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11.Juli 2021      15.Sonntag im Jahreskreis

Die Aussendung der Zwölf

Markus 6,7-13

Er rief die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen Vollmacht über die unreinen Geister und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen. Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst! Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, ihnen zum Zeugnis. Und sie zogen aus und verkündeten die Umkehr. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.

Er rief die Zwölf zu sich. Sie waren die engere Auswahl aus dem großen Schülerkreis. Einige Abschnitte zuvor hat der Evangelist Markus seine Leser bereits wissen lassen, dass Jesus "zwölf einsetzte, damit sie mit ihm seien und damit er sie aussende" (Mk 3,14) Sie sind dort sogar namentlich angeführt. Nun schien die Stunde gekommen, dass Jesus sie losschicken wollte, damit sie erste eigene Erfahrung machten. Jesus selbst wollte seine öffentliche Tätigkeit währenddessen unterbrechen und sich scheinbar in die Stille zurückziehen.  Wenn es heißt, dass er sie eigens zu sich rief, dann waren sie also nicht ständig um ihn, nicht immer vollständig alle zwölf, hin und wieder waren einige anders beschäftigt oder auf Kurzbesuch zu Hause.

Sie werden "die Zwölf" genannt, nicht Apostel. Der Apostel-Titel entstand erst kurz nach Jesu Tod und Auferstehung. Apostel kommt vom  griechischen Wort APOSTELLO und bedeutet aussenden, losschicken. Jesus wird nicht ein griechisches Wort verwendet haben. Ganz in der ersten Zeit des frühen Christentums wurde noch unterschieden zwischen den Zwölf und den Aposteln, erst später gingen die Titel ineinander über. Das belegt ein früh ausformuliertes Auferstehungsbekenntnis. Darin werden noch beide Gruppen getrennt genannt: "... und er erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich; ... Danach erschien er dem Jakobus, dann allen Aposteln." (1Kor 15,5-7)

Jesus  sandte die Zwölf aus. Im  Originaltext heißt es: Er begann, sie auszusenden. Daraus geht hervor: Er traf sorgfältige Vorbereitungen zum Aussenden. Er erklärte ihnen die Grundsätze, was er sich erwartete.

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Vom Arbel-Berg aus überblickt man den ganzen See Genezaret und weite Teile von Galiläa. Damit kann man sich ein Bild davon machen, wohin die  Zwölf aufbrachen: Zwei und zwei.

Erster Grundsatz: "Zwei und zwei" - Einzelkämpfertum hielt er nicht für zielführend. Zwei konnten sich gegenseitig stärken, zwei mussten sich abstimmen aufeinander, um zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen, zwei konnten verlässlich bezeugen, welche Erfahrung sie an der Seite ihres Meisters bereits gesammelt hatten. Zweiter Grundsatz: Sie sollten sich um die Menschen annehmen, die unter seelischem Druck litten, die gefangen waren von schädlichen inneren Kräften, die sie nicht unter Kontrolle hatten. Jesus ermächtige seine Zwölf, nach seiner Methode und in seinem Namen die Behandlung vorzunehmen. Von ihrem Lehrer selbst erhielten sie die Berechtigung. Sie sollten das Zwielichtige, Dunkle, Selbstzerstörerische in vielen Menschen überwinden, sie sollten es vertreiben aus den Menschen, wo sie sich eingenistet hatten,  und sollten diese Betroffenen wieder auf geordnete sauber Lebenswege zurückführen. Diese psycho-therapeutische Arbeit war damals nichts Außergewöhnliches. Auch die Schüler der Schriftgelehrten taten das und beriefen sich auf ihre namhaften Lehrer.

Der dritte Grundsatz betraf die Ausstattung: Er gab die Anweisung, nichts mitzunehmen! Er wünschte gar keine Ausstattung. Nur einen Stock sollten sie bei sich tragen. Damit war nicht ein Wanderstab gemeint, sondern ein Schlagstock. Man sollte schon von weitem sehen, dass sie sich verteidigen konnten. Zwei Männer mit Stöcken würde nicht so schnell ein versteckter Räuber überfallen. Sonst nichts mitzunehmen, das war kein Befehl, aber ein klarer Auftrag. Andere Gelehrtenschüler trugen Reisetaschen mit Ersatzkleidung und Vorratstaschen für gespendete Lebensmittel mit sich. Davon unterschieden sich die Jesus-Schüler deutlich: Kein Brot als Proviant, keine Spenden-Tasche, auch kein Kleingeld für Notfälle. Kupfermünzen trug man in Lederbeuteln am Gürtel. Er wünschte auch kein zweites Hemd, etwa um elegant gekleidet zu wirken. Wegen der weiten Stecken sollten sie sich jedoch ordentliches Schuhwerk besorgen. Sie sollten Sandalen unten an den Fußsohlen tragen. Barfuß zu gehen, hielt er für verfehlt. Jesus war um das Wohl ihrer Füße besorgt.

