16. Dez. 2018
3.Advent-Sonntag
Was sollen wir tun?
Lukas 3, 7-17
Am dritten Advent-Sonntag wird uns nochmals Johannes vor Augen geführt. Er redete denen ins Gewissen, die scharenweise zu ihm hinaus gepilgert waren. Sie hatten für einige Tage die Zivilisation verlassen und hatten sich auf den Weg gemacht, nicht vereinzelt, dann und wann einer, sondern in Mengen. Zu ihnen sagte er:
Ihr seid der Nachwuchs von Schlangen. Euch haben Lebewesen religiös großgezogen, die herumschleichen und Gift in sich haben. Solche Stammeltern haben euch das Gift weitergeben. Hinterfragt das, was euch von Kind auf gelehrt worden ist. Achtet genau, von wem es stammt. Diese schädlichen Lehrer haben euch vorgemacht, dass ihr euch in Sicherheit wiegen könnt. Ihr braucht nur ins Gotteshaus zu kommen, eure Gaben abzuliefern und ihnen gehorsam zu sein, dann ist Gott mit euch zufrieden. Im Gegenteil: So etwas macht Gott wütend. Ihr werdet über eure Taten (!) zur Rechenschaft gezogen und zwar schonungslos. Es wird euch vor Augen geführt, was ihr Wichtiges in eurem Umfeld versäumt habt. Gefordert wäre ein mutiges Zupacken. An dem fehlt es. Das macht den Himmel zornig.
Am Dreschplatz müssendie Esel viele Runden getrieben werden, bis der Weizen heraus getrampelt ist. Dann wird das Stoh weggegabelt und am Schluss mit einer Wurfschaufel Spreu und Weizen getrennt.
Macht also Früchte: Obst, von dem sich jemand stärken kann, Getreide, von dem man Mehl mahlen und Brot backen kann. Es muss ein Fruchtansatz erkennbar sein, der vergleichbar ist mit eurer Neubesinnung, die ihr hier am Jordan durchmacht. Ihr seid durch das Untertauchen bei mir zur Einsicht gekommen, jetzt müssen Früchte folgen. Kehrt nicht zu dem Früheren zurück, wo euch eingeredet wurde und ihr dann bei euch selber gesagt habt: Wir stammen ja vom Urvater des Glaubens ab, wir können uns in Sicherheit wiegen, weil wir die Verdienste des Vaters Abraham erworben haben. Ihm ist versprochen worden: Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Eines kann ich euch sagen: Gott ist in der Lage aus diesen Steinen, die hier in der Wüste herum liegen, dem Abraham geistliche Kinder zu erwecken. Ja, was ihr für leblos haltet, kann Gott zum Leben erwecken, mehr noch: er kann sie zu Söhnen und Töchtern des Glaubensvorbildes Abraham erwecken.
Die Axt liegt auch schon bereit, nicht um Äste zu stutzen, sondern sie setzt an der Wurzel an, damit die Bäume endgültig ausgehauen werden. Jetzt wird radikal ausgeschieden. Jeder Baum – wirklich ausnahmslos jeder – der keine schöne, erfreuliche Frucht macht, wird umgeschlagen, zu Brennholz zerkleinert, damit er wenigsten in den Feuerofen geworfen werden kann und er dort zu etwas nützlich ist, nämlich zum Kochen oder zum Wärmen.
Aus der Menschenmenge wurden ihm immer wieder dieselben Fragen gestellt: Was also sollen wir machen?
„Früchte machen!“, was meinst du damit genau? Er gab eine klare Antwort und sagte zu ihnen: Wer zwei Kleidungsstücke hat, die man auf dem Leib trägt, der teile sie (!) mit dem Nichts-Habenden. (Nicht: Er gebe eines (!) dem, der keines hat) Wer Lebensmittel hat, tue dasselbe. (Nicht: zu essen hat, sondern „Speisen“, Vorräte, genug im Schrank) Es kamen auch Zolleintreiber, das waren solche, die als unmoralische Menschen galten, weil sie auf schmutzige Weise zu sehr viel Geld kamen. Sie hatten vor, ein neues Leben anzufangen, indem sie sich von Johannes untertauchen ließen. Sie sagten: „Du bist für uns ein Lehrer. Was sollen wir tun?“
Er sagte zu ihnen: „Es gibt festgelegte Steuersätze, nach denen ihr die Abgaben einheben könnt. Ihr dürft nicht mehr einfordern oder gar Druck machen auf die Leute, dass sie mehr zahlen. Das Eintreiben von überhöhten Beiträgen ist nicht in Ordnung.“ Erstaunlich ist, dass Johannes nicht sagte: "Gebt diesen schmutzigen Beruf auf, sondern arbeitet in eurem Beruf gewissenhaft."
