top of page

29.Juni 2025      Fest Petrus und Paulus

Befreiung - kühner als jemand zu denken gewagt hätte

Apostelgeschichte 12,1-19a

Um jene Zeit ließ der König Herodes einige aus der Gemeinde verhaften und misshandeln. Jakobus, den Bruder des Johannes, ließ er mit dem Schwert hinrichten. Als er sah, dass es den Juden gefiel, ließ er auch Petrus festnehmen. Das geschah in den Tagen der Ungesäuerten Brote. Er nahm ihn also fest und warf ihn ins Gefängnis. Die Bewachung übertrug er vier Abteilungen von je vier Soldaten. Er beabsichtigte, ihn nach dem Paschafest dem Volk vorführen zu lassen. Petrus wurde also im Gefängnis bewacht. Die Gemeinde aber betete inständig für ihn zu Gott.

In der Nacht, ehe Herodes ihn vorführen lassen wollte, schlief Petrus, mit zwei Ketten gefesselt, zwischen zwei Soldaten; vor der Tür aber bewachten Posten den Kerker. Und siehe, ein Engel des Herrn trat hinzu und ein Licht strahlte in dem Raum. Er stieß Petrus in die Seite, weckte ihn und sagte: Schnell, steh auf! Da fielen die Ketten von seinen Händen. Der Engel aber sagte zu ihm: Gürte dich und zieh deine Sandalen an! Er tat es. Und der Engel sagte zu ihm: Wirf deinen Mantel um und folge mir! Und Petrus ging hinaus und folgte ihm, ohne zu wissen, dass es Wirklichkeit war, was durch den Engel geschah; es kam ihm vor, als habe er eine Vision. Sie gingen an der ersten und an der zweiten Wache vorbei und kamen an das eiserne Tor, das in die Stadt führt; es öffnete sich ihnen von selbst. Sie traten hinaus und gingen eine Gasse weit; und sogleich verließ ihn der Engel.

Da kam Petrus zu sich und sagte: Nun weiß ich wahrhaftig, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich der Hand des Herodes entrissen hat und alldem, was das Volk der Juden erwartet hat. Als er sich darüber klar geworden war, ging er zum Haus der Maria, der Mutter des Johannes, mit dem Beinamen Markus, wo nicht wenige versammelt waren und beteten. Als er am Außentor klopfte, kam eine Magd namens Rhode, um zu hören, wer es sei. Sie erkannte die Stimme des Petrus, doch vor Freude machte sie das Tor nicht auf, sondern lief hinein und berichtete: Petrus steht vor dem Tor. Da sagten sie zu ihr: Du bist nicht bei Sinnen. Doch sie bestand darauf, es sei so. Da sagten sie: Es ist sein Engel. Petrus aber klopfte noch immer. Als sie öffneten und ihn sahen, waren sie fassungslos. Er gab ihnen mit der Hand ein Zeichen zu schweigen und erzählte ihnen, wie der Herr ihn aus dem Gefängnis herausgeführt hatte. Er sagte: Berichtet das dem Jakobus und den Brüdern! Dann verließ er sie und ging an einen anderen Ort.

Als es Tag wurde, herrschte bei den Soldaten keine geringe Aufregung darüber, was wohl mit Petrus geschehen sei. Herodes aber ließ ihn suchen, und da man ihn nicht fand, verhörte er die Wachen und befahl, sie abzuführen.

Etwa um das Jahr 42 n.Chr. ging der neu ernannte jüdische König Herodes Agrippa I massiv gegen das junge, aufstrebende Christentum in Jerusalem vor. Was er den Jesus-Gemeinden vorzuwerfen hatte, sagt uns die Apostelgeschichte nicht, nur dass er einen aus dem Kreis der Zwölf durch das Schwert hinrichten ließ, so wie 14 Jahre zuvor sein Vorgänger Herodes Antipas den Mahner Johannes den Täufer enthaupten hatte lassen. Was wird dieser Herodes in dritter Generation den frühen Christen vorgeworfen haben? Wahrscheinlich dasselbe, weshalb im Jahr 32/33  Stephanus beschuldigt wurde: „Dieser Mensch hört nicht auf, gegen den heiligen Ort (gemeint ist natürlich der Tempel) und das Gesetz zu reden“ (Apg 6,13) Diese Unterstellung zog sich über Jahrzehnte hartnäckig durch, nur weil  die an Christus Glaubenden Juden in den Hauskreisen ergreifender beteten als am „heiligen Ort, dem Tempel“ und weil sie das Gebot Jesu, achtsam und liebevoll miteinander umzugehen, über die bloße Einhaltung von Gesetzen stellten.

Herodes Agrippa hatte den Königstitel von Kaiser Claudius (41 – 54 n.Chr.) gestattet bekommen, weil er mit ihm befreundet war und bei dessen Machtübernahme in Rom anwesend war – anders als seine Vorgänger, die von Kaiser Augustus nur  den Titel Tetrarch (Vierfürsten) bewilligt bekommen hatten. Der König suchte sofort die Gunst der religiösen Führung, indem er für die Reinheit des Tempels und dessen Einzigartigkeit eintrat und das im Aufstreben befindliche Christentum in Verruf brachte und bekämpfte. Herodes bekam Gefallensbekundungen für die Hinrichtung des Apostels Jakobus. Wenn Lukas in der Apostelgeschichte schreibt „es gefiel den Juden“, dann sind nur die Strenggläubigen und die ein religiöses Amt inne hatten gemeint, nicht „alle“ Juden, denn der Großteil der Jerusalemer Christen waren ja selbst Juden.

Jerusalem mit Tempel_28.jpg

Modell des antiken Jerusalem: Nach archäologischem Befund, muss das Gefängnis unter einem der drei Türme gewesen sein (wo die Leute zu sehen sind). Das Haus der Maria wäre am linken Bildrand zu suchen.  

