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29.Sept. 2024      26.Sonntag im Jahreskreis

Wehe, wer die Kleinen irritiert

Markus 9,38-48

Da sagte Johannes zu ihm: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen eine Machttat vollbringt, kann so leicht schlecht von mir reden. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns. 

Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen. Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde. Wenn dir deine Hand Ärgernis gibt, dann hau sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das nie erlöschende Feuer. Und wenn dir dein Fuß Ärgernis gibt, dann hau ihn ab; es ist besser für dich, lahm in das Leben zu gelangen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden. Und wenn dir dein Auge Ärgernis gibt, dann reiß es aus; es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.

Diesmal packt das Sonntagsevangelium viele Themen hinein, so wird die Auslegung umfangreich.

Fremder Heiler                               Mk 9, 38-41

Einer aus dem Zwölferkreis, nämlich Johannes, wandte sich besorgt an Jesus. Es war – laut Johannes-Evangelium – der Jünger, den Jesus liebte. Gerade der  sagte: „Meister, wir sahen, wie jemand mit Hilfe deines Namen seelisch Kranke von ihren Leiden befreite. Wir haben ihn daran gehindert. Wir haben ihm verboten, das weiterhin zu machen. Unsere Begründung war: Er hat sich nicht unserer Bewegung angeschlossen.“ Warum trägt gerade Johannes diese Sorge an seinen Meister heran? Vielleicht wegen der so innigen Verbundenheit mit ihm.  Jesus hatte vor gut einem Jahr den Zwölf – und nur ihnen –  die Befugnis erteilt, Menschen von ihren Zwängen zu befreien. Es war eine ausdrückliche Ermächtigung.  In Kapitel 3 und 6 des Markus-Evangeliums ist davon die Rede: „Er setzte zwölf ein, damit sie mit ihm seien und damit er sie aussende, zu verkünden und mit Vollmacht Dämonen auszutreiben“. (Mk 3,14f) Später heißt es: „Er rief die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen die Vollmacht über die unreinen Geister“ (Mk 6,7) Eigentlich hätte die Beschwerde lauten müssen: Derjenige tut es ohne Ermächtigung von dir. Stattdessen sagt Johannes: Er tut es, ohne dass er Mitglied unserer Nachfolge-Gemeinschaft ist.  Jesus sagte darauf: „Hindert ihn nicht daran. Ihr habt nicht das Recht, ihm das zu verbieten.“ Die Begründung Jesu lautete: „Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns“. Jesus dachte optimistisch und meinte: „Wenn jemand nicht bereit ist, eurer Gemeinschaft beizutreten, dann heißt das nicht, dass er auch gegen mich ist. Keiner wird hässlich über mich reden können, wenn er vorher unter Gebrauch meines Namens kraftvoll aufgetreten ist und sogar Heilerfolge hatte.“

Das Wort „schlecht reden“ kann sogar heißen „verfluchen“. Somit hieße es: „Keiner wird mich verfluchen, wenn er vorher mit meinem Namen Heilbehandlungen durchgeführt hat.“ Markus verwendet dasselbe Wort einmal als „verfluchen“: „Wer Vater oder Mutter verflucht, soll mit dem Tod bestraft werden.“ (Mk 7,10) Ein antiker Handschrift-Text, überliefert uns ein ähnliches Jesus-Wort. Es kommt zwar  nicht in der Bibel vor, aber es ist stimmig: „Wer heute fern ist, der wird euch morgen nahe sein“ (Papyrus Oxyrhynchos 1224, 3.-4.Jh.). Jesus verlangte: „Lasst den Fernstehenden weiter unter Verwendung meines Namens etwas Heilsames tun, denn dadurch verbinden die Menschen mit meinem Namen das heilende Wirken Gottes. Er wird nie fluchen über mich.“ Jesus verfluchen und  Weihrauch vor einer Götterstatue anzündet,  das war gefordert von den römischen Behörden zu der Zeit als Markus sein Evangelium in Rom schrieb. So kam jemand frei von der Christenverfolgung. Zur Zeit Jesu hatten die Führenden der Religion ihn in Verruf gebracht und verflucht, genau deswegen, weil er so  erfolgreich Menschen behandeln konnte, gerade solche, die nicht loskamen von ihren selbstzerstörerischen Zwängen.

