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21.Dez. 2025      4.Advent-Sonntag 

Ursprung einer Persönlichkeit

Matthäus 1,18-25

Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Siehe: Die Jungfrau wird empfangen / und einen Sohn gebären / und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, / das heißt übersetzt: Gott mit uns. Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Er erkannte sie aber nicht, bis sie ihren Sohn gebar. Und er gab ihm den Namen Jesus.

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Matthäus beginnt seine Erzählung mit einer Klarstellung. Offenbar waren in den 80er Jahren Vorwürfe gegen das junge Christentum im Umlauf, was die Ursprünge betraf, die Umstände der Geburt Jesu. In den jüdischen Kreisen, die Jesus als Messias ablehnten, wurde versucht, die  Jesus-Bewegung in Verruf zu bringen, indem man schmutzige Dinge über die Ursprünge des Gründer weiter verbreitete. Deshalb heißt es bei Matthäus wie in einer Erklärung: „Mit der Geburt Jesu Christi war es so.“ Das griechische Wort heißt GENESIS und es bedeutet Zeugung, Entstehen, Ursprung, Geburt. „Mit dem Ursprung von Jesus, dem Gesalbten war es so“ Dann setzt Matthäus gleich damit an, dass er zuallererst die Mutter nennt: Maria, die Mutter Jesu, war verlobt mit Josef. Jeder damalige Leser wusste, was „verlobt sein“ rechtlich bedeutete. Verlobung war ein Rechtsakt etwa 1 Jahr vor der Hochzeit. Dadurch wurde der Bräutigam „Herr“ (Besitzer) der Braut. Der rechtliche Charakter der Ehe war also an die Verlobung gebunden, nicht an die Hochzeit.  Sollte der Braut Untreue innerhalb der Verlobungszeit nachgewiesen werden können, so standen darauf dieselben Strafen wie auf Ehebruch, nämlich Steinigung. Ein junges Mädchen konnte schon mit 12 ½ Jahren verlobt werden

Nun zeigte sich, dass Maria schwanger war, noch bevor die beiden zusammen gekommen waren. Wörtlich: Sie war eine „Habende im Bauch“. Wie diese außereheliche Schwangerschaft zustande gekommen war, mag rätselhaft erscheinen, aber es wird gleich vorweg festgehalten: Es  handelte sich nicht um etwas Schmutziges, sondern die Schwangerschaft war in einer heiligen Gesinnung zustande gekommen, im Geist der Liebe. Unter „heilig“ versteht man, dass Gott sie beiseite genommen hatte für ein Vorhaben. Die Übersetzung „durch das Wirken des Heiligen Geistes“ könnte dazu verleiten, der Heilige Geist sei als die biologische Ursache für die Schwangerschaft anzusehen. Matthäus schreibt jedoch wörtlich: „aus einem Heiligem Geist“ (nicht: dem Heiligen Geist). Wenn es heißt, „es zeigte sich“, dann können wir nüchtern nachfragen: Wem zeigte sich, dass sie schwanger war? Wer sah es? Maria selbst. Bemerkten es ihre Eltern oder waren die nicht mehr am Leben? Für Josef zeigte es sich sicher nicht. Es wurde ihm wohl bald anvertraut in der Hoffnung, er würde mithelfen, eine Lösung in dieser schwierigen Lage zu finden.

Spinnen und weben gehörte zu den häuslichen Pflichten einer guten Ehefrau und Mutter. Genauso Kochen, Wäsche waschen und Kinder versorgen. 

Foto: Freilichtmuseum Nazaret Village

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Josef war gerecht. Damit ist nicht gemeint, dass er einen Sinn für Gerechtigkeit hatte, sondern  dass er nach dem Willen Gottes zu leben versuchte. Das zeichnte ihn aus. Er trachtete, dem zu entsprechen, was Gottes guter Plan für die Menschen war. Er kannte die Gebote und richtete sich danach. Wenn es nach dem Gesetz ging, hätte er so ein Mädchen anprangern, ja sogar in die Steinigung treiben können. Das kam für ihn nicht in Frage. Er wollte ohne viel Wirbel die Verlobung auflösen, das Mädchen entlassen, ihr einen Scheidungsbrief ausstellen. In seinem Inneren wälzte er viele Gedanken hin und her. Es verursachte ihm wohl schlaflose Nächte. Da trat ein Bote in Erscheinung. Es war ein Bote des Herrn. Gott bediente sich des Traumes, um Josef aufzuklären. Man beachte das!

