu hinaus. Vielleicht meint Jesus damit, dass sein eigenes dramatisches Sterben doch noch einige Tatenlose aufrüttelt. Wem auch das nicht nahe geht, der hat nichts mehr verloren im Weinberg Gottes. Wer jetzt immer noch  nichts beiträgt, dass eine Welt der Liebe und des Zusammenhalts aufgebaut wird, der kann verschwinden. „Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte, wenn nicht, dann lass ihn umhauen“

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Mag. Martin Zellinger              Bibeltheologe, Reiseleiter & Eigentümer Lester Hof

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