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30. Dez. 2018

Sonntag - HeiligeFamilie

Biographisches aus der Kindheit ?

Lukas 2,41 - 52

Diese Schilderung vom „zwölfjährigen Jesus im Tempel“ ist erstaunlich vielen Christen bekannt. Meist fassen sie es auf als biographische Notiz aus den Jugendjahren Jesu und zugleich bedauern sie, dass wir nicht mehr erfahren aus dieser Zeit. Darüber sagt uns der Schlusssatz des Stückes etwas, es ist nicht viel und doch viel: "Er machte von Jahr zu Jahr Fortschritte in der Weisheit und in der Liebenswürdigkeit vor Gott und den Menschen." Das ist übrigens dasselbe, das Paulus in den 50er Jahren seiner Lieblingsgemeinde wünscht. „Ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher an Einsicht und Verständnis wird.“ (Phil 1,9) Die Weisheit hat Jesus als Jugendlicher nicht mit dem „Löffel gegessen“, schon gar nicht ist sie ihm fertig mit in die Wiege gelegt worden. Er ist persönlich gereift, von einem Lebensabschnitt zum nächsten, unterstützt vom ausgewogenen Elternhaus und der achtsamen Mutter. Dasselbe gilt für Gemeindemitglieder (damals wie heute): immer noch an „Einsicht“ dazu gewinnen! Glauben ist ein Lernprozess.

Zwei Dinge liefert das Evangelienstück sicher nicht:

1. Ein trautes Familienleben von Vater-Mutter-Kind, so als wäre Jesus als verwöhntes Einzelkind aufgewachsen. In der religiösen Kunst ist die Darstellung zwar stark verbreitet, aber sie entspricht nicht der Bibel: Nein, der Jesus-Junge war umgegeben von einer Kinderschar. Das Markus-Evangelium nennt die Brüder sogar namentlich: Jakobus, Joses, Simon, Judas. Auch von Schwestern ist die Rede, deren Namen uns aber nicht genannt werden. Spätere Kirchenlehrer deuten die Geschwister als Cousins und Cousinen. Siehe dazu das Sonntagswort im Lesejahr Markus. 14.Sonntag.

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Modell des Tempels: Lehrgespräche fanden in den Säulengängen statt, die den ausgedehnten Vorhof umfassten.

2. Lukas befriedigt nicht die Neugierde über Taten Jesu in der Kindheit. Das tut das sogenannte Kindheitsevangelium des Thomas, ein späteres apokryphes Evangelium, das über 100 Jahre nach dem Tod Jesu glattweg Wundergeschichten des Jesus-Kindes erfindet, die gar nicht mit seiner Erwachsenen-Haltung übereinstimmen. Hier nur eines von den 18 Beispielen aus diesem vermeintlichen Kindheitsevangelium: „Der Jesus-Junge ging durch das Dorf. Da lief ein Junge heran und stieß ihn an der Schulter. Da wurde Jesus sauer und sagte: Du sollst deinen Weg nicht fortsetzen. Und sofort fiel er hin und starb.“ Davon unterscheidet sich Lukas eindeutig. er will nicht die biographische Lücke schließen zwischen der Geburt und dem öffentlichen Leben Jesu.

Warum also liefert uns Lukas diese Geschichte vom Zwölfjährigen im Tempel? Das allererste Wort, das er Jesus sprechen lässt, nennt den Vater: „Es war notwendig, dass ich in dem bin, was meines Vaters ist.“ Und das allerletzte Wort, das er Jesus im Sterben mit lauter Stimme rufen lässt, nennt wieder den Vater: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk 23,46) Damit bildet Lukas eine kunstvolle Klammer. Lukas lässt dem Jesus-Jungen bewusst nicht sagen: „…, dass ich im Tempel sein musste“ oder „…dass ich im Haus des Vaters sein musste.“ Stattdessen verkündet der Junge: „Ich musste in dem sein, was meines Vaters ist.“ Damit ist mehr als das Gotteshaus gemeint (der Tempel war übrigens zur Zeit des Lukas schon ein Schutthaufen, zerstört von den römischen Soldaten – zwanzig Jahre bevor Lukas sein Werk schreibt) „Was meines Vaters ist“, das ist die Weisheit, die gesammelt ist in den Heiligen Schriften. Das „Wort“, die Gebote, die Empfehlungen, sie  kommen vom Vater. Die Theologen/Schriftlehrer, unter denen der Jesus-Junge Platz genommen hat, sind zuständig dafür, dass die Schrift als das „des Vaters“ erkannt wird.

Dass ein so junger schon ein derart waches Verständnis für das Göttliche hat, sogar notwendig dort verweilen muss, das begreifen auch heute nur ganz wenige Erziehungsverantwortliche. Den Lehrern und Eltern ist es nicht zum Vorwurf zu machen, wenn sie wenig Gespür dafür haben, welch spirituelle Ader ihre Kinder haben. Umso mehr sind die zu beglückwünschen, die Achtung vor dem zarten Interesse ihrer Kinder an dem „Heiligen“ haben. Die Mutter Jesu damals hat noch nicht recht begriffen, was ihr Junge damals so rätselhaft von sich gegeben hat. Aber sie ist achtsam mit dieser Äußerung umgegangen. Sie hat sich den „Sager“ nicht einfach in Erinnerung behalten, sondern „in ihrem Herzen bewahrt.“ Wieviele Mütter nehmen Handlungsweisen und Aussprüche ihrer Kinder mit dem Handy auf und schicken sie per Whatsapp gleich weiter. Bewahren sie es auch in ihrem Herzen? Hoffentlich überhören sie nicht die „heiligen“ Worte, die dem Kind über die Lippen kommen. Hoffentlich beobachten und würdigen sie die Entwicklung, wie ihr Kind an Weisheit und Liebenswürdigkeit zunimmt. Kinder und heran reifende Jugendliche sind nicht zu unterschätzen in ihrem spirituellen Gespür – der Zwölfjährige im Tempel ist ein Beweis dafür.

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