top of page

11.Mai 2025      4.Sonntag der Osterzeit

Die auf meine Stimme hören

Johannes 10,27-30

Meine Schafe hören auf meine Stimme, ich kenne sie und sie folgen mir.

Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen.

Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen.  

Ich und der Vater sind eins.

Äußerst kurz ist dieses Evangelien-Stück, aber aussagestark. Jedes Wort ist sorgsam gewählt vom Autor und sollte ebenso sorgsam übersetzt und gelesen werden. Der griechische Originaltext enthält Feinheiten, die erst mit mehreren Worten in der deutschen Übersetzung zur Geltung kommen. Wir bemühen uns diesmal besonders um Textgenauigkeit. Darüber hinaus hören wir, was ich mit einem Freund besprochen habe, der mir aus seiner Kindheit und Jugend in Bosnien erzählt hat. Er hat dort in den Bergen in frühjugendlichem Alter ein paar Hundert Schafe gehütet. Nun ist er seit über 40 Jahren Priester in Österreich und es klingt ergreifend, wie die Hirtenaufgabe sein damals junges Leben geprägt hat. Ich möchte die Jesus-Worte und seine Erfahrungen ganz schlicht nebeneinander stellen.

Jesus sagt: Die Schafe, die die meinen sind, hören auf meine Stimme. Der Originaltext sagt nicht einfach „meine Schafe“, sondern er betont: Es sind „die meinen“. Und ich kenne sie. Ja ich (!) bin es, der sie kennt. Das Ich ist betont. (griech EGO). Das Wort „kennen“ hat umfassende Bedeutung: Ich bemerke sie, ich verstehe sie, ich nehme sie wahr. Ich befasse mich mit ihnen. Siehe dazu andere Textbeispiele aus dem Neuen Testament:

Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen (Joh 8,32)

Leuten, die das Gesetz kennen (Röm 7,1)

das Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes: ... Keiner der Machthaber dieser Welt hat sie erkannt; denn hätten sie die Weisheit Gottes erkannt, so hätten sie … (1Kor 2,7f)

Sie folgen mir. Das heißt,  sie schließen sich mir an, sie treten meiner Gemeinschaft bei

Israel 2014 Rad-26022014_165 web.JPG

Schafe und Ziegen müssen auf die Stimme des Hirten hören, wenn er mit ihnen die Straße unbeschadet von LKWs überqueren will. Foto in der Wüste bei Jericho

Der Freund erzählt: Die Schafe hörten tatsächlich auf meine Stimme – mehr als auf meine Worte. Der Klang war ihnen vertraut. Wenn ich zu Ferienbeginn zur Tante in die Berge hinauf gekommen bin, habe ich immer etwa eine Woche gebraucht, bis ich sie wieder alle beim Namen rufen konnte. Ich kannte jedes einzelne Tier - fast wie Menschen -  an ihren persönlichen Merkmalen, an der Eigenart, den Besonderheiten im Fell, an der Schnauze. In dieser ersten Woche haben sie sich an mich gewöhnt, an meine Stimme und sie sind mir dann überallhin nachgegangen.

 

