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12.Jän. 2025      25.Sonntag im Jahreskreis

Taufe zusammen mit dem ganzen  Volk

Lk 3,15-16.21-22

Das Volk war voll Erwartung und alle überlegten im Herzen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Christus sei. Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.

Es geschah aber, dass sich zusammen mit dem ganzen Volk auch Jesus taufen ließ. Und während er betete, öffnete sich der Himmel und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.

Vorigen Sonntag haben wir im Johannes-Prolog gehört, welche Menschen dazu ermächtigt sind, zu Kindern Gottes zu werden: Es sind die, welche IHN annahmen, IHN aufnahmen, auf SEINEN Namen ganzes Vertrauen setzten. An diesem Sonntag ist wieder von der Gotteskindschaft die Rede und dass uns Gott dadurch zum Vater wird. Damit entsteht ein ganz neues Gottesbild für die Menschheit. Jesus war der Mann, der uns den Weg zu diesem wunderbaren Gottesverständnis eröffnet hat. Er ist der erste Sohn der Menschheit, dem von göttlicher Seite her ausdrücklich gesagt wurde: „Mein geliebter Sohn bist du“. Dies ist so wichtig für alle Glaubenden, dass jedes der vier Evangelien dieses Thema an den Anfang der Guten Nachricht stellt. 

Das Kirchenjahr 2025 ist gleichzeitig das Lesejahr des Lukas-Evangeliums und somit schauen wir uns an, wie dieser Evangelist das genannte Erstthema bearbeitet. Wir vergleichen, was er in seiner Vorlage vorfand und wie er es modelliert und erweitert hat. Die Vorlage war das Markus-Evangelium.

Was ergänzt Lukas zu seiner Vorlage? Er fügt vier Themen hinzu: 1. „Das Volk war voller Erwartung und alle überlegten im Stillen, ob nicht Johannes selber der Messias sei.“ 2. „Jesus ließ sich zusammen mit dem ganzen Volk taufen.“ 3. „Und während Jesus betete, öffnete sich ….“ 4. „und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab“  

Zunächst müssen wir festhalten, dass es der Stil des Lukas ist, möglichst anschaulich zu schreiben, möglichst ergreifend, poetisch kunstvoll. Das haben wir schon beim Sonntagswort zum 2. Advent erfahren.

 

Siehe Button.

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Tauferinnerung an der Original-Taufstelle am Jordan während einer Israel-Reise

Was will Lukas bei seinen Lesern damit erreichen? Er will sie und damit auch uns, die heutigen – mit in das Geschehen hinein nehmen. Er selber ist getauft worden, nachdem er das „Wort“ angenommen hat, das „wahre Licht“ angenommen hat und dem Namen Jesu vertraut hat. Das war vielleicht in seinem Jugend-Alter. Wenn er nun in fortgeschrittenem Alter sein Evangelium schreibt (es war in den 90er Jahren) und wenn er nun schildert, was sich bei der Taufe Jesu abgespielt hat, dann kommt ihm seine persönliche Taufe in Erinnerung, die schon viele Jahre zurückliegt. Deshalb schreibt er: „Jesus ließ sich zusammen mit dem ganzen Volk taufen.“

Lukas spricht uns aus der Seele, wenn er ergänzt: „Das Volk war voller Erwartung.“ Das sind wir auch und das waren seine Kirchengemeinden damals auch. Bei uns sind es andere Themen als damals in den 90er Jahren des 1.Jahrhunderts: Das weltweite Klima schreit nach Senkung des schonungslosen Verbrauchs der Energien. Die Kriegsherde im Nahen Osten und derzeit in der Ukraine schreien nach friedlichen Lösungen. Die hungernde Bevölkerung in afrikanischen Ländern und auf den Philippinen schreit nach gerechter Verteilung des Wohlstandes. Auf unserem Kontinent bangten die Massen wegen der nicht enden wollenden Pandemie – sie ist vorüber – aber was folgt als nächstes? Viele schauen einfach weg und verschließen die Augen vor den Regionen der Not. Wer das nicht tut, der überlegt im Stillen: Wer könnte ein Hoffnungsträger sein? Wo ist die Persönlichkeit oder die neue Gruppierung, die unsere Gesellschaft in eine sichere Zukunft führen kann? Wo ist der Messias des 21.Jahrhunderts? „Das Volk war voller Erwartung.“

