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5.Feb. 2023      5.Sonntag im Jahreskreis

Schärfe und Strahlkraft haben

Matthäus 5,13-16

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr, außer weggeworfen und von den Leuten zertreten zu werden. Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet sie allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Das Wort vom Salz und das Wort vom Licht hat Jesus ursprünglich an unterschiedlichen Orten ausgesprochen. Erst Matthäus koppelt beide zusammen. Jesus hat es vermutlich etwas anders formuliert. Matthäus fügt die Aussagen auch bewusst unmittelbar an die Seligpreisungen an. Mit dem Wort „Ihr seid das Salz der Erde – das Licht der Welt“, sind dieselben angesprochen, die zuvor in den Seligpreisungen beglückwünscht wurden: So etwa: >Selig, die etwas tun dafür, dass zwischen Zerstrittenen Friede entsteht, sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden.<  Von denselben Jesus-Schülern heißt es nun: „Ihr seid das Salz der Erde“. Es sind kühne Worte, die uns Matthäus hier überliefert.

Das Salz braucht man auf der ganzen Erde. Man braucht es, um Speisen schmackhafter zu machen, und man brauchte es, um zu verhindern, dass Lebensmittel verderben, ganz besonders um Fische haltbar zu machen. In der heutigen Zeit wird der Lachs, der in Norwegen gefangen wird, sofort tiefgefroren und kommt so in unsere Supermärkte. Was heute die minus  20 Grad zuwege bringen, das war damals das Salz. Jesus sagt: Was Salz für Nahrung ist, das seid ihr für die Gesellschaft. Es heißt nicht: Ihr sollt es sein, sondern ihr seid es. Es ist eure Bestimmung. Es heißt auch nicht „Du“ (!) bist das Salz, sondern ihr als Gruppe, als Schüler-Kreis. Ihr könnt Fäulnis im menschlichen Miteinander verhindern, so wie das Salz die Fäulnis bei allen Lebensmitteln verhindert, ganz gleich ob Gemüse oder Fisch.

In der Heimat Jesu waren es vor allem Fische aus dem See Gennesaret, die mit Salz konserviert wurden. Es waren dann  eingepökelte Fische. Sie waren so gut haltbar, dass sie bis nach Rom als Delikatesse exportiert werden konnten. Die römischen  Reise-Schriftsteller Sueton oder Plinius berichten davon, sie nennen sogar den Ort am See, wo sich die „Konserven-Fabriken“ befanden. Er hieß Tarichea und bedeutete Pökel-Ort. Mit Salz wird der köstliche Fisch haltbar gemacht. Ohne Salz verdirbt vieles Lebensnotwendige auf kurz oder lang. Salz schützt gegen die Schadstoffe, die das Verderben herbeiführen. „Ihr seid das Salz, das auf der Erde vor Fäulnis schützt“ Ihr könnt  das Verderben auf der Erde verhindern. Außerdem macht Salz die Speisen in allen Ländern der Welt würzig. Ihr  macht das Leben vieler Menschen würzig und genießbar. Klingt das nicht doch etwas überheblich? Matthäus schreibt es trotzdem in seinem Handbuch für Gemeinde-Gestaltung und er beruft sich dabei auf Jesus. Nein, es ist nicht überheblich, denn es  kommt sofort das Aber: Wenn aber das Salz seine Salzkraft verliert, wenn es fade wird, dann dient es für gar nichts. Manche übersetzen das so: „Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, ...“. Damit erwecken sie den Eindruck, als diene Salz nur zur Geschmacksverbesserung. Sie nehmen so dem Jesus-Wort die halbe Aussage-Kraft weg.

Stadt auf Berg web.JPG

Abendliche Wanderung in Galiläa: Ganz im Hintergrund leuchtet die Stadt Safed - die Stadt auf dem Berg. Damals wurden von Bergstadt zu Bergstadt Lichtsignale weitergegeben.

Genau übersetzt heißt es nämlich: „Wenn das Salz zur Dummheit wird,...“ Es erweist sich als Unsinn, es wird zur Lächerlichkeit. Bei Paulus bedeutet das Wort „Torheit“, es ist der Gegensatz zu Weisheit: „Sie behaupteten, weise zu sein, und wurden zu Toren.“ (Röm 1,22). Ein Dummkopf ist einer, der nichts versteht, dem die Einsicht fehlt, dem es an Erkenntnis mangelt. Das ist eine Anspielung auf Christen-Gruppen, die zu keiner höheren Erkenntnis gelangen. Sie begnügen sich mit der Zugehörigkeit zur Religion und mit bloßem Mittun. Dabei sinken sie im Niveau langsam ab. Die ursprüngliche Würze geht verloren, das Salz wird stumpf, wird dumm.