Die Inhaftierung des Petrus schildert Lukas spannend und detailgenau. Dazu zählt er auf, wieviele Soldaten für die Bewachung zum Einsatz kamen. Es klingt nach einer unbezwingbaren Gefangennahme. Im Gegensatz dazu richteten die Hauskreise nächtliche Gebetsstürme an Gott. Wie werden die flehentlichen Bitten an Gott gelautet haben? Ein Entkommen aus dem Gefängnis schien ihnen aussichtslos, aber sie beteten wohl, dass er vom Tod verschont bleiben möge. Spannend beschreibt Lukas, dass ein Bote des Herrn den Kerker betrat – nicht heimlich in der Dunkelheit, sondern im hellen Schein – wohl mit grell brennenden Fackeln. Die meisten Übersetzungen nennen den überraschend in der Zelle auftauchenden Mann einen „Engel“, aber das griechische Wort ANGELOS heißt einfach „Bote“, also jemand, der sich von Gott beauftragt wusste. Diese Person hatte offenbar Zugriff zu den Schlüsseln der Türen und der Ketten. War es etwa der Gefängnis-Kommandant heimlich selber? So wie  bei der Inhaftierung des Paulus und Silas in Philippi (Apg 16), wo auch der Leiter der Haftanstalt zu Christus gefunden hat. Der Bote drängte Petrus zur Eile, ließ kein klärendes Gespräch zu, sondern entfernte sich wortlos in der ersten Seitengasse. Es muss in der Oberstadt von Jerusalem gewesen sein, denn dort haben die Archäologen die drei Türme nachgewiesen, wovon einer als Gefängnis diente.

„Petrus ging in das Haus der Maria, wo nicht wenige versammelt waren und beteten“ Es muss eine wohlhabende Dame gewesen sein, wenn sie in der Oberstadt von Jerusalem ein so geräumiges Haus mit Dienstpersonal besaß, dass sich dort ein Hauskreis treffen konnte. Dass auch ihr Sohn Johannes mit dem Beinamen Markus dazu genannt wird, ist auffällig. Zu dem gut jüdischen Namen hat er noch den römischen Namen Markus, abgeleitet vom Gott des Krieges, der Überlegenheit und des Erfolgs. Später sollte der hier erst gut 20 Jahre junge Mann den Petrus und seine Gattin als Dolmetscher begleiten durch das halbe römische Imperium und schließlich von daher in der Lage sein, die erste Jesus-Darstellung zu verfassen, nämlich das Markus-Evangelium.

Als Petrus ungeduldig am Eingangstor des Hauses klopfte, glaubte drinnen keiner der Betenden, dass er tatsächlich befreit sein könnte aus dem Gefängnis. Daraus ersehen wir, dass stürmisches Beten anders und überwältigender erhört wird, als man es zu hoffen wagt.

Als er dann im Kreis der Staunenden stand, erzählte er in Kürze den Hergang, der für ihn selber wie ein Wunder erschien, und beauftragte sie, dem Herrenbruder Jakobus und den übrigen Aposteln Bescheid zu geben. Diese gehörten offenbar nicht zu diesem Hauskreis. Für Petrus war klar, dass er noch in der Nacht die Stadt Jerusalem fluchtartig verlassen musste und schleunigst auch außer Landes kommen musste. Aber wohin? Es fehlte ihm die Welterfahrung. Vielleicht nahm er Markus als Begleiter mit. „Er ging an einen anderen Ort“ Das klingt rätselhaft und der Schriftsteller Lukas verrät es nicht. Vielleicht vermeidet er damit, den in Bedrängnis zu bringen, der ihn fürs Erste heimlich aufgenommen und dann außer Landes gebracht hat. Es kommt dafür ein namhafter Römer in Frage, nämlich Kornelius, der Militäroberst in Cäsarea. Der dortige internationale Hafen könnte das Sprungbrett für Petrus ins römische Reich gewesen sein. Vielleicht bat ihn Kornelius bei der Gelegenheit, bei Verwandten in Rom von Jesus zu erzählen, so wie von ein paar Jahren in seinem Haus. Siehe Apg 10. Aber das alles liegt im Bereich der Vermutungen. Nachweislich gab es in den 40er Jahren in Judenviertel von Rom bereits Jesus-Hauskreise. Wenn dort unerwartet Petrus aufgetaucht ist – ein Mann, der noch den Herrn Jesus selbst erlebt hat – dann werden die Gläubigen überglücklich und dankbar für diese Fügung gewesen sein.

Das frühe Christentum hat sich in atemberaubender Geschwindigkeit ausgebreitet. Triebfeder waren nicht so sehr kluge Missionspläne, sondern die Verfolgungen und Feindseligkeiten seitens der Strenggläubigen und der religiösen sowie der politischen Führung. Das löste ein dichteres Zusammenwachsen der Gläubigen und deren Gebetsstürme aus. Gott konnte daraufhin Regie führen, aber häufig ein wenig anders als es sich die Gemeinde vorstellte. Somit dürfen wir auch heute mit der Macht Gottes rechnen, die befreit aus Angst und aus Zwängen. Der Geist Gottes ist bereit, unsere Gemeinschaften zu flügeln, damit wir das Gute und Hilfreiche des Evangeliums über Grenzen hinaus in die Weite bringen.

Impressum

Datenschutz ©Martin Zellinger

Mag. Martin Zellinger              Bibeltheologe, Reiseleiter & Eigentümer Lester Hof

Lest 1, 4212 Kefermarkt          e-mail: m.zellinger@aon.at         Telefon: +43 (0) 699 11 50 66 45

bottom of page