Johannes der Täufer kündigte diese Hoffnungsfigur an: „Es kommt einer der stärker ist als ich.“ Dann betont Lukas, „dass sich zusammen mit dem ganzen Volk auch Jesus taufen ließ“. Er ist also durchaus nicht der Einzige, der untergetaucht wird im Jordan, sondern es entsteht der Eindruck, dass Jesus einer von uns ist. Er reiht sich unter all die Menschen ein, die einen Neuanfang wagen durch die Taufe. Er hebt sich nicht ab, wie sich die römischen Götter  abgehoben haben. Den Akt der Taufe selbst und das Heraussteigen aus dem Wasser erwähnt Lukas seltsamerweise gar nicht. Er schreibt nur,  dass Jesus „betete“. Damit sind wir bei einem Lieblingsthema des Lukas. In keinem Evangelium heißt es sooft, dass Jesus sich in der Einsamkeit ins Gebet versenkt hat. Hier sind nur vier Beispiele von vielen, wie Lukas in seine Vorlage das Beten einfügt:

Markus schreibt, dass sich die Schilderung von der Reinigung des Aussätzigen so stark verbreitete, dass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch an einsamen Orten auf. (Mk 1,45) Lukas schreibt: Doch er zog sich an einen einsamen Ort zurück, um zu beten. (Lk 5,15f)
Um die Zwölf auszuwählen, stieg Jesus auf einen Berg und rief die zu sich, die er selbst wollte, und sie kamen zu ihm. (Mk 3,13) Lukas schreibt, dass er auf einen Berg ging, um zu beten. Und er verbrachte die ganze Nacht im Gebet zu Gott. Als es Tag wurde rief er seine Jünger zu sich (Lk 6,12f)
Über die Verklärung Jesu berichtet Markus: „Sechs Tage danach nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg, aber nur sie allein. Und er wurde vor ihren Augen verwandelt“ (Mk 9,2) Lukas schreibt: „Er stieg mit ihnen auf einen Berg, um zu beten. Und während er betete veränderte sich das Aussehen“ (Lk 9,28)
Jesus ging mit seinen Jüngern in die Dörfer bei Cäsarea Philippi. Unterwegs fragte er die Jünger: Für wen halten mich die Menschen? (Mk 8,27) Jesus betete einmal allein, und die Jünger waren bei ihm. Da fragte er sie: Für wen halten mich die Leute? (Lk 9,18)

Lukas überliefert uns als Einziger die Geschichte von der Frau, die nach dem Tod ihres Mannes allein dasteht und vom Stadtrichter Hilfe verlangt, ja sie fordert den Rechtsbeistand: hartnäckig und fast unverschämt. Siehe Lukas 18,1-8 (Von der Ausdauer beim Beten)
Gleich danach folgt noch ein Beispiel vom Beten, das uns wieder einzig Lukas überliefert: Der Strenggläubige und der Verrufene stehen im Gotteshaus. Lk 18,9-14 (Von der Überheblichkeit und Bescheidenheit beim Beten.)

Lukas will seine Leser dazu ermutigen, dass sie ihre Gottverbundenheit von dem Augenblick an, als sie getauft wurden, nicht mehr aufgeben. Beten heißt nicht, auswendig gelernte Sätze herunter zu sprechen. Beten ist zuerst Dankbarkeit, dass wir Gott als Vater haben. Wenn du dich nie sehen lässt beim Vater, dich nie bei ihm meldest, wird die Beziehung abstumpfen und einschlafen. Lukas empfiehlt: Mach es so wie Jesus: Suche die Einsamkeit auf und wende dich an den Vater. Tu das mit Ausdauer. Tu es vor wichtigen Entscheidungen. Tu es mit dem Wissen, dass dich der Vater öfter als seinen Sohn sehen will, als seine Tochter.