 

Gemeint ist also: Wenn die "Salz-Gemeinschaft" nicht mehr das ist, wofür sie vorgesehen ist, dann wird sie lächerlich, dumm und niemand erkennt ihren Nutzen. Wenn die Nachfolge-Gemeinschaft Jesu kein klares Profil hat, sich nicht wesentlich unterscheidet, sich nicht deutlich abhebt, wenn sie nur ein wässriger Verein, nur Liebhaberei ist, dann blüht ihr dasselbe wie dem „dumm“ gewordenen Salz. Wenn die Kirchen nur musikalische Feiern bieten, nur Brauchtümer pflegen,  wenn sie nur ehrwürdige, alte Gebäude renovieren, wo ist dann ihr Profil? Wodurch unterscheiden sie sich dann von dem, was kunstfördernde Vereine und Konzerthäuser auch bieten?

Nach der Schilderung des Matthäus-Evangeliums werden die Kirchen nicht von Gott bestraft, weil sie nicht Salz sind, sondern sie werden es selber erleben, wie die Gesellschaft drüber fährt und sie nieder tritt. Das ist die logische Folge. Wenn sie nicht das Salz sind, das für die Menschheit weltweit unentbehrlich ist, dann dürfen sie sich nicht wundern, dass sie zur Belanglosigkeit und zur Lächerlichkeit werden.

Jesus fordert seine Zuhörer heraus mit der Frage: „Wenn die Verdummung des Salzes eintritt, womit wird man ihm wieder die Salzkraft geben? Gibt es ein Ersatzmittel? Was haben wir anstatt dessen zum Salzen?“ Wir könnten die Frage als Gewissenserforschung nehmen: Haben wir unser reines Salz, das im Ursprung enthalten ist,  vermischt mit Sand oder mit sonst welchen billigen Stoffen? Haben wir uns bewusst gemacht, welch eine wertvolle Substanz wir bekommen haben als Glaubende? Die Folge aus dem Stumpf-Werden ist sehr bedauerlich: „Das verdünnte und verdummte Salz ist zu nichts mehr brauchbar. Es ist nicht stark genug, um Wirkung zu haben. Salz selber ändert sich zwar nicht in der Qualität, es verdirbt nicht, aber wenn man es ausdünnt, wenn man es stumpf macht, erfüllt es nicht mehr seinen Zweck, es richtet mehr Schaden an, es löst Verärgerung aus. Die es verwenden wollten, werden bitter enttäuscht sein. Verdummtes Salz ist unbrauchbar. Es gibt dafür keine Verwendung mehr. Es kann nur  hinaus geworfen werden und es wird von den Menschen niedergetreten. „Ihr lauen Christen werdet hinaus geworfen“, das klingt nach einer Drohung – ist aber keine, sondern ist eine nüchterne Tatsache. In den 80er Jahren, als Matthäus sein Evangelium als Handbuch für Gemeinde-Verantwortliche  schrieb, gab es offenbar schon beide Formen: Gemeinden und ihre Verantwortlichen, die Profil hatten, die Salz waren. Sie setzten das in die Tat um, wozu die Seligpreisungen ermutigen.  Und es gab Gemeinden, die um ihrer selbst willen zusammen kamen. Sie pflegten nur ihre Traditionen und kümmerten sich wenig um die Fäulnis in den menschlichen Beziehungen. Die Verantwortlichen ließen es sich gut gehen.  Für die einen traf es zu: Ihr seid das Salz der Erde. Bei den anderen verdummte das Salz. Sie gaben sich mit ihrem billigen Christsein zufrieden. Diese zweite Gruppe will Matthäus warnen, dass sie nicht von den Leuten der Außenwelt niedergetreten würden. Auch der Verfasser des Kolosser-Briefes fügt eigens am Schluss des Schreibens noch den Aufruf an: „Eure Worte seien immer freundlich, doch mit Salz gewürzt; denn ihr müsst jedem in der rechten Weise antworten können.“ (Kol 4:6)  Das Markus-Evangelium betont, dass wir beide Qualitäten in unseren Gemeinden pflegen sollten: Sowohl Schärfe und Deutlichkeit als auch Friedfertigkeit und Versöhnungsbereitschaft: „Habt Salz in euch, und haltet Frieden untereinander!“ (Mk 9,50)

 

Matthäus fügt zum Salz-Wort ein zweites kühnes Wort hinzu: „Das Licht des Kosmos seid ihr –  ja, ihr als Gemeinschaft.   Eine Stadt kann nicht verborgen sein, wenn sie oben auf einem Berg gelegen ist.“ Matthäus baut damit ein Jesuswort aus:  „Zündet man etwa ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber oder stellt es unter das Bett? Stellt man es nicht auf den Leuchter?“ (Mk 4,21)

