24. Feb. 2019
7.Sonntag im Jahreskr.
Wie sollen wir mit Kränkung umgehen?
Lukas 6,27-38
Die Sätze sind schnell gelesen, würden aber jeder für sich eine ganze Seite zur Auslegung brauchen. Noch eindringlicher wäre es, sie körperlich darzustellen und nachzuempfinden. Das mache ich immer am ersten Tag der Israel-Reise beim Aufstieg vom Taubental unweit von Magdala. Siehe Fotos!
Verkürzt schreibt Lukas: „Wenn dich jemand auf die Wange schlägt, …“ Jesus hat aber gezielt von der „rechten Wange“ gesprochen, denn üblicherweise landet ein Schlag auf der linken Wange. Wenn er die rechte nennt, dann handelt es sich nur um einen Tapp mit dem Handrücken und nicht um volle Gewalt mit der offenen Hand oder gar Faust. Der Treffer auf die rechte Wange ist eher Erniedrigung, Demütigung, Beleidigung. Das lässt sich gut nachstellen, sodass es die Teilnehmer verstehen und emotional empfinden können.
Man kann es sanft spielen und mit Humor, trotzdem geht die Aussagekraft
nicht verloren. Meistens macht es der freiwillige Darsteller falsch, er schlägt zuerst
auf die linke Wange des „Opfers“. Wenn er erklärt bekommt, dass die rechte verlangt war, versucht er es mit der linken Hand, obwohl er Rechtshänder ist. Wenn der Leiter nicht von vornherein die Pointe verraten hat, probiert der „Täter“ mit dem „Opfer“ einiges herum, bis er endlich herausfindet, worauf es ankommt. Jesus will erklären: Meist fängt es nicht gleich mit der brutalen Gewalt an, sondern mit der kleinen verletzenden Geste. Es beginnt mit einer absichtlichen oder launenhaften Kränkung. Das ist der Tapp auf die rechte Wange. Das können viele aus eigener Erfahrung bestätigen. Häufig
lässt sich der Gekränkte das nicht gefallen, er zahlt es gesteigert zurück
und in Kürze mischt sich die Gewalt dazu.
Das kurbelt die Spirale der Gewalt an.
Ein reifer und nachhaltig handelnder Mensch wird es gleich am Beginn nicht zu der Entgleisung kommen lassen. Er wird zwei Fehler vermeiden: 1. Er wird nicht sagen: „Gemeinheit! – Dir
werde ich es zeigen!“ Er wählt nicht das heftigere Zurückschlagen.
2. Er wird auch nicht sagen: „Ich muss mir das gefallen lassen.“
Er schluckt die Kränkung nicht hinunter. Klüger ist der dritte
Weg: „Ich lasse mich nicht aus der Fassung bringen.
Schweigen werde ich auch nicht. Der Täter soll hören und
sich bewusst werden, was er angestellt hat.“ Er dreht langsam
den Kopf und demonstriert die andere Wange so, als wolle er sagen: „Hier ist meine noch heile Seite. Willst du die jetzt ernsthaft verletzen? Wenn du glaubst, ich würde mich darauf einlassen, dass ich mit Gewalt antworte, dann bist mit mir beim Falschen.“ Jesus empfiehlt eine sehr kreative Methode, wie wir mit drohender Gewalt umgehen sollen: Wir sollen mit etwas Überraschendem erwidern, mit denen der Täter nicht gerechnet hat.
Wir beginnen im Taubental mit dem Aufstieg
Lukas listet uns hier nacheinander mehrere Lebensregeln Jesu als Zweizeiler auf. Es sind nicht Gebote im Sinne von zwingenden Vorschriften, auch nicht für jedermann gedacht, sondern für „euch aber, die ihr zuhört“. Jesus wendet sich ausdrücklich an Lernende. Es sind Empfehlungen an jene, die auf sein Modell einschwenken und dabei laufend sich weiter entwickeln wollen.
Auf halber Höhe zum Arbel-Berg probieren wir aus, was Jesus genau meint mit "Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt..."