Zurück zur Taufe Jesu: Nach dem Hinweis auf das Beten gibt Lukas schließlich dem Geist noch „Gestalt“. Das passt zum Denken eines Römers, wie Lukas einer ist. Schon  bei der Geburt Jesu nimmt Bezug auf den Kaiser Augustus, der verstorben ist 80 Jahre bevor Lukas sein Evangelium schrieb. Vielleicht ist dem Lukas bekannt, was von der Begräbniszeremonie des Augustus berichtet wurde, nämlich dass sich nach der Verbrennung des Leibes ein Adler in die Lüfte geschwungen haben soll, ein Adler, der die Macht des verstorbenen Kaisers symbolisierte und die Verbundenheit mit dem allmächtigen Gott Jupiter. Bei der Taufe Jesu wird der Geist Gottes  nicht in der Gestalt eines Adlers sichtbar, sondern einer Taube. In dem Kaiser-Bericht wird erzählt: Die Leiche des Weltenherrschers und selbsternannten Friedensbringers wurde 14 n. Chr. in einem langen Trauerzug zum Forum Romanum gebracht, Transparente und Bilder zeigten seine würdevolle Abstammung und die besiegten und befriedeten Völker. Lobreden wollten kein Ende nehmen. Zuletzt wurde seine Leiche verbrannt am Marsfeld. Ein Adler wurde freigelassen und später soll ein Senator unter Eid ausgesagt haben: >Ich habe die Seele des Kaisers auf den Schwingen des Vogels in den Himmel aufsteigen sehen<. Bald darauf wurde Augustus offiziell zum Gott erhoben. Vielleicht will Lukas dazu ein Gegenbild malen: auf Jesus kommt „der Heilige Geist sichtbar in Gestalt einer Taube herab“.  Lukas betont das „Sichtbare“ und die „Gestalt“ der Taube, nicht eines Adlers. Die Taube war damals das Symbol der Liebe, der Versöhnung, des erneuten Aufeinander-Zugehens. Und bei der Taufe war ein Klang zu vernehmen, der besagte, dass es sich in diesem Getauften um einen handelt, den Gott erwählt hat als seinen Sohn, als seinen geliebten Sohn.

Lukas selber ist ein Getaufter und weiß sich somit als einen geliebten Sohn. Er kennt genügend Leute aus seinem Umfeld, die auch um diese Würde wissen: Gott ist mein fürsorglicher Vater und ich bin von ihm geliebt. Bis heute erinnert Lukas seine Leser daran: „Sei dir bewusst: Seit damals Jesus  die Zusicherung bekommen hat, gilt sie auch euch: Ihr seid von Gott geliebte Töchter, geliebte Söhne.“

Die Taufe Jesu war zwar ein Sonder-Ereignis, aber kein ausschließliches, das  nur ihn als geliebtes Kind des Vaters ausgezeichnet hätte. Es ist ein Erst-Ereignis, dem viele Menschen folgen konnten. Das Wissen, ab jetzt unter dem Schutz und der Vater-Obhut Gottes zu stehen, hat die frühen Christen sehr selbstbewusst gemacht, sicher und unbeschwert. Sie hatten die Kraft zu widerstehen, wenn sie von Mitbürgern herabgesetzt und verspottet wurden. Sie behielten unter sich ihre Fröhlichkeit, weil sie eine Familie waren, Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter des Vaters. Es gibt auch heute Anzeichen für diese Entwicklung: Die Berufungen zu dieser Geschwisterlichkeit gehen quer durch alle  Kirchen. Immer mehr Christen verwandeln sich  von traditionellen Kirchenbesuchern zu Brüdern und Schwestern und es wird ihnen ihr Vater-Sohn-Verhältnis, ihr Vater-Tochter-Verhältnis zu Gott klarer bewusst.

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Mag. Martin Zellinger              Bibeltheologe, Reiseleiter & Eigentümer Lester Hof

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