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22.Juni 2025      12.Sonntag im Jahreskreis

Jesus erwartet sich Verbindlichkeit

Lukas 9,18-24

Und es geschah: Jesus betete für sich allein und die Jünger waren bei ihm. Da fragte er sie: Für wen halten mich die Leute? Sie antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden.  Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Petrus antwortete: Für den Christus Gottes.  Doch er befahl ihnen und wies sie an, es niemandem zu sagen. Und er sagte: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet und am dritten Tage auferweckt werden.

Zu allen sagte er: Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.

Wir haben nun 9 Sonntage lang intensive Stellen aus dem Johannes-Evangelium gehört. Sie waren geschrieben für Fortgeschrittene in der Glaubenserfahrung. Es war anspruchsvolle Kost, nicht für die Allgemeinheit gedacht. Nun bietet die Leseordnung wieder Lukas-Stellen an. Dieses Stück enthält ausdrücklich den Hinweis: „Zu ALLEN sagte er …“

Unter dem Jesus-Wort „der nehme sein Kreuz auf sich“ versteht man herkömmlich die Bereitschaft zum Leiden. In Bibelkommentaren ist auch zu lesen, Jesus würde das Martyrium verlangen. Simon von Zyrene, der für Jesus den Kreuzbalken getragen hat, wird als Musterbeispiel angeführt. Aber dessen Mittragen war keineswegs ein Martyrium, im Gegenteil, es wurde zur Erwählung, es hat sein Leben gänzlich gewandelt, auch das seines Sohnes Rufus und seiner Frau.

Jesus kann mit dem Wort „Kreuz auf sich nehmen“ nicht das Kreuz gemeint haben, auf dem er etwa 1 Jahr später aushauchen sollte, denn er spricht nie vorher von dieser Todesart. Man sollte genau Acht geben, was er als Vorankündigung sagt: „Der Menschensohn muss vieles erleiden … verworfen werden, er muss getötet werden und am dritten Tage auferweckt werden.“ (Lk 9,22) Es sagt nie voraus, wie er getötet würde. Verheimlicht er es oder weiß er es noch nicht? Es könnte durch das Schwert sein, wie Johannes der Täufer 1 Jahr vorher, es könnte Steinigung sein, wie Stephanus 3 Jahre später. Dass es zur Kreuzigung kam, entschied sich erst 3 Stunden, bevor er tatsächlich oben hing. Die Hohepriester wiegelten die Menge auf, lieber die Freilassung des Straßenräubers Barabas zu fordern. Der Ruf >Den ans Kreuz< ertönte lautstark erstmals von der Straße vor dem Palast des Pilatus. Das Kreuz wurde von dem bereits vorverurteilten Bandenführer Barabbas in letzter Minute auf Jesus umgewälzt.