Dieser Bote, dessen Auftreten man als Geschenk Gottes erachten konnte, redete ihn mit seinem Namen an: „Josef“ Dann erinnerte er ihn an seine ehrenvolle Abstammung. „Du entstammst der königlichen Linie des David.“ Daran knüpfte der Bote die Aufforderung: „Du brauchst keine Angst davor zu haben, Maria anzunehmen und dich auf sie einzulassen. Sie soll ganz deine Frau werden, denn das in ihr Entstehende ist aus heiligem Geist, ja, es ist entstanden aus glühender Liebe, aber einer Liebe, die rein ist und die im Sinne Gottes ist. Sie wird einen Sohn gebären. Es wird ein Kind der Liebe sein, kein Sohn der Sünde. Den Namen sollst du (!) ihm geben, so wie es einem Vater zusteht. Der Name soll Jesus sein, was soviel heißt wie „Gott rettet“. Seine Mutter wurde gerettet vor der Verstoßung, aber mehr noch wird durch ihn das Volk gerettet. Er selbst wird es als seine Lebensmission erachten, das Volk von seinen Irrwegen und Fehltritten zu retten.“

Dieses Lebensmotto erwähnt nur Matthäus. Die anderen Evangelisten sagen, dass das Volk von seiner Schuld schon durch die Taufe des Johannes befreit wurde. Das sieht Matthäus anders. Er als einziger wird auch beim Abendmahl Jesus sagen lassen: „Trinkt alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Das Blut des Neuen Bundes dient zur Rettung von Schuld für viele (Mt 26,28)

Soweit also der Bote im Traum. Die folgende Ergänzung hat nicht mehr der Bote gesagt, denn der hat immer ein kurzes Auftreten und er muss sich auch kurzfassen. Der Zusatz ist eine Deutung des Matthäus, der gerne Bibelstellen als Beleg heranzieht. Er ist ja selber ein ehemaliger jüdischer Schriftgelehrter, der aber später ein Lernender des Himmelreiches geworden ist. Nun folgt sein erstes Schriftzitat und es werden viele folgen im Verlauf seines Buches. Diese seltsamen Ereignisse rund um die Zeugung sind in ihrer Gesamtheit die Erfüllung eines Gottesplans. Der Herr, der Allherrscher hat das Ganze schon vor Jahrhunderten dem Propheten sagen lassen. Nun zitiert Matthäus aus dem Buch Jesaja: „Gebt Acht! Eine ganz junge Frau wird schwanger werden (wörtlich: sie wird im Bauch haben) und einen Sohn zur Welt bringen“. Nicht im hohen Alter wird sie schwanger, wie Sarah, die Gattin des Abraham. Matthäus verwendet das Wort „Jungfrau“, weil es so in seiner griechischen Bibel steht, in der sogenannten Septuaginta. Aber im Hebräischen Originaltext stand ursprünglich „junge Frau“. Daraus wurde beim Übersetzen ins Griechische irrtümlich „Jungfrau“. Der Propheten-Text sagt noch weiter: „Man wird ihn mit dem Namen Emmanuel rufen, was übersetzt heißt: >Der MIT-UNS-GOTT<. Dieses Wort ist Matthäus sehr willkommen als Auftakt seiner Jesus-Darstellung. Matthäus gestaltet damit eine Klammer hin an das Ende seines Buches. Dort wird der Auferstandene den elf Jüngern sagen: „Geht zu den Völkern. Ich bin MIT EUCH alle Tage“. (Mt 28,20)

Als Josef aus dem Traum erwachte, überlegte er nicht mehr lange hin und her, sondern setzte in die Tat um, was der Bote ihm aufgetragen hatte. Er nahm Maria als seine Frau an, er nahm sie zu sich. Es wurde wohl ohne großes Aufsehen Hochzeit gefeiert, einfach um alles zu legalisieren, noch bevor andere Leute Marias Schwangerschaft bemerkten. Aber von einer Hochzeit schreibt das Evangelium nichts. Somit stand einer rechtlich korrekten Geburt nichts mehr im Wege. Über die genaueren Umstände der Geburt schreibt Matthäus nichts (so wie es Lukas tut).  Matthäus weiß nur zu berichten, dass Josef mit seiner nunmehrigen Frau bis zur Geburt des Sohnes kein intimes Verhältnis einging. Bei der Entscheidung, welchen Namen der Sohn bekommen sollte, war er es, der den Namen „Jesus“ nannte. Lukas stellt das anders dar: Dort verkündet der Gottesbote der jungen Maria: „Einen Sohn wirst du gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben.“ (Lk 1,31) Laut Lukas gibt also die Mutter dem Kind den Namen. Matthäus schließt nun die Schilderung an, wie die Sterndeuter in Betlehem auftauchen. Da ist das Kind schon ein knappes Jahr alt. Es wird nicht mehr Säugling oder Baby genannt wie bei Lukas und den Hirten, sondern Kleinkind.