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Papyrus Oxyrhynchos aus dem 3.-4. Jh. enthält ein "unbekanntes" Evangelium. Trotzdem sind es Jesus-Worte, die recht stimmig klingen. Dieses Fragment ist eines von 100.000en, die 1896 in Ägypten  in einer antiken Mülldeponie gefunden wurden.

Diese Hüter der Religion verbreiteten eine feindselige Stimmung gehen Jesus und ganze Dörfer ließen sich abschrecken. Sie verfluchten Jesus und seine Begleiter-Gruppe. So konnte es vorkommen, dass sie in ein Dorf kamen und ihnen der Brunnen verweigert wurde. Man gab ihnen kein Schöpfgefäß, um sich den Durst zu löschen.

Jesus vertrat die Regel: „Wer uns nicht bekämpft, wer uns nicht verfolgt, den sollten wir zu unseren Freunden zählen. Derjenige zeigt es zwar nicht offen, er ist aber vielleicht im Geheimen ein Befürworter. Es kann sein, dass er noch einige Zeit braucht, bis er es wagt, sich öffentlich zu mir zu bekennen.“ Dazu fügte Jesus  noch ein sicheres Versprechen hinzu: „Wenn jemand euren Durst löscht mit einem Becher Wasser, weil ihr zum Gesalbten gehört, zum Messias, ja, ich sage euch das als heilige Wahrheit: Dem wird sein Lohn nicht vorenthalten werden. Wenn euch auf eurem Weg ein ganzes Dorf ablehnt und mit euch nichts zu tun haben will und wenn dann ein einzelner mit euch trotzdem Mitleid hat, und wenn er es wagt, euch sogar etwas zu trinken zu reichen, dann riskiert er zwar den Spott der Mitbewohner, aber er kann sich sicher sein: Sein Lohn bleibt nicht aus.“ Eigentlich hätte Jesus doch umgekehrt sagen können: „Wer euch den Zugang zum Brunnen verwehrt, weil ihr zu mir gehört. Wer  euch durstig wegjagt, der wird später die entsprechende Strafe zu spüren bekommen“. Aber Jesus denkt nicht im Straf-Muster, sondern im Lohn-Muster. Zwei aus seinem Schülerkreis dachten im Straf-Muster. Davon weiß Lukas zu berichten: „Und er schickte Boten vor sich her. Diese kamen in ein samaritisches Dorf und wollten eine Unterkunft für ihn besorgen. Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war. Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: Herr, sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet? Da wandte er sich um und wies sie zurecht. Und sie gingen zusammen in ein anderes Dorf“. (Lk 9, 52-56) Bewundernswert, wie Jesus nicht zulässt, dass seine Anhänger Feindseligkeit mit Feindseligkeit beantworten. Er knüpft an die positiven Beispiele an: „Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, ..." und er gibt dafür Anweisungen.

 

Wehe, wer Anlass ist, dass andere den Glauben verlieren                       Mk 9,42-48

Für Jesus waren immer die Kleinen wichtig, die Unscheinbaren, die in der Herde mitlaufen. Er sagte: „Es gibt viele, die glaubensmäßig auf wackeligen Beinen stehen und deshalb zu den Führenden aufschauen. Wehe, wenn ein Großer in der Gemeinde auch nur einen einzigen von diesen Kleinen verunsichert im Glauben oder ihn gar enttäuscht, das hat schlimme Folgen und zieht schwerwiegende Strafen nach sich. Wer für Glaubensanfänger zum Stolperstein wird oder sie gar wieder abbringt davon, der muss mit Strafen rechnen, die qualvoll und langanhaltend sind. Da wäre er besser dran, wenn er gleich ins Meer geworfen würde mit einem Eselsmühlstein um den Hals, also nicht mit dem kleinen Handmühlstein, sondern mit dem großen, den die Esel drehen müssen.“

 

Die größte Gefahr für den Glauben, für die Kirchengemeinschaft und für die weniger  gebildeten Mitglieder sind nicht die Christenverfolger, nicht die atheistischen Lehren, nicht die fremden Religionen, sondern die Großen in den eigenen Reihen. Wenn diese etwas tun, was das Vertrauen der kleinen Leute erschüttert, dann schädigt das die ganze Gemeinde. Wenn die Führenden zuerst eindrucksvoll reden und später die Kleinen drauf kommen, wie anders sie in Wirklichkeit handeln, dann untergräbt  das ihren Glauben. Gerade dann werden viele Mitglieder besonders verunsichert. Enttäuscht wenden sich manche ab von der Gemeinschaft, die gerade ihre Rettung gewesen wäre. Sie wagen es nicht mehr, darin den Halt zu suchen, den sie brauchen. Der Schaden nimmt ein unermessliches Ausmaß an.