Jesus sagt: Ich bin es, der ihnen Leben gibt, Leben, das unzerstörbar ist, ein Leben von immerwährender Dauer. Unter „ewigem Leben“ sollten wir uns nicht vorstellen, dass ein Leben gemeint sei, das erst mit dem Tod beginnt, also dass es ein Leben im Jenseits sei. Manche traditionelle Christen verstehen es zwar so, aber da herrschen grobe Missverständnisse.  Das griechische Wort für „Ewigkeit“ heißt „Äon“ und es bedarf einer Erläuterung. Der Begriff hat eine ursprüngliche biblische Bedeutung auf die wir achten sollten. Der Begriff hat sich aber im Laufe der Geschichte verändert. In den Anfängen der Bibel war damit ein Zeitraum gemeint, der zwar gewaltig war, aber begrenzt – mit einem Anfang und seinem Abschluss. Somit  könnte man Äon mit „Weltalter“ übersetzen. Unter dem Einfluss der griechischen Philosophie (vor allem Plato) änderte sich dieses Verständnis in Richtung „Ewigkeit“, es wurde daraus ein unendlicher Zeitverlauf. Die „Ewigkeit“ wurde dann auch als das Wertvollere erachtet im Gegensatz zur „beschränkten Zeit“. Der religiöse Mensch müsse sich auf die Ewigkeit ausrichten und solle das Zeitliche geringschätzen. Viele oberflächliche Geistliche haben es ihren Gläubigen in Sinne des Plato beigebracht: Lebt auf die Ewigkeit hin! Hier setzte die moderne Religionskritik an: Das sei Vertröstung. Erst in der  Ewigkeit nach dem Tod erlange ein Gläubiger die Erfüllung. Das sei abzulehnen. Es sollte uns bewusst sein, dass diese Auffassung von „Ewigkeit“ gar nicht dem ursprünglichen biblischen Verständnis entspricht.

Wenn wir Vergleiche für „ewiges Leben“ suchen, sollten wir nicht an eine Uhr denken, die nicht aufhört zu laufen, sondern eher an einen Diamanten, der unzerstörbar. Er ist  das härteste Material überhaupt. Unser heutiger biblischer Text sagt: „Ich gebe ihnen ewiges Leben“ und er sagt dabei nichts von „Zeit“, sondern von Widerstandsfähigkeit. Dieses „ewige Leben“ ist nicht der Vernichtung ausgeliefert. Es kann durch nichts ruiniert werden, es kann nicht in den Abgrund gestürzt werden. Beachte: Es heißt nicht, dass seine Schafe „nicht sterben“, sondern dass sie nicht „zugrunde gehen“. Das Sterben bleibt niemandem erspart, aber sie werden nicht ausgelöscht. Wer erstens auf die Stimme Jesu hört und wer zweitens ihm folgt, wer also sein Leben nach seinen Prinzipien zu gestalten versucht, den kann nichts zugrunde richten. 

   

                                           Ihm, dem einen, weisen Gott, sei Ehre durch Jesus Christus in alle Ewigkeit! Amen. (Röm 16,27)

 

Brauchen Schafe so ein Leben, das nicht zugrunde gehen kann? Genau genommen nicht, denn viele Schafe sind sogar dafür vorgesehen, dass sie getötet werden, um Fleisch zu liefern. Damit ist klar, dass Jesus nicht diese Haustiere meint, sondern Menschen, die seine Schützlinge sind, die ihm anvertraut sind. Sie werden durch nichts zugrunde gerichtet – in Ewigkeit nicht.

 

Zum Wort „Ich gebe ihnen ewiges Leben“ erzählt der Freund aus seiner Schafhirten-Zeit:

Ich habe ihnen Sicherheit zum Überleben gegeben. Ich habe sie zu den jeweils frischgrünen Weideflächen geführt, außerdem zu Wassertränken, zu Quellen, … und ich habe über sie gewacht. Sie haben sich auf meinen Schutz verlassen.

Der Wolf war zwar immer irgendwo da, ließ sich aber nie sehen. Nur in der Dunkelheit sah ich seine Augen blitzen. Er lauert ständig und wartet auf meinen Fehler, ob ich ein schwaches Schaf aus den Augen verlieren würde. Daher durfte ich nur nicht zulassen, dass eines wegkommt. Wenn ein Schaf sich verläuft, findet es nicht von selbst zurück – niemals. Alleine ist es dazu unfähig. Wenn es sich einmal zu weit verstiegen hat, kann es den falsch eingeschlagenen Weg nicht mehr zurückgehen. Ich muss es suchen und rufen. Es kennt nur meine Stimme, auf die eines Fremden achtet es nicht einmal. Wenn ich es gefunden habe, muss ich es packen und zur Herde bringen.

