top of page

1. März 2020

1.Fasten-Sonntag

Versuchung Jesu oder der Kirche?

Mt 4,1-11

Die kirchliche Leseordnung nimmt uns am 1.Fastensonntag mit in den 40 tägigen Wüstenaufenthalt Jesu. Wir können uns nun fragen: Woher stammt die Schilderung? Es war doch niemand dabei, der es bezeugen könnte, wie das sonst bei den Szenen aus dem Evangelium zutrifft. Jesus selbst muss es seinen engsten Vertrauten, seinem Schülerkreis, später erzählt haben – wohl erst im fortgeschrittenen Stadium ihres Lernens. Ob er ihnen auch die drei Verführungsanläufe des Teufels so geschildert hat, wie sie die beiden Evangelien Matthäus und Lukas überliefern, lässt sich daher in Frage stellen. Welchen Grund hätte Jesus, ihnen das so ausführlich zu beschreiben? Gehen wir zunächst auf die Haupterfahrung in der Wüste ein. Dabei stützen wir uns erst einmal auf die Darstellung des frühesten Evangeliums: Markus.

Unmittelbar nach der überwältigenden Erfahrung während der Taufe durch Johannes hat die Geistkraft Jesus in die Wüste hinaus getrieben. Das klingt heftig und ist auch. Der Original-Text verwendet dasselbe Wort wie bei der Austreibung der unreinen Geister. Jesus ging also widerstrebend in die Wüste. Vorgehabt hätte er etwas anderes, aber es blieb ihm nichts übrig, als dem Druck nachzugeben. Wer oder was trieb ihn an? Der Hauch Gottes war es, der ihn dazu nötigte. Es war derselbe Hauch der Liebe, der ihn am Schluss der Taufe erfasst hatte. Dieser ließ ihm keine andere Wahl. Der Aufenthalt in der Wüste sollte sich lange hinziehen – an die sechs Wochen. So lange ohne Wohnsitz, abgeschieden, ohne Anschluss an die normale Gesellschaft, ohne regelmäßige Verpflegung, vielleicht sogar mit eisig kalten Nächten! Wir können annehmen, dass es sich im Jänner oder Februar ereignet hat, denn kaum drei Monate später wird Jesus schon mit der ersten Teilgruppe an Anhängern zum Pascha-Fest nach Jerusalem pilgern.  Das Fest fällt in die erste Aprilhälfte. Was tat er in der Wüste so lange alleine? „Bleiben“, sagt das Markus-Evangelium. „Bleiben“ heißt „standhalten“ …, heißt es aushalten, dass man auf sich selbst zurück geworfen ist …, heißt sich den großen Fragen stellen und gewissenhaft hin horchen: Was genau ist meine Berufung? Wozu bin ich bestimmt? Welchen Aufgaben soll ich gerecht werden? Diese Fragen erlauben keine schnelle Antwort. Man muss dran bleiben: „Vater, du hast mich hierher gestellt. Was willst du, dass ich von jetzt an tue?“

Israel 2014 Peilstein 140 web.jpg

Der Blick vom Kidron-Tal am Fuß des Ölberges zeigt die Mauer des Tempels in voller Länge. Über sie ragt die Goldkuppel des Felsendomes heraus. Etwa an der Stelle stand der jüdische Tempel. "Oben auf den Tempel" soll der Teufel Jesus gestellt haben, Manche verstehen darunter die "Zinne des Tempels", das wäre die hohe Eckmauer links im Bild.

Die Antwort von oben oder von innen kommt nicht durchgehend rein und unmissverständlich, sondern es mischt sich etwas Irre-führendes bei. „Er wurde von Satan in Versuchung geführt“, schreibt das Markus-Evangelium. Die beiden anderen Evangelien nennen ihn „Teufel“. „Satan“ kommt vom Hebräischen (Widerstand leisten) und heißt soviel wie „Gegenspieler“, „Ankläger“, „Beschuldiger“. „Teufel“ kommt vom Griechischen und heißt soviel wie „Durcheinander-Bringer“, „Unruhe-Stifter“. Beiden Deutungen gemeinsam ist, dass er alles in Frage stellt. Er bringt den eingeschlagenen, ruhigen Weg in Unordnung, indem er die Dinge verdreht. Er verbreitet also nicht blanke Unwahrheiten, sondern Halbwahrheiten – was ja noch schwieriger zu durchschauen ist. Mit dem Wort „Teufel“ weicht also Matthäus ab von seiner Vorlage Markus. Er ist schon vorher abgewichen, indem er das „Bleiben“ durch „Fasten“ ersetzt hat, das bei Markus mit keinem Wort erwähnt ist – im Gegenteil: Der schreibt: „Boten bedienten ihn.“ Mit dem Wort „bedienen“ (griechisch DIAKONEO) ist „Tischdienst“ gemeint: jemanden gastfreundlich mit Essen versorgen. Laut Markus hat sich Jesus nicht ein Fasten auferlegt, wie es Matthäus andeutet, sondern es wurde ihm während der langen Wüstenzeit gelegentlich jemand geschickt, der ihn mit Verpflegung versorgte. Das geschah hin und wieder, denn es ist von mehreren Boten die Rede. Laut Markus ist es noch wichtig zu erwähnen, dass Jesus einen friedlichen Umgang pflegte mit den Tieren der wilden Natur. Damit klingen paradiesische Zustände an. Der Mensch Adam lebte ursprünglich auch in Harmonie mit der Tierwelt, diesen Ursprung stellt Jesus in der Wüste wieder her. Das erwähnt Matthäus nicht.