„Ärgernis geben, Anstoß erwecken“ heißt im griechischen Originaltext SKANDALIZO. Hier ist „Skandal“ heraus zu hören: „Ursache sein, dass jemand zu Fall kommt“. Wehe, wenn sich ein geistlicher Führer als Saubermann hinstellt und er sich im Hintergrund unmenschlich verhält. So etwas hätten die Mitglieder dem Ehrenmann nicht zugetraut. Solche Abstürze müssen um jeden Preis vermieden werden. Auch Paulus verwendet dasselbe Wort, wenn er in den 50er Jahren an die Gemeinde von Korinth schreibt, was für ihn Seelsorge ist: „Wer leidet unter seiner Schwachheit und ich fühle das Schwachsein nicht mit ihm? Wer kommt zu Fall und ich brenne nicht vor Sorge?“ (2 Kor 11,29). Wer Vertrauensverlust selber verursacht, löst eine Lawine von schlimmen Folgen aus und das kann nicht unbestraft bleiben. Es zieht anhaltende Konsequenzen nach sich. Wer für einen Glaubensanfänger zum Stolperstein wird oder gar dessen Weggehen verschuldet, der muss sich auf ein angemessenes Strafverfahren gefasst machen. „Ich würde ihm das nicht wünschen“, scheint Jesus zu sagen. „Da wäre er besser dran, wenn er gleich ins Meer geworfen würde mit einem Eselsmühlstein um den Hals und schnell in die Tiefe gezogen würde.“ Jesus meint nicht den kleinen Handmühlstein und sagt bewusst nicht einfach Mühlstein, sondern er meint den großen, den die Esel drehen müssen. Damit kommt die Leiche nie wieder an die Oberfläche. Ertränken im Meer war ein grausamer, aber rascher Tod. Im Judentum war er als Hinrichtungsart verpönt, wahrscheinlich deshalb, weil dadurch dem Toten die Bestattung verwehrt wurde. Es könnte sogar sein, dass Jesus das Drohwort vom „Mühlstein um den Hals“ nicht als Strafe meint, sondern als allerletzten Aufruf: „Er wäre besser dran, wenn seine Begräbnisstätte das Meer wäre, dann gäbe es keine Gedenkstätte und es gäbe weniger Erinnerung an ihn und an seine Skandale, die sonst weit über seinen Tod hinaus bekannt bleiben.“

 

Nun  folgt ein Dreierspruch. Er  warnt vor dem Schaden, den jemand sich selber zufügt, wenn er zügellos und gierig lebt: „Gesetzt den Fall, du bist ständig in Gefahr, nach etwas zu greifen, wovon die anderen Organe Schaden davontragen, dann trenne dich von dieser Greifhand. Wenn die Hand dorthin langt, wo du als Ganzer Ärger bekommst, dann entferne diese eine Hand von dir. Schlag sie ab! Es ist besser, dass du dich behindert ins Leben rettest, als dass du mit beiden Händen abmarschierst in die Schlucht der Vernichtung, in das Hinnom-Tal, dort, wo die Hitzequalen nie aufhören. Lieber mit einer Teilbehinderung das Leben gewinnen, als mit dem ganzen Leib in der Glut enden.

Gesetzt den Fall, du bist ständig in Gefahr, an einen Ort zu gehen, wo du für dich Schaden erleidest. Wenn dich dein Fuß auf Abwege führt, dann trenne diesen Fuß ab. Es ist besser für dich, wenn du hinkend ins Leben kommst, als dass du mit beiden Beinen ins Tal der Vernichtung gestoßen wirst, in das Hinnom-Tal.

Gesetzt den Fall, du bist ständig in Gefahr, etwas anzuschauen, das dir schadet. Dann quetsche heraus das verführerische Auge und wirf es weg. Es ist besser, du gelangst einäugig in die Welt der wahren Liebe, als dass du mit zwei Augen in die Todesschlucht gestoßen wirst, in das Hinnom-Tal. Dort wird der Verwesungswurm mit seinem Werk nicht aufhören und die Hitzeflammen werden nicht erlöschen“ Das gewaltige Wort vom Wurm und von der Hitze  stammt nicht aus der Vorstellung von Jesus selbst, er hat es übernommen aus dem Buch Jesaja (Jes 66,24) und er spricht es als Zitat aus.