Mit dem „Gefäß“ ist der Modius gemeint, ein Messgefäß von etwa 9 Litern. Die Hausbewohner  geben die Leuchte nicht unter das Messgefäß. Nein, sie stellen die Öllampe auf den Lampenständer und dann leuchtet sie für alle, sie spendet allen Licht, die im Haus sind. Es sollen in der Religion nicht die das Sagen haben, die das  Messen und das Beurteilen als das Wichtigste sehen und für die das genaue Einhalten von Vorschriften und von Maßen Vorrang hat. Die Leute mit dem Messgefäß in der Hand dürfen nicht die Oberhand bekommen in der Glaubensgemeinschaft. Auch ist die Leuchte nicht für die Schlafenden gedacht, sondern für die Wachen. Die Lampe gehört nicht unter das Bett geschoben. Jesus entgegnet mit diesem Vergleich denen, die meinen er solle sich mehr zurückhalten und die Gesetzeshüter in der Religion nicht so herausfordern. Vielleicht haben ihm damals manche geraten: „Es ist zwar bewundernswert, wie du dich in die dunklen Lebensbereiche so vieler Menschen begibst. Gleichzeitig verärgert es die Vorschrift-Gläubigen. Sie stoßen sich daran, wie deine Leuchte die Dunkelheit aufhellt.“ Denen erwidert Jesus: „Ich kann doch nicht über mein Licht das Messgefäß stülpen lassen.“ Der ganz frühe Schüler-Kreis um Jesus verstand unter dem „Licht“ ursprünglich ihn selber, ihren Meister. Auf ihn war der Satz bezogen: „Ich bin das Licht der Welt.“ Nach seinem Weggang erlaubte sich seine Nachfolge-Gemeinschaft, das Licht-Wort auf sich zu beziehen – auf sich als zum Herren gehörige Gemeinde - allerdings nur mit dem Verweis auf ihn als den URSPRUNG. Für Matthäus ist das „Licht des Kosmos“ ein Leitthema. Schon am Beginn seines Evangeliums sind Sterndeuter aus der fernen Welt gekommen, weil sie ein außergewöhnliches Licht im Aufgang sahen. Am Schluss schreibt Matthäus, dass der Auferstandene zu den elf Jüngern sagt: „Geht und macht alle Völker der Welt zu Lernenden für mich“

Matthäus ergänzt nun ganz im Sinne Jesu: „So soll euer Licht den Menschen voran leuchten und glänzen, sodass sie eure schönen und erfreulichen Taten sehen“ Es ist schlicht und  einfach vom „Licht“ die Rede, nicht von einer starken Fackel, die dem Sturm widersteht. Es ist auch nicht von einem mächtigen Leuchtturm die Rede, der Schiffe auf hoher See die Richtung zum Hafen weist. Unspektakulär soll euer „Licht“ den Menschen voran leuchten. Ob eine Christen-Gemeinschaft wirklich Leuchtkraft hat, das werden die Leute der Umgebung nach ihren Taten beurteilen. Die Taten werden leuchten, werden Strahlkraft haben. Die Christen werden allerdings niemals sich selber als gut hinstellen und niemals auf Lob für sich aus sein. Jesus sagt unmissverständlich: „Eure guten Taten werden auf euren Vater im Himmel hinweisen. Sie werden bekunden, wie herrlich er ist. Er ist es, der dadurch strahlend dastehen soll.“

Auffallend ist, dass das Licht vor den fernstehenden Menschen nicht etwa durch die Gottesdienste, auch nicht durch Glaubenssätze leuchtet, sondern durch die schönen  und erfreulichen Taten. Im Original-Text steht nicht „gute“ Taten, das hieße AGATHOS auf Griechisch. Es heißt KALOS und das heißt „schön, dem Ideal entsprechend, so wie es sich die Menschen wünschen“. Christen sind also nicht Menschen, die einfach „gute Werke“ tun, sondern die das tun, was gerade gebraucht wird, was jemand anderer gerade nötig hat. Das ist es, was den Menschen auffallen wird. Man wird sie beobachten. Dieses Tun hat zur Folge, dass die Kirchenfernen Hochachtung bekommen vor dem VATER und ihm sogar Anerkennung aussprechen, ihn preisen. Das wäre ihr erster Schritt, dass vielleicht auch sie zu Gott finden. Indem Christen anderen Menschen beistehen, öffnen sie ihnen die Tür zum Glauben an einen Guten Gott.

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