17. Mai 2020
6.Sonntag der Osterzeit
Die Liebe zu IHM unter Beweis stellen
Joh 14,15-21
Dieser Abschnitt stammt wieder wie letzten Sonntag aus der sogenannten Abschiedsrede Jesu. Vermutlich hat sie der Verfasser des Johannes-Evangeliums als literarisches Stilmittel eingesetzt und selber so ausformuliert. Wenn wir sie aus dem Blickwinkel der 90er Jahre lesen und verstehen, werden die darin enthaltenen Grundanliegen Jesu selber durchklingen. Der Autor hat Gemeinde-Verant-wortliche und Mitglieder vor sich, die er auf das Wesentliche hinweisen will. Dabei lässt er Jesus zu seinen engsten Vertrauten sprechen, angesprochen fühlen sollen sich aber diejenigen, die in den 90er Jahren für Jesus arbeiten, ihn hoch schätzen. So wie Johannes es formuliert, lässt sich ein Unterton heraus hören: Er scheint solche ermahnen zu wollen, die vorgeben, es würde ihnen viel an Jesus liegen, aber sie leben nicht nach seinem Modell.
Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.
"Wenn ich euch tatsächlich viel bedeute, dann werdet ihr meine Anordnungen beachten. Wenn ihr mich wertschätzt, dann haltet ihr euch durchgehend an meine Richtlinien. Erst das gilt als Beweis eurer Liebe zu mir, wenn euer ganzer Alltag geprägt ist von meinen Aufträgen. Worte der Verehrung allein anerkenne ich nicht, auch nicht bloßes Anständig-Sein. Die Anordnungen von mir bedeuten mehr. Wenn ihr die befolgt, bewerte ich es als eure Zuneigung zu mir."
Wir können uns nun fragen: Welche Anordnungen meint Jeus oder der Evangelist Johannes? Was genau sollen wir tun? Wenn wir das Johannes-Evangelium daraufhin durchkämmen, werden wir nicht sehr fündig. Hier die wenigen Beispiele: „Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht ... Wer aber DIE WAHRHEIT TUT, kommt zum Licht.“(Joh 3,20f) „Wer bereit ist, DEN WILLEN GOTTES ZU TUN, wird erkennen, ob diese Lehre von Gott stammt.“(Joh 7,17) „Wer MEINE WORTE nur hört und sie nicht BEFOLGT, den richte nicht ich ... er hat schon seinen Richter.“ (Joh 12,47f) Das sind allesamt recht allgemein gehaltene Anordnungen. Es bleiben nur zwei genauer formulierte: „Ihr müsst einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ (Joh 13,15) „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! So wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.“ (Joh 13,34) Hier beim letzten handelt es sich um EIN Gebot, nicht um mehrere. Also wo sind die Gebote nachzulesen, die wir beachten und verwirklichen sollen?
Regentropfen an Zweigen. Die übliche Welt erachtet es als belanglos. Manche aber beeindruckt es auf ihrem Spazierweg. Die WELT sieht und kennt den "Geist Gottes" nicht, aber IHR kennt ihn und werdet ihn sehen.
Das Matthäus-Evangelium ist da ergiebiger: Matthäus 5-7 ist voll von Anweisungen Jesu. Der Autor des Johannes-Evangeliums meint offenbar: Jesus selber, er ist das Modell, an dem wir uns orientieren können. Laut Johannes kommt es nicht auf einzelne Gebote an, die dann und wann einzuhalten sind, sondern es geht um eine bleibende Haltung. Es geht darum, an der einen Linie festhalten, sie zu bewahren: "So wie ich euch..." Wer sich mit Jesus vertraut gemacht hat – mit seiner Art auf andere zuzugehen, mit seiner Lehre – der hat ihn verinnerlicht. Er kennt dadurch auch die Zielvorgaben für sein eigenes Leben. Er braucht nicht eine Reihe von Geboten von außen, sondern empfängt sie von innen. Es geht darum, auf die eigenen individuellen Anweisungen zu achten, ihnen zu folgen und an ihnen festzuhalten, an ihnen dran zu bleiben.