 

Warum ist Jesus hier so wortgewaltig? Was können wir davon lernen? Mit dem Bild vom Mühlstein tritt er streng auf, er, der Lehrmeister, dessen Stimme sonst tröstet oder ermutigt oder den rechten Weg weist. Der Grund ist einfach: Die Leute, die von sich eingenommen sind,  verstehen keine andere Sprache. Die Fälle von „Missbrauch“ oder „Luxus-Leben in einem kirchlichen Amt“ haben den Ruf der Kirche schwer beschädigt, ja für manche Mitglieder ganz zerstört. Solchen Tätern kommt man  nicht mit gut gemeinten Apellen oder vernünftiger Erklärung bei. Erst die Angst, dass sie ihre eigene Haut retten müssen, ist die letzte Chance, sie zur Besinnung zu bringen. Oft gelingt auch das nicht, aber es ist der äußerste Versuch. Wenigstens sollen andere abgehalten werden. Nachahmungstäter sollen verhindert werden. Die könnten sonst sagen: „Was sich der da geleistet hat ... – es ist unbestraft geblieben.“ Immer wieder ging es Jesus darum, das Vertrauen, das mühsam aufgebaut wurde in so manchen Menschen, darf nicht wieder in Gefahr gebracht werden. Die Zuversicht sollte nicht beschädigt werden. Seine erfolgreichste Heilmethode war das Vertrauen, das Festhalten am Glauben. Darum sagte er sooft: „Dein Glaube hat dich gerettet.“ Diese Heilmethode ist bis heute anwendbar. Jesus warnt also vor den Schäden innerhalb der Glaubensgemeinschaft. Er warnt auch vor der eigenen Schädigung durch Zügellosigkeit. Das Bild vom Ausreißen der Körperteile meint er keinesfalls wörtlich, sondern sinngemäß. Es wäre auch nicht logisch, ein Bein abzuschlagen, denn man kann ja mit dem zweiten noch wo hin hinken. Es ist auch nicht sinngemäß, ein Auge wegzuwerfen, denn man sieht ja mit dem zweiten immer noch alles. Wir können das schroffe Bild trotzdem beibehalten: Ein Beispiel ist die Alkohol-Erkrankung. Wer von der Alkohol-Entwöhnung etwas versteht, der weiß, dass es nur radikal möglich ist: Wenn jemand abhängig ist davon, wird er mit der Devise „nach und nach ein bisschen weniger“ nicht loskommen davon. Er muss entschieden Schluss machen und muss alles tun, dass er ab sofort nicht mehr danach greifen kann. Dann folgt noch der Entzug. Er ist besonders schwer, denn dem Süchtigen fehlt etwas. Dasselbe gilt für den Ausstieg aus dem abhängigen Rauchen. Deshalb betont Jesus das auch: Lieber um eine Sache ärmer – aber das Leben haben – als sich das Schädliche behalten – und die Hölle haben.

Noch einmal zurück zum ersten Thema diese Evangelien-Abschnittes: „Wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt“. Manchmal schauen Mitglieder der traditionellen Groß-Kirchen argwöhnisch auf das, was die Freikirchlichen machen. Dürfen sie das? Darf ein Nicht-Beauftragter etwa ein junges Paar segnen oder einen Kranken die Hände auflegen und die Bibel dazu verwenden? Haben nur die Katholiken das Hoheitsrecht auf den Namen Jesu? Für Jesus kommt etwas anderes noch vor der Mitgliedschaft, nämlich dass die heilsame Wirkung seines Namens eingesetzt wird und dass Heilkraft damit bekannt wird. Das steht für ihn an erster Stelle. Wenn Menschen etwas Gutes tun, weil sie vom Evangelium erfüllt sind, dann ist es in seinem Sinn. Die Frage der Mitgliedschaft steht erst an zweiter Stelle. Wer sich da aufregt oder gar Ängste hat, sollte seine wahren Motive überprüfen: Sind es die Mitgliederzahlen oder ist es der Name Jesu – was hat Vorrang?

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