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Jesus ruft im Laufe seiner Wanderschaft offenbar öfters aus: „Wenn einer hinter mir nachgehen will, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich“ Was meint er damit, wenn er also nicht den Kreuzbalken  meint? Wahrscheinlich spielt er dabei auf ein Wort aus dem Buch Ezechiel an: „Die Herrlichkeit Gottes erhob sich … er rief den Mann, an dessen Hüften das Schreibzeug hing. Jahwe, der Herr, sagte zu ihm: >Geh mitten durch die Stadt, mitten durch Jerusalem und schreib ein Taw auf die Stirn der Männer, die seufzen und stöhnen über all die Gräueltaten, die in ihr geschehen.< Und zu den anderen hörte ich ihn sagen: >Geh hinter ihm her durch die Stadt und schlag zu!<“ (Ez 9,3f) Das bedeutet, dass einige ein Taw, die nicht wegschauen, wenn andere leiden, sondern sich den Schmerz anderer nahe gehen lassen. Sie bekommen das „T“ (= 2 gekreuzte Balken) als Zeichen der Rettung am Körper vermerkt. Auf dasselbe Thema scheint die Offenbarung nach Johannes anzuspielen: „Und ich erfuhr die Zahl derer, die mit dem Siegel gekennzeichnet waren. Es waren 144.000 aus allen Stämmen der Söhne Israels.“ (Off 7,4) Wenn Jesus noch zu Lebzeiten vom Kreuz-Tragen seiner Anhänger spricht, wird er wohl dieses auf dem Körper aufgetragene Kreuz Zeichen gemeint haben. Das griechische Wort für Kreuz heißt STAUROS (= Balken, Kreuz). Es steht für beides: für ein Zeichen aus 2 Strichen und für die Hinrichtung am Pfahl. Möglicherweise ist das ursprüngliche Lehrwort Jesu wenige Jahrzehnte nach seinem Tod schon auf sein Kreuzesholz umgedeutet worden. Die ist verständlich für eine Zeit der Bedrängnis und der Verfolgung der führenden Christen. In den Jahren, als Lukas sein Evangelium gerade schreibt, ist gerade die lokale Christenverfolgung im römischen Reich unter Kaiser Domitian (81 – 96 n.Chr) wieder abgeklungen. Deshalb ändert Lukas das Kreuztragen, das kurz zuvor einige als einmaliges Leiden oder Martyrium erfahren haben, um auf ein tägliches Leiden und tägliches Last auf sich nehmen: Lukas schreibt anderes als seine Vorlage: „… der nehme täglich sein Kreuz auf sich“

Inzwischen sind 2000 Jahre vergangen. „Kreuz tragen“ als Martyrium gehört längst der Vergangenheit an und in unserer Welt hat kaum jemand Schweres zu erleiden, wenn er sich Christus anschließt. Was bleibt, ist das unauslöschliche Merkmal, das wohl Jesus ursprünglich gemeint hat. In einer Welt der Beliebigkeit und wo sich Menschen nach dem jeweiligen Wind, den gesellschaftlichen Strömungen richten und drehen, verlangt Jesus Geradlinigkeit, Verbindlichkeit und Erkennbarkeit, dass man sich für ihn verpflichtet hat. Das muss nicht eine auffällige Kleidung sein, die so eine Gemeinschafts-Zugehörigkeit ausdrückt. Es muss kein auffälliges Kreuz auf der Brust sein. Der große Jesus-Nachfolger vor 800 Jahren in Italien und Europa, Franz von Assisi wählte sich das Taw als Zeichen und die franziskanische Familie trägt es bis heute, es ähnelt einem Kreuz. Wichtiger noch als das hölzerne Kreuzchen auf der Brust  ist der erkennbare Lebensstil wie etwa der achtsame Umgang mit Menschen in Bedrängnis oder der  Respekt vor der Verletzbarkeit der Natur. Wer nach solchen Grundsätzen lebt, fällt auf, er hebt sich deutlich ab von der gewinnsüchtigen Bevölkerung. Er wird gefragt, vielleicht sogar zur Rede gestellt, verächtlich angesehen: „Warum kümmerst du dich um das? Wir haben nichts zu verschenken.“ Jetzt ist Gelegenheit, zur Lebenshaltung Jesu mutig zu stehen und sich dazu zu bekennen. Ein Erkennungszeichen muss nicht auffällig getragen werden. Aber Gesinnungsgleiche werden es bemerken. Durch das Tragen entsteht eine „Familie“ und entsteht die Sicherheit, dass es von oben gesehen und der Lebensstil vermerkt wird. Wenn Jesus sagt „der nehme das Kreuz auf sich“, erwartet er mehr, nämlich sich verbindlich verpflichten, vor anderen zur Überzeugung stehen, sich der „großen Familie“ zugehörig wissen und an der „Rettung“ teilhaben und sich beteiligen.

Impressum

Datenschutz ©Martin Zellinger

Mag. Martin Zellinger              Bibeltheologe, Reiseleiter & Eigentümer Lester Hof

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