Über Jahrhunderte wurde es von kirchlichen Lehrern so dargestellt, als hätte der Heilige Geist die Schwangerschaft biologisch verursacht. Wem das seltsam erschienen war, der musste es einfach als Wunder annehmen. Diese Erklärung wurde lange hingenommen, ist aber nicht haltbar. Sie entspricht weder dem Text des Matthäus noch dem Verständnis des frühen Christentums. Matthäus führt im Absatz vorher eine Genealogie an: „Abraham zeugte den Isaak, Isaak zeugte den Jakob …“ so geht es weiter über 3 Mal 14 Generationen. Als letzte sind genannt: „Jakob zeugte den Josef, den Mann Marias, von ihr wurde Jesus geboren.“ Damit wird stillschweigend umgangen, von wem Jesus gezeugt wurde. Vater ist also unbekannt! Es heißt bei Matthäus in der Genealogie nicht: „… und der Heilige Geist zeugte Jesus.“ Es wird uns nur gesagt, dass sich Josef angenommen hat um Maria in ihrer bedrängten Situation. Es gab, als Matthäus sein Buch verfasste, böse jüdisiche Unterstellungen, dass sich Maria auf eine unsaubere Beziehung eingelassen hätte, bevor sie mit Josef zusammen kam. Dem setzte sich das frühe Christentum zur Wehr mit der schlichten Antwort: Es war im Sinne Gottes, geführt vom Geist Gottes. Die Liebe Gottes war hier mit im Spiel. So hat man sich im frühen Christentum für die spirituelle Formulierung entschieden: >Das Kind wurde aus einem heiligen Geist gezeugt<, also im Geist der Liebe. Damit wurde klar ausgeschieden, dass es ein ehelicher Fehltritt war. Das Kind wurde nicht aus einer Entgleisung heraus gezeugt. Wir können diese Denkweise verstehen anhand einer Stelle im Galaterbrief. Paulus stellt dort zwei Söhne des Abraham gegenüber. Zwar sind beide von Abraham gezeugt, aber da war der eine Sohn, der gemäß dem Fleisch gezeugt wurde  mit einer Bediensteten, der andere hingegen, der gemäß dem Geist gezeugt wurde, mit seiner Frau Sarah – es war Isaak (Gal 4,29). Abraham war für beide der biologische Vater, aber nur der zweite war „geistlich“ gezeugt. Paulus unterscheidet also zwischen einer Zeugung dem Fleisch nach und einer dem Geist nach.

Den frühen Christen war nicht bekannt, mit wem Maria schwanger wurde. Offenbar hat sich das junge jüdische Mädchen Maria in inniger Liebe auf einen Mann eingelassen. Nur kam derjenige für die mit der Aufsicht über das junge Mädchen Betrauten auf keinen Fall in Frage. Es war nicht im Rahmen des Gesetzes. Mag es eine noch so glühende und reine Liebe gewesen sein. Hier stand Rechtsordnung gegen Liebe – genau dieser Gegensatz wurde später zu einem der Grundthemen Jesu: Liebe vor Rechtsgepflogenheiten. Der biologische Vater spielte beim Aufwachsen Jesu keine Rolle mehr – also war er auch kein Thema für das frühe Christentum. Jesus hat eine einzigartige Vaterbeziehung zu Gott entwickelt und die hat sich bis ganz zuletzt durchgehalten und als echt erwiesen und bestätigt. Paulus drückt das im Römerbrief so aus: „dem Fleisch nach geboren als Nachkomme Davids, dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt als Sohn Gottes seit der Auferstehung“ (Röm 1,3f)

Von einem „verschwiegenen biologischen Vater Jesu“ zu reden, mag anstößig klingen.   Man könnte es als Frevel bezeichnen oder wenigsten als eine zu freizügige Auslegung dieser Evangelien-Stelle. Aber eine bedeutende Kirchenautorität, der man es nicht zutrauen würde, hat es schon längst so angedeutet. Es war kein geringerer als Papst Benedikt XVI. Er schrieb – damals noch als Theologie-Professor: „Die Empfängnis Jesu ist Neuschöpfung, nicht Zeugung durch Gott. Gott wird dadurch nicht etwa zum biologischen Vater Jesu, und das Neue Testament wie die kirchliche Theologie haben grundsätzlich nie in diesem Bericht bzw. in dem darin mitgeteilten Ereignis den Grund für das wahre Gottsein Jesu, für seine >Gottessohnschaft< gesehen. … die Lehre vom Gottsein Jesu würde nicht angetastet, wenn Jesus aus einer normalen menschlichen Ehe hervorgegangen wäre.“ J. Ratzinger; Einführung in das Christentum. Es gibt zwei Wesenszüge, die den frühen Christen vorgehalten wurden, für die sie verspottet wurden und gegen die sie sich verteidigen mussten: „Euer Gründer ist unter zwielichtigen Verhältnissen gezeugt worden und er ist als Verbrecher hingerichtet worden. Wie könnt ihr an den glauben?“ Die schlichte Antwort der Christen war: Beides geschah im Geist der Liebe, hinter beidem stand der rettende Wille Gottes.

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Mag. Martin Zellinger              Bibeltheologe, Reiseleiter, wohnhaft am Lester Hof bei Freistadt Oberösterreich

Lest 1, 4212 Kefermarkt          e-mail: m.zellinger@aon.at         Telefon: +43 (0) 699 11 50 66 45

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