21. April 2019
Ostersonntag
Er vertraut, wo andere schwarz sehen.
Joh 20,1-9
Bevor wir uns in dieses Osterevangelium nach Johannes vertiefen, sollten wir eines klarstellen: Der Tod Jesu am Kreuz-Pfahl ist ein erwiesenes Faktum, dessen Ort und Zeit genau bekannt sind – bis heute. Mit der Auferstehung ist dies anders: Das ist ein „Faktum“ von anderer Qualität. Es lässt sich zwar nachweisen, dass eine erstaunlich große Zahl aus seinem Freundeskreis „Begegnungserfahrungen“ mit ihm nach seinem Sterben machten, aber sie fanden nicht alle am selben Ort statt und nicht zur selben Zeit.
Das waren „Erfahrungen“, nicht „Ereignisse“ in üblichen Sinn. Sie waren von einer so außerordentlichen Qualität, dass sie das weitere Leben nachhaltig geprägt haben. Das wissen wir aus mehreren Quellen, die sich nicht gegenseitig beeinflusst haben: Paulus-Überlieferung und Selbst-Zeugnis, Johannes-Evangelium, synoptische Evangelien, Quellen des Lukas in der Apostelgeschichte. Man hätte diese Erfahrungen wohl nicht mit Mikrophon und Kamera Eins zu Eins festhalten können. Sie sind also kein Faktum in der Weise wie das Sterben am Kreuz. Deshalb haben manche heutige Zeitgenossen ihre Zweifel daran – auch Personen, die beruflich in der Glaubensvermittlung tätig sind. Sie stellen die Schilderungen in Frage. Das ist zunächst nicht verwerflich, denn diese „Zweifler“ befinden sich in guter Gesellschaft mit den engsten Vertrauten Jesu selbst. Diese hatten Zweifel, selbst als sie den Auferstandenen in Galiläa sahen und vor ihm nieder fielen. So schreibt es jedenfalls das Matthäus-Evangelium (Mt 28) ungeschminkt, auch wenn es die Einheitsübersetzung abschwächt auf „einige hatten Zweifel“. Im griechischen Originaltext steht. "Sie hatten Zweifel."
Foto von der Pilgereise. Mithilfe des Tandem konnte auch die blinde Teilnehmerin bei der Radfahrt mitmachen. Das setzte Vertrauen voraus - Vertrauen in den, der mit ihr das Tandem steuert. Einem Unerfahrenen zu vertrauen ist Wagemut, einem Erfahrenen zu vertrauen ist hilfreich.
Manche heutige Ausleger versuchen, sich heraus zu reden, indem sie es folgendermaßen darstellen: Die engen Vertrauten Jesu mussten es mühsam verarbeiten, dass ihre Hoffnungsfigur Jesus auf so tragische Weise umgekommen war. Sie legten sich Lösungen zurecht und nannten das „Auferstehung“. Sie leiteten von daher die Berechtigung ab, sein Werk fortzusetzen. Die österlichen Begegnungen tun diese Ausleger mit bloßen Rückerinnerungen an den Jesus zu Lebzeiten ab. Ob aus einer bloßen Erinnerung an die Lebzeiten oder aus einem Sich-Zurecht-Konstruieren eines Sinnes nach diesem tragischen Ende die Kraft erstehen kann, ihn nachher jahrzehntelang zu bezeugen gegen allen politischen Widerstand, das ist zu bezweifeln.
Nun zum Johannes-Evangelium: „Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.“ Das stimmt nicht ganz überein mit Markus: Der schreibt von 2 weiteren Frauen und dass die Sonne gerade aufging. Diese und noch viele weitere Ungereimtheiten sollten wir nebeneinander stehen lassen. „Dunkel“ bedeutet die Bitterkeit der Frau, die zu Jesus ein besonderes Naheverhältnis hatte. „Als die Sonne aufging…“ deutet beginnende Hoffnung an.
Maria verständigt Simon Petrus und den Jünger, mit dem sich Jesus am nahesten seelenverwandt fühlte. Sie geht davon aus, dass jemand den Leichnam aus dem Felsengrab entnommen habe und anderswohin bestattet habe. Das behauptet sie felsenfest. Die beiden Männer wollen sich sofort selbst ein Bild der Lage machen und brechen dorthin auf. Der eine, der junge Jesus-Schüler, hat den Bestattungsort zwar schneller erreicht, lässt aber dem Gruppen-Verantwortlichen Petrus respektvoll den Vortritt. Was er aber schon beim Hineinschauen gesehen hat, erachtet er als erwähnenswürdig: Es geht um die vier Meter lange Leinenbahn, in die der Leichnam Jesu über Rücken und Vorderseite eingeschlagen war. Als Petrus das Felsengrab betritt, fällt ihm auch der sorgfältig hingelegte Leinenstreifen auf. Zusätzlich beobachtet er ein Tuch, das noch den Schweißausbruch des Körpers auffangen sollte. Es mag seltsam erscheinen, warum diese zwei Textilstücke so erwähnenswert sind. Sie haben offenbar im frühen Christentum noch besondere Bedeutung erlangt.
Abschließend heißt es in der Stelle: „Als dann der andere Jünger hineinging, sah er und glaubte. Denn sie hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse.“ Das klingt widersprüchlich: „er glaubte, denn er hatte nicht verstanden“, Erst wenn man „glauben“ als „vertrauen“ liest, wird es klarer: Obwohl er den tragischen Vorfällen noch keinen Sinn beimessen konnte, ließ sich dieser Schüler vom Vertrauen leiten: Seine Grundauffassung war: „Auch wenn es jetzt noch nicht danach aussieht, glaube ich dennoch an den guten Ausgang.“ Diese Haltung hat sich als die richtige erwiesen. Es wurde ihm und den übrigen ein IHN-Sehen ermöglicht, das über das alltägliche Sehen zu Lebzeiten hinausging. Das hat sie die Ereignisse und Worte aus der Zeit vorher tiefer verstehen lassen und es hat sie stark ermutigt.
Diese „Erfahrungen“ unserer christlichen „Gründergeneration“ vor 2000 Jahren erlauben uns heute, überzeugt zu sein, dass unser Leben nicht mit dem Tod erlischt, sondern hinterher neue Gestalt annimmt. Es bedeutet darüber hinaus sogar, dass wir schmerzvolle Umbrüche noch im Verlauf des Lebens nicht als sinnlos erachten, sie nicht verwünschen sollten. Wir sollten die Geduld aufbringen, abzuwarten bis sie sich als wegweisend herausstellen. Nach der Erschütterung und der Aussichtslosigkeit folgt wohl zunächst eine Phase der Leere vielleicht bis an den Rand der Verzweiflung. Aber sobald wir den Schock überwunden haben, dürfen wir dem Folgenden mit Vertrauen begegnen. Es ist hilfreich zu vertrauen. Es öffnet Türen zu neuen Perspektiven. Angst oder Misstrauen hält sie verschlossen. Den frühen Christen hat sich der Neu-Lebendige gezeigt und ihnen das Vertrauen gestärkt, dass Gott aus noch so tiefen Abgründen jemand heraus retten kann – seither dürfen wir auf seine Möglichkeiten grenzenlos vertrauen.