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5. Aug. 2018

18.Sonntag i.Jahr

Sie sind hinter ihm her wie hinter einem Star

Joh 6,24-35

Nach der ganztägigen Lehrveranstaltung gab es noch ein überwäl-tigendes Abschlussmahl. Das brachte die Zuhörer erst recht in Stimmung – nicht wie nach einem Openair-Konzert, sondern es war ein Gemeinschaftsgefühl entstanden, wie bei einem großen Verwandtschaftsfest – das, obwohl mehrere tausend Besucher teilgenommen hatten. So ein Gefühl entsteht durch Teilen, Schenken und Beschenkt-Werden. Es ereignete sich zur Halbzeit des Wirkens Jesu, wohl im April des Jahres 28. Vordergründig war es ein Riesenerfolg, tiefer gesehen löste es eine Krise aus.

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Es war die Zeit des Pascha-Festes, das er diesmal nicht in der heiligen Stadt Jerusalem, sondern in seiner ländlichen Heimat Galiläa feiern wollte. Vielleicht war er selbst zutiefst beeindruckt, was die Liebe Gottes und die Liebe unter seinen Gästen möglich machte. Vielleicht empfand er es als eine Steigerung dessen, was Mose 1200 Jahre zuvor getan hatte. Er hatte das Volk begründet durch eine neue Gesetzgebung. Die hatte Jesus diesmal auch vermittelt, allerdings vereinfacht und vertieft: „Ein neues Gesetz gebe ich euch: Liebt einander!“ Damals – bei Mose – hatte das Volk ein Wüstenbrot bekommen, das Manna. Jetzt war es das Brot der Liebe und der Achtsamkeit. Jesus war also am besten Weg ein neues Volk zu begründen – durch ein neues Pascha. Das war wohl das „Zeichen“, das er erkannte.

Die Massen verstanden das nicht in der Tiefgründigkeit. Zunächst waren sie glücklich und satt wegen des reichlichen Essens, das ohne lange Vorbereitung und ohne Geldaufwand gelungen war. Über Nacht wurde aber doch einigen Leuten bewusst, wie einzigartig die Aktion war. Wenn es einer fertig bringt, Massen zu ernähren, dann ist er schnell der Volksliebling, bald danach ruft ihn eine Partei zu ihrem Führer aus und das ebnet ihm den Weg zum Staatsoberhaupt. Einige Schlaue machten sich sofort nächsten Tag auf, um den Star von neuem zu treffen. Wie genau die Such-Strecke im Johannes-Evangelium beschrieben ist, das verblüfft noch heute. Jeder kann sie exakt nachvollziehen, der mit der Geographie von Galiläa vertraut ist. Das Hinterher-Laufen kommt der Verfolgungsjagd gleich, die heutige Journalisten und Fotographen an den Tag legen, wenn sie einen soeben berühmt gewor­denen Star erwischen wollen. Die Redakteure fragen ihn aus und den Paparazzis geht es nur um das Eine: Fotos, mit denen sich Geld verdienen lässt.

Jesus beantwortet Fragen über Nebensächlichkeiten nicht: „Wann bist du hier her gekommen?“ Stattdessen macht er ihnen bewusst, dass sie sich nicht für das Wesentliche interessieren, nicht für die „Zeichen“, die der Aktion zugrunde liegen. Er fordert sie auf: „Richtet eure Anstrengungen nicht auf das Kurzlebige, sondern auf das Nachhaltige. Wer ein Leben führen will, das Bestand hat, der sollte sich anstrengen für die Speise, die der Menschensohn geben wird.“ Warum spricht Jesus von der Zukunft? Scheinbar weist er voraus auf das Pascha-Fest in zwei Jahren, an dem er sich vor der Führung des Landes als Menschensohn bekennen wird und er erhöht wird. Für sich selber weiß er bereits ganz klar, dass er das Gottessiegel erhalten hat. Was meint er wohl damit? Vielleicht spielt er auf die eigene Taufe vor eineinhalb Jahren an – bei Johannes, der ja wiederholt den Aufruf an das gläubige Volk richtete: „Ebnet den Weg für den Herrn.“ So stoßen die Fragesteller in diese Richtung: „Worin besteht das Weg-Ebnen-für-den-Herrn? Was müssen wir konkret tun, um die Werke Gottes zu vollbringen?“ Jesus gibt eine kurze und einfache Antwort: „Bringt dem das Vertrauen entgegen, der als der Gottesgesandte vor euch steht.“ Sie hatten sofort einen Einwand: „Wir vertrauen dir erst, wenn wir etwas Handfestes sehen. Erst das überzeugt uns.“ Dann zählten sie etwas Handfestes aus der Schrift auf: Das Manna in der Wüste! Das kam vom Himmel, dadurch hat sich Mose als Gottesmann ausgewiesen. Jesus sieht das anders: Für ihn war das Manna zum „Brot des Himmels“ in der über tausend Jahre dauernden Glaubenstradition hochstilisiert worden. Während der Wüstenwanderung war es nur ein Naturereignis, das glücklicherweise in ihrer Not abhalf: Der Saft aus der immergrünen Tamariske war auf den Boden getropft, weil die Schildläuse in angezapft hatten, und die so entstandenen weißen Kugeln brauchten damals die Israeliten nur einzusammeln. (Noch heute sammeln Beduinen im Sinaigebiet dieses Manna und verwenden dieses wegen seines süßen Geschmacks als Ersatz für Honig; das Sammeln muss morgens erfolgen, da die Kugeln in der Hitze schmelzen) Jesus erklärt: „Was euch Mose gegeben hat, war nicht das >Brot des Himmels<, sondern Tagesproviant. Was Gott jetzt gibt, ist Nahrung für das gesamte Leben. Er gibt Brot für Leib und Seele, spirituelles Brot, nachhaltiges Brot. Von dem kann die Gesellschaft ein erfülltes Leben führen.“ Die Zuhörer Jesu hatten zwar nichts begriffen, baten ihn aber um diese Nahrung. So als ob sie heute um eine „Gratis-Universal-Nahrung“ bitten würden. Erst jetzt spricht Jesus Klartext: „Wer sich mir anvertraut, wer sich auf mich verlässt, auf mich einlässt, der ist bestens genährt. Ich bin das Brot, aus dem man Lebensenergie schöpfen kann. Wer zu mir kommt und Kostproben von mir nimmt, der wird es bestätigt bekommen. Er wird es sich zur Gewohnheit machen, sich von mir zu ernähren.“

Wie die Gläubigen von damals reagierten auf diese Selbstgewissheit und welche Krise dies auslöste, schildert das Evangelium des nächsten Sonntags.

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