Worin genau die Versuchung durch den Satan/Teufel bestand, verschweigt uns das früheste Evangelium, Matthäus hingegen liefert uns drei Darstellungen, die schriftstellerisch dreimal nach demselben Schema aufgebaut sind: 1. Der Versucher TUT dreimal etwas: Er tritt heran / Er nimmt Jesus mit in die heilige Stadt / Er nimmt Jesus mit auf einen hohen Berg. 2. Der Versucher fordert Jesus zu einer abwegigen Tat heraus: Aus Steinen Brot machen / Sich hinunter stürzen / Dem Teufel huldigen. 3. Jesus widersteht, indem er mit einem Schrift-Wort erwidert. Das ist der Weg, wie er den Teufel zurück weist: Nahrung bringt auch das Wort Gottes / Gott nicht das Misstrauen zeigen, indem man ihn herausfordert / Nur Gott huldigen und sich in seinen Dienst stellen. Dieser dreiteilige Aufbau sieht konstruiert aus und scheint nicht Ereignisse widerzuspiegeln. Es geht um drei große Themen, um die sich einzelne Bürger und Verantwortliche in Religion und Politik zu kümmern haben: Brot = Nahrung = Grundversorgung – Die Versuchung ist, zuerst auf sich selbst zu schauen. Das „Ich“ steht im Vordergrund: mein Land, meine Sicherheit, mein Vergnügen. Das nächste Thema ist „von hoher Stelle aus eine Show aufführen – noch dazu am hochheiligen Ort“. Damit kann man die Massen gewinnen. In der Politik sind es die öffentlichkeitswirksamen Inszenierungen und Selbstdarstellungen. Im religiösen Bereich ist es der Kult, wenn er äußerlich prächtig ist, sich aber als innerlich leer herausstellt. Das nächste Thema ist „Ausbau der Macht um jeden Preis, auch auf Kosten der Wahrheit und der sozialen Gerechtigkeit“. Dieses dritte Thema (am hohen Berg), dass ihm alle Reiche der Welt gegeben wären, greift Matthäus am Schluss seines Evangeliums nochmals auf: Der Auferstandene zeigt sich den Jüngern und sagt: „Mir ist alle Vollmacht gegeben … Darum geht und macht alle Völker zu Lernenden an mir.“ Vgl Mt 28,18f Erst am Schluss, nach einem unermüdlichen Dienst an den Notleidenden, kann Jesus die Vollmacht für sich beanspruchen.

Die drei Versuchungen Jesu erweisen sich weniger als Ereignisse während des Wüstenaufenthaltes, sondern vielmehr als Herausforderung der Kirche – damals wie heute. Mit der Schilderung wird nicht die Neugierde der Leser befriedigt, wie denn Jesus genau versucht wurde von „Teufel“, sondern es wird die Nachfolgegemeinschaften Jesu gewarnt vor diesen Versuchungen. Schon Paulus im Jahr 55 ist entsetzt über die Galater, dass sie sich so schnell verführen haben lassen, obwohl sie vorher das „gesunde Evangelium“ angenommen haben. „Es gibt kein anderes Evangelium, es gibt nur einige Leute, die euch verwirren und die das Evangelium verfälschen wollen.“ (Gal 1,8) „Ihr unvernünftigen Galater, wer hat euch verblendet? … Im Geist habt ihr angefangen und jetzt wollt ihr im Fleisch enden.“ (Gal 3,1ff) Auch den Korinthern redet er ins Gewissen: „Ihr nehmt es offenbar hin, wenn irgendeiner daherkommt und einen anderen Christus verkündet, als wir verkündet haben.“ (2 Kor 11,4) Er bezeichnet diese verführerischen Leute als Überapostel, weil sie geschliffen reden können und sich gut zahlen lassen. „Diese Leute sind Lügenapostel, unehrliche Arbeiter, sie tarnen sich freilich als Apostel Christi. Kein Wunder, denn auch der Satan tarnt sich als Engel des Lichts.“ (2 Kor 11, 14)

Wenn die Kirche am Beginn der österlichen Bußzeit die Versuchungen Jesu verliest, hält sie sich selbst einen Spiegel vor Augen.

1. Will sie sich nur selbst mit Brot versorgen? 2. Will sie waghalsige Sprünge machen, geht es ihr darum, Mitglieder und Fernstehende am Heiligen Ort zu beeindrucken? 3. Folgt sie den Gesetzen der Wirtschaft: Wachstum um jeden Preis – alle Länder der Erde – , auch auf Kosten der Kleinen, Benachteiligten, der Beziehungspflege? Die Kirche mit ihren Führungskräften und den Mitgliedern wird diesen Versuchungen nur widerstehen, wenn sie dasselbe tut, wie es Jesus im Matthäus-Evangelium getan hat: Sich vom Wort Gottes nähren – Nicht eigenmächtig etwas Großartiges aufziehen, sondern IHM vertrauen und hinhören auf seinen Auftrag – Wachstum und Territorien-Gewinne nur dadurch erreichen, dass wir fortwährend dienen – Gott und dem Nächsten, der uns gerade braucht.

bottom of page