Im nächsten Satz zählt Johannes auf, was Jesus seinerseits an uns bewirken wird – also im Gegenzug zu unserem Durchalten:
Und ich (ich meinerseits!) werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll,
Johannes kann es bestätigen. Wo Gemeinden das tun und befolgen, was die Richtlinien des Lehrers Jesus vor 60 Jahren sind, da gelingen die Vorhaben leichter. Das erlebt die Gemeinde als Gruppe und das erfahren einzelne Mitglieder persönlich. Die Unterstützung des „Helfers von oben“ ist mit Händen zu greifen. Jesus hat versprochen: „Was ich tun kann, ist, dass ich beim Vater Fürsprache einlegen werde und er wird euch einen anderen Helfer, einen anderen Fürsprecher geben. Er soll nicht bloß anfangs eine Starthilfe sein für euch, sondern er soll für ewige Zeiten mit euch sein – nicht nur bei euch – sondern mit euch. Er soll euer Tun mitprägen, mitbestimmen.“
den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird.
Dieser Helfer ist eine gehauchte, eine spirituelle Kraft, eine Geistkraft. Sie ist keine Lüge, kein Schwindel. Nein, sie ist der Atem der Wahrheit. Die übliche Gesellschaft kann diese spirituelle Hilfe nicht annehmen, nicht aufnehmen, weil sie keinen Blick dafür hat, keine Kenntnis davon nimmt. Wer aber bereits Kenntnis davon gewonnen hat, das seid ihr. Der Grund, warum er euch bekannt ist, das ist die Vertrautheit, die Dauerhaftigkeit. Sie ist nicht kurzlebig bei euch, keine schnelle Begeisterung, die bald wieder verblasst. Nein, bei euch ist sie etwas Bleibendes geworden. Ihr habt diesen Hauch verinnerlicht. Er ist Mitte und Rückgrat bei euch.
Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch.
Der Evangelist ist überzeugt, dass das Jesus-Ereignis vor 60 Jahren nicht etwas Vergangenes ist. Er und seine Gemeinden fühlen sich nicht allein gelassen. Sie sind keine zurück gelassenen Kinder, die beide Elternteile verloren hätten. Sie machen laufend die Erfahrung, dass er kommt und ihnen das ist, was Vater und Mutter sind für heranwachsende junge Menschen.
Nur noch kurze Zeit und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und weil auch ihr leben werdet.
Der engste Kreis um Jesus damals zu seinen Lebzeiten hat erleben müssen, dass er ihnen entschwunden ist, aber nur vorübergehend. Die übliche Welt hat sein Wirken als eine dreijährige Episode angesehen, dann ist er aus ihrem Blickflickfeld entschwunden. Seine Nachfolge-Gemeinschaft hingegen sieht ihn weiterhin. Für sie ist er sogar noch deutlicher ins Blickfeld gerückt. Diese Gruppen sind es, die ihn sehen. Der Grund dafür ist, dass er das pure Leben ist. Auch das Leben der Seinigen wird daraus gespeist.
An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch.
Diese ganze Erklärung geht hinaus auf die eine bedeutende Erkenntnis: Der damalige Lehrer Jesus ist es, der im VATER ist. Daraus ergibt sich als Folge: Wir als Glaubensgruppe sind in ihm, und ER ist es, der in uns als Gemeinde wirksam ist. Abschließend sei noch einmal wiederholt:
Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.
Wer im Besitz der Anweisungen des Lehrers Jesus ist, wer sie sich zu eigen gemacht hat, und wer sich danach richtet, wer daran festhält, jener ist es, der den Beweis seiner Liebe zu ihm liefert. Über den lässt sich sagen, dass er innig mit IHM verbunden ist. Der zeigt klar, dass ER ihm wirklich viel bedeutet. So ein Gemeindemitglied wird von VATER seinerseits den Liebesbeweis bekommen, denn so hat es Jesus als Vermächtnis hinterlassen. „Mein VATER wird ihm spüren lassen, dass er an ihm Gefallen gefunden hat. Auch ich werde ihm beweisen, dass ich ihn liebe und er wird mich in seinem Inneren zu sehen bekommen. Ich selbst werde mich ihm zeigen, werde mich selbst ihm offenbaren.“
Was Johannes hier schreibt, ist kein Wunschbild, sondern Erfahrung vieler Gemeindemitglieder. Er schreibt es für die Nachwelt als Ermutigung auf. Er ist überzeugt, dass es Gültigkeit hat nicht nur für die 90er Jahre, sondern auch für alle in den folgenden Jahrhunderten. Sie brauchen sich nur offenhalten dafür und sich als Kreis darauf einlassen.