Wir sollen uns weigern, das alte, einfallslose Modell von Feindschaft weiter zu spielen. Menschen, die an der neuen Herrschaftsordnung Gottes mitgestalten (= am Reich Gottes), sollten nicht in die weit verbreitete Feindbildfalle hineintappen. Nicht: Zeigt euren Feinden eure Ablehnung, sondern „Liebt eure Feinde“. Mit „lieben“ ist nicht gemeint, dass man für diese Leute Sympathie empfinden soll. Das wäre unecht. Wir sollen um ihr Wohl genauso besorgt sein, wie um das eigene. Wir möchten nicht, dass ihnen etwas Böses zustößt. Wir wünschen ihnen kein Unglück. Das ist ein anspruchsvolles Lebensmotto, es hebt sich deutlich vom der üblichen Gesinnung ab. Wir sollten es aber nicht einfach als einen moralischen Apell verstehen, sondern es gibt einige Vernunftgründe, die für diese Lebenseinstellung sprechen:
-
Wir wissen den Grund ihrer Feindseligkeit oft nicht. Sie könnten aufgehetzt worden sein, man könnte ihnen von uns etwas erzählt haben, das nicht zutrifft. Es hat ihre Seele verfinstert und ihre Sicht verblendet und hat mit uns selbst in Wirklichkeit nichts zu tun. Begehen wir nicht den Fehler, sie zu verwünschen oder ihnen böse gegenüberzutreten. Das würde nur ihre Fehlmeinung über uns verstärken. Wenn wir gefasst bleiben und wenn sie sogar erleben, dass wir ihnen in der Not zu Hilfe kommen und wenn sie erleben wie falsch ihre Meinung über uns war, könnten sie ihre Haltung ändern und die Beziehung könnte sich entspannen.
-
Oft entstehen Feindbilder aus einem Gruppendenken. Viele Menschen neigen dazu, sich einer hochgeschaukelten Abwehrstimmung anzuschließen. Es kann sein, dass wir von ihnen mit eingeschachtelt und in ein Schmutz-Eck gedrängt wurden. Gewisse Gruppen tun das gerne. Wir sollten niemals allesamt abstempeln, weil sie uns verteufeln. Auch wenn sie zu der feindseligen Gruppe gehören, könnten einzelne von ihnen ganz erträglich sein.
-
Wenn wir feindselige Menschen unsererseits verabscheuen, also hassen, hinterlässt das schädliche Spuren auf unserem eigenen Seelengrund. Es verdirbt unsere Fröhlichkeit, unseren Frieden, unsere Ausgeglichenheit. Das sollten wir verhindern.
-
Wenn wir den uns feindselig gestimmten Menschen die Ablehnung für immer spüren lassen und zementieren, verbauen wir uns Chancen. Denn vielleicht können uns diese Personen einmal nützlich sein. Vielleicht brauchen wir von ihnen irgendwann nur eine Information, ein Wissen oder eine winzige Gefälligkeit. Dazu wären sie bereit, wenn wir nicht unsererseits Mauern aufgerichtet hätten.
-
Es könnte sein, dass sich in ihren Lebensumständen etwas ändert, dass ihnen etwas zustößt, sodass sie zur Einsicht kommen, dass ihnen ihre alte Feindseligkeit Leid tut. Sie sollen bei uns offene Türen finden zu einer vorsichtigen Aussöhnung.
Nun haben wir nur 2 der Lehrsätze Jesu behandelt, in diesem Evangelien-Ausschnitt stehen viel mehr. Lukas schreibt etwa: „Wenn ihr denen Geld leiht, von denen ihr es zurück zu bekommen hofft, welchen Dank erwartet ihr dafür?“ Dabei wendet er sich offenbar an Wohlhabende, die in der Lage sind, anderen finanziell unter die Arme zu greifen. Er selbst stammt aus diesen Kreisen. Bedürftige könnten niemandem einen nennenswerten Geldbetrag leihen. Begüterte hingegen sollen es ausprobieren, wie sich das anfühlt, wenn sie jemandem mit Geld geholfen haben und ihnen Jahre später der sagt: „Ich war damals in großer Geldnot. Du hast mich vor dem Absturz bewahrt. Seither kann ich mich gut über Wasser halten.“
Alle Lebensregeln Jesu sind Übungsfelder. Wir können nie sagen: „Die erfülle ich.“ Wir können darin aber laufend Fortschritte machen und dabei Freude und Selbstbestätigung verspüren. Es kommt vor, dass wir scheitern: Etwa wenn wir unfreundlich angeredet wurden und zornig zurück geschrien haben. Dann sollten wir uns hinterher prüfen: Was genau habe ich da falsch gemacht? Wie könnte ich das künftig verbessern? Und wir können uns die Latte von Monat zu Monat eine Spur höher legen. „Werdet barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist.“