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14. Juli 2019

15.Sonntag im Jkr

Wie aus dem Helfer ein Beschenkter wird

Lukas 10,25 – 37

Diesmal geht es um die Nächstenliebe. um das sich kümmern um den Nächstliegenden. Lukas verknüpft es mit dem Mitleid und der Barmherzigkeit. Die Geschichte vom barmherzigen Samariter ist so berühmt, dass ganze Sozialeinrichtungen von ihm ihren Namen haben. Die Lehrgeschichte ist nur von Lukas überliefert, und noch 2 weitere. Er hat es verstanden, einprägsame Geschichten von der Barmherzigkeit der Nachwelt weiter zu geben. Bekannt sind der barmherzige Vater mit dem verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) und der Mitgekreuzigte zu seiner Rechten (Lk 23,39-43)

  • Der Vater sah ihn (den verlorenen Sohn) schon von weitem kommen, und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.

  • Dann sagte er (der zur Rechten Gekreuzigte): Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst. Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.

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So zeichnet Lukas den Herrn. Die Bilder sind eindrucksvoll, aber den meisten nur oberflächlich bekannt. Diesmal wollen wir das erste Bild genauer ansehen. Es ist an diesem Sonntag verbunden mit Nächstenliebe. Zur Nächstenliebe gibt es unterschiedliche Haltungen in der heutigen Welt:

  • Ich muss zuerst an mich selber denken. Ich muss mich selber lieben, mich um das eigene Wohl kümmern, mir Gutes tun. Vielleicht, wenn ich das erreicht habe, kümmere ich mich auch ein wenig um andere, denen es schlecht geht.

  • Wir werden überschwemmt mit Nachrichten über Katastrophen und Menschen in schwerer Not. Das stumpft ab. Es kratz ein wenig an unserem Mitempfinden. Wir stoßen höchstens den Ruf aus: „Wahnsinn!“ Aber es ist so uferlos viel, dass wir zu etwas Unterhaltsamem weiter blättern. Wir sind sachlich informiert, aber wir fühlen uns überfordert oder halten die Fachleute für zuständig, der Not abzuhelfen.

  • Es gibt sehr engagierte Mitbürger. Sie haben einen Scharfblick für ungerechte Zustände. Sie setzen sich für Verbesserung ein, aber sie kommen an die Grenzen ihrer Kräfte.

Wr wandern nur ein Teilstück von Jerusalem nach Jericho. Die Schlucht zum Georgskloster ist beeindruckend.

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  • Es gibt Mitmenschen, die zupacken, wenn gerade Not am Mann ist, weil sie zufällig zur Stelle sind. Sie helfen nicht organisiert, nicht berufsmäßig, sondern weil sie einen Blick dafür haben. Sie tun es unauffällig und selbstverständlich.

    Lukas schießt seine Schilderung vom „barmherzigen Samariter“ mit der Aufforderung: „Geh und handle DU genauso.“ Damit spricht er alle seine Leser an – bis herauf in unsere Zeit. Indem wir nun gegenüberstellen, wie der Grundbestand des Textes gelautet hat und wo Lukas gestaltend eingegriffen hat, wird manches noch deutlicher.

Grundbestand / Vorlage / Markus-Evangelium

Ein Schriftgelehrter, also ein Hochgebildeter in Bibelfragen, stellt Jesus eine Fachfrage in wohlwollender Weise

Der Schauplatz ist eine der Säulenhallen im Tempel

Er redet Jesus mit keinem Titel an.

Frage: Welches ist das erste Gebot von allen?

Jesus antwortet unumwunden.

Er zitiert 2 Anweisungen aus 2 verschiedenen Büchern des Alten Testaments und erklärt sie für zusammengehörig: „Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden“ Es ist das neuartige Programm Jesu, das Doppelgebot zu einem zu verschmelzen: Gottes- und Nächstenliebe

 

Der Bibelfachmann gibt  Jesus Recht und setzt fort: Den Herrn lieben und den nächsten lieben ist mehr als alle Opfergottesdienste.

Jesus erkennt das Verständnis des Mannes und würdigt ihn: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“

Veränderung durch Lukas

Ein Rechtsfachmann, der die Gesetze kennt, Jurist, Richter  - er stellt Jesus eine Frage, mit der Absicht, ihn aufs Glatteis zu führen.

Keine Ortsangabe

Er redet Jesus mit „Meister“ an.

Frage: Was muss ich tun, um ewiges Leben zu erben? = unbefristetes Leben, das dauerhaft ist. Leben erben = ich habe einen Rechtsanspruch darauf, ich bekomme es sicher. Was ist dafür zu tun?

Jesus beantwortet die Frage nicht selber, sondern gibt die Frage zurück: „Was steht im Gesetz geschrieben?“ Der Rechtsfachmann zählt  die 2 Anweisungen so verschmolzen auf als wären sie das immer schon gewesen.

Jesus bestätigt ihm: „Du hast richtig geantwortet.“ Lukas stellt damit Jesus als Autorität über den Rechtsgelehrten. Jesus stellt ihm das Zeugnis aus.

Von den Opferhandlungen ist keine Rede, weil zur Zeit des Lukas der Tempel bereits über 20 Jahre zerstört ist und es längst keine Opfer mehr gibt.

Jesus kommt zurück zur Ausgangsfrage nach dem unbefristeten Leben und fordert ihn auf: „Tu das und du wirst leben!"

Der Jurist lässt nicht locker und hakt nach: „Wer ist mir als Mensch ein Genosse. Wer ist mir Nachbar im Menschsein? Wer gilt als mein Mitmensch?“ Das ist eine typische Frage in der westlichen Welt, wo Lukas beheimatet ist, also nicht so sehr in der jüdischen oder orientalischen Gesellschaft. Obwohl für Jesus die Frage seltsam war, griff er sie (laut Lukas !) auf und schilderte ein Beispiel, das gut in die Landschaft nahe bei Jerusalem passte. Von der Hauptstadt führte in Richtung Osten eine stark frequentierte, aber unwegsame Straße durch die Wüste hinunter nach Jericho – immer abwärts. (Heute ist es eine 6 spurige Autobahn) Sie war kurvenreich und man sollte sie nicht ungeschützt bereisen, weil in Seitentälern Straßenräuber versteckt sein konnten. Einem Reisenden ist dieses Missgeschick widerfahren. Er ist in die Hände von Räubern gefallen. Sie haben ihn von allen Seiten angegriffen. Ob er viel Wertvolles bei sich hatte, ist nicht klar. Jedenfalls haben sie ihn ausgeplündert und ausgezogen. Am Schluss haben sie ihm noch Schläge zugefügt und damit schwere Wunden zugefügt. So sind sie weggegangen und verschwunden. Sie haben ihn einfach liegen gelassen. Er erweckte den Eindruck, halb tot zu sein. Ein Priester ging gemäß seiner Dienstordnung vom Tempel wieder zurück nach Hause. Er kam dort vorbei und sah ihn. Er wechselte auf die andere Seite und ging weiter. (Das griechische Wort heißt ANTI –PAR-ELTHEN