Männer, die im Militär Dienst taten, fragten ihn genauso: „Und wir – was sollen wir machen?“ (Von den Soldaten wird nicht gesagt, dass sie eigens zu ihm gekommen sind und sich untertauchen ließen, sondern sie waren offenbar dort in der Nähe stationiert. So nützten sie die Gelegenheit, ihn zu fragen.) Er sagte zu ihnen: „Erpresst von niemanden Geld mit Gewalt“ (wörtlich: schüttelt niemanden durch) „Beschuldigt niemand für falsche Dinge und quält ihn nicht lange dahin. Als Soldaten verdient ihr nicht schlecht. Die Entlohnung, die ihr bekommt, ist ausreichend, sie müsste euch genügen.“
Das Volk lebte damals in einer starken Erwartung. Mit „Volk“ sind nicht die Pilgerscharen gemeint, sondern das gesamte gläubige Volk. Alle überlegten in ihrem Herzen über Johannes hin und her, ob nicht er der Gesalbte sei, den Gott erwählt und wie einen König oder Propheten gesalbt hatte. Es waren nicht einzelne Pilger, die ihn dazu befragt hätten, sondern es lag die Frage in der Luft.
Johannes bezog Stellung zu dieser Volkerwartung und sagte allen klar und immer wieder, was seine Mission sei: „Ich hier – ich tunke euch zwar ins Wasser ein. Aber kommen wird ein Stärkerer als ich. Er steht hoch über mir, so hoch, dass meine Größe nicht ausreicht, um das Lederband seiner Sandalen aufzuknüpfen. Auch er wird ein Eintauchen anbieten und durchführen, aber es wird Eintunken in den heiligen Hauch sein und in Feuer. Er hält schon die Schaufel in der Hand, um seinen Dreschplatz vollkommen zu reinigen und den Weizen in seine Behälter zu bringen. Die nutzlosen Hüllen um die Weizenkörner, die man Spreu nennt, lässt er ganz verbrennen im unauslöschlichen Feuer: Die Betonung liegt nicht auf der ewigen Dauer des Feuers, sondern auf der Unmöglichkeit, es zu löschen.
Lukas hat einiges aus der vorgegebenen Quelle bezogen und einiges frei dazu ergänzt. Dabei hat er wieder sein poetisches Können bewiesen. Seine Vorlage war diesmal nicht das Markus-Evangelium, sondern die Redesammlung oder Logienquelle Q (so nennt sie die Wissenschaft). Sie ist ein sehr frühes Sammelwerk, das nur Reden (keine Taten Jesu) enthält – vielleicht verfasst in den 40er Jahren. Sie ist uns nicht mehr erhalten, aber Bibelwissenschaftler haben sie rekonstruiert.
Johannes tritt auf als einer, der Klartext spricht, aber niemanden beleidigt. Wer das Wort „ihr Schlangenbrut“ als Vorwurf oder Beschimpfung auffasst, hat nicht verstanden, dass Johannes ein Mann der Barmherzigkeit war. Er hatte ein schmerzliches Mitgefühl, dass so viele Gläubige das Schlangengift weiter aufnahmen, das die Hüter der Religion verbreitet und in sie eingepflanzt hatten. Es ist die arrogante religiöse Selbstgewissheit. Es genügt nicht, sich für einen Gläubigen zu halten, Gläubige müssen etwas tun, das den Glauben bestätigt. Ob sich Johannes auch als Sozial-Reformer hervor getan hat, ist fraglich: Hat er aufgefordert, Kleidung und Essen zu teilen, hat er die Geldeintreiber und Waffenträger aufgefordert, mit der unterlegenen Bevölkerung achtsamer umzugehen?
Eher stammt die dreimalige Befragung „Was sollen wir tun?“ aus der Feder des Lukas. In der Apostelgschichte setzt der die Frage mehrmals nach erschütternden Ereignissen ein:
Nach dem Pfingstereignis tritt Petrus vor das jüdische Volk und spricht ergreifend. „Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz, und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder?“ (Apg 2,37) – In Philippi sitzen Paulus und Silas im Gefängnis. Plötzlich springen durch ein Erbeben die Türen auf. Der Gefängniswärter wacht auf und glaubt, dass die Häftlinge entflohen sind. Er will sich selber das Leben nehmen, aber Paulus ruft laut: Tu dir nichts an. „Der Wärter führte sie hinaus und sagte: Ihr Herren, was muss ich tun, um gerettet zu werden?“
Lukas lebt in der römischen Welt, wo es Wohlstand, ja Überfluss gibt. Daneben wird die Armut übersehen. Einige schlaue Herren haben Unternehmen gegründet, mit denen sie den einfachen Leuten das Geld nur so aus der Tasche ziehen, und wenn sie nicht mehr zahlen können, wird entsprechend Druck gemacht. Das Militär ist allgegenwärtig und die mit der Waffe in der Hand sollten eigentlich für Sicherheit sorgen, gehen aber oft grausam um mit der Bevölkerung. Auf all das weist Lukas hin und versucht, wach zu rütteln. Das Thema Reichtum und Armut ist ein durchgängiges Thema in seinem Evagelium, darauf werden wir noch öfters stoßen - sogar schon bald: Im Weihnachtsevangelium macht er die Hirten, Leute aus der Unterschicht, zu Hauptdarstellern.
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