 

Jesus spricht von der Grundvoraussetzung dafür, dass er so ein sicherer Schutz sein kann für die ihm Anvertrauten. Er nennt dazu seinen Vater: der sei seine Grundlage, sein Ausgangspunkt, seine Stärke: „Mein Vater!“ Daraus können wir sein „Urvertrauen“ ablesen, es ist unerschütterlich. Sein Vater ist größer als alle. Welche „alle“ sind gemeint? Wohl alle Möglichen, die ihm die Herde oder einzelne Schafe entreißen wollen. Daraus spricht das Wissen, dass es schädigende Mächte gibt, die stark sind, dass es schädliche Einflüsse gibt, dass es sogar schlimme Schicksalsschläge gibt. „Der Vater ist stärker als alle“. Seine einladenden und schützenden Arme sind stärker.

 

Noch einmal zur Erfahrung des jungen Schafhirten: Mir als jungen Buben hat meine Tante für drei Monate die riesige Herde überlassen, anvertraut, ja gegeben. Ich habe mit den Tieren 16 Stunde zusammen gelebt und 8 Stunden geschlafen. Ich war immer mit ihnen beisammen, sie waren mir vertraut und ich war ihnen vertraut. Wir haben alles gemeinsam durchgestanden: sonnige Wochen, Hitze, Regen, Gewitter, Stürme, Landschaftswechsel. Sie haben mich ernährt durch Milch, ich habe auf ihre Sicherheit geachtet.

 

Jesus betont: Es gibt keinen, der sie der Hand des Vaters entreißen könnte. Niemand kann sie packen, an sich reißen und für sich beanspruchen. Wenn jemand aus der Hand des Vaters verloren geht, dann hat er sich selbst abgewendet, dann tut er es selber. Niemand sollte sich darauf ausreden, er sei durch ein Schicksal in seinem Leben von Gott abgehalten worden. Es gibt keine Kraft, der wir wehrlos ausgeliefert sind, derentwegen wir die Fürsorge Gottes verlieren. Wenn, dann ist  es unser Entschluss, unser eigener Wille. Es ist Verweigerung seines Schutzes.

 

Jesus schließt ab mit der sicheren Feststellung: Ich und der Vater – wir sind eins. Es heißt nicht: Wir sind „einer“, sondern „eines“ (sächlich). Wir sind Einigkeit, wir sind uns einig, wir arbeiten in Übereinstimmung. An diesem Punkt scheiden sich die Geister: Für seine Anhänger, seine Jünger,  ist das trostvoll und stärkend. Für die Gegner jedoch war  es eine Provokation: „Da hoben sie Steine auf, um ihn zu steinigen.“ Das war zu Winterbeginn des Jahres 29 n.Chr. – beim Tempelweihfest in Jerusalem. Jesus entging nur knapp dem Tod durch Steinigung. Es waren ihm noch weitere 4 Monate für sein Wirken gegeben. Er nützte die Zeit in dem sicheren Wissen: Die Schafe, die mir anvertraut wurden, brauchen noch den Klang meiner Stimme. Er wusste auch, dass diese Stimme über seinen Tod hinaus einen Nachhall haben würde. Tatsächlich erklingt seine Stimme bis heute. Gerade in unseren Tagen ertönt sie auf ganz vielfältige Weise: Hell, wohlwollend, mahnend, warnend, tröstend, ermutigend, auffordernd: Sie lädt ein, sich seiner Herde anzuschließen. Wer sich einmal in seine Hand begeben hat, wird der schützenden Hand sicher nicht mehr entrissen, besonders dann nicht, wenn er weiterhin auf SEINE Stimme lauscht.

Impressum

Datenschutz ©Martin Zellinger

Mag. Martin Zellinger              Bibeltheologe, Reiseleiter & Eigentümer Lester Hof

Lest 1, 4212 Kefermarkt          e-mail: m.zellinger@aon.at         Telefon: +43 (0) 699 11 50 66 45

bottom of page