Für den mehrtägigen Aufenthalt in Dörfern oder Kleinstädten gab er folgende Regel vor: "Wenn ihr in einem Haus eingeladen seid und dort einen Tag zu Gast seid, dann bleibt dort auch die weiteren Tage bis ihr die Siedlung wieder verlasst. Seid keine Springer, die von Haus zu Haus wechseln, um sich womöglich das schönste auszusuchen. Durch das Bleiben lernt ihr die Lebensumstände der einen Familie kennen, es wächst Vertrauen und die Gastfamilie kann zur Keimzelle für einen späteren Hauskreis werden. Rechnet damit, dass es  auch Orte geben wird, wo euch die Bevölkerung geschlossen ablehnt. Das kann von daher kommen, dass jemand Stimmung gegen euch gemacht hat und viele haben sich überreden lassen. Versucht nicht, gegen Feindseligkeiten anzukämpfen. Schon gar nicht dürft ihr der Bevölkerung drohen oder sie verfluchen. Sang- und klanglos verschwinden sollt ihr aber auch nicht. Setzt ein deutliches Zeichen, das möglichst viele sehen. Schüttelt den Staub ab, der auf euren Füßen haftet. Das soll ihnen ein Zeugnis sein. Sie sollen sich später erinnern daran, was ihnen Rettung gebracht hätte."

Die Zwölf gingen guten Mutes hinaus - wahrscheinlich jeweils in andere Richtungen. Sie verkündeten wie Herolde die Grundbotschaft, mit der auch Jesus angefangen hatte. Sie predigten nicht und lehrten nicht, sondern brachten eine knappe Botschaft unters Volk. Sie lautete ganz einfach: "Denkt über euer Leben nach. Kommt zur Einsicht. Denkt um!" Oft wird die Botschaft mit "Umkehr" übersetzt. Aber das griechische Original-Wort heißt METANOIA und es setzt sich zusammen aus META und NOIA. META bedeutet "im Nachhinein" und NOIA bedeutet "Einsicht". Die Leute sollten also ihr Leben bedenken und daraus zu einer Einsicht kommen und die Weichen neu stellen. "Umkehren" im Sinne von Rückgängig-Machen ist nicht gemeint und auch kaum möglich.

Häufig forderte alleine ihr Auftreten und ihre Botschaft gerade die heraus, bei denen seelisch vieles im Argen lag. Viele Zwänge von unterschiedlicher Art vertrieben die Zwölf aus den Menschen. Viele körperlich Geschwächte rieben sie  mit Öl ein und retteten sie damit. Allein durch das Einsalben stellten sie die Gesundheit von Kränkelnden wieder her.

 

So wie dieses erste, selbständige Wirken der Zwölf im Auftrag Jesus hier beschrieben ist, so wurde es zum Modell für die junge Kirche. Paulus beschreibt in den 50er Jahren den Korinthern: "So hat Gott in der Kirche die einen erstens als Apostel eingesetzt, zweitens als Propheten, drittens als Lehrer; ferner verlieh er die Kraft, Machttaten  zu wirken, sodann die Gaben, Krankheiten zu heilen, zu helfen, zu leiten" (1 Kor 12,28) Im Laufe der Jahrhunderte haben sich leider diese Wesensmerkmale der Kirche verschoben und einige sind verloren gegangen. Die Leitungsfunktion, die hier Paulus am Schluss nennt, ist vorrangig geworden. Bei den derzeitigen Umstrukturierungen der Kirche im manchen Diözese kommt wieder das kollegiale Wirken zum Vorschein und die Ein-Mann-Führung wird abgelöst. Damit ist die Kirche auf gutem Weg zurück zu den Anfängen: Jesus sandte sie aus "Zwei und zwei". Dieses Zweier-Team war auf eine bestimmte Zeit beschränkt. Es war keine Bindung für immer - keine Ehe auf Dauer. Die Zwölfer-Liste in den Evangelien lassen noch erkennen, welche zwei mitsammen gingen. Dass diese beiden in den späteren Jahren mitsammen auszogen im römischen Reich, dafür gibt es keine Hinweise. Wenn wir Paulus beobachten, stellen wir dasselbe Prinzip fest: Zuerst ist er mit Barnabas unterwegs, dann gibt es Konflikte zwischen den beiden und sie gehen je eigene Wege. Später wird Silas sein Begleiter. Zeitweilig hat er auch  eine Frau als Schwester in Begleitung. Das Prinzip der partnerschaftlichen Seelsorge ist vom Urheber her - von Jesus persönlich - gewünscht und wird sich in unseren künftigen Kirchen umso mehr durchsetzen, je mehr wir den Ursprüngen wieder näher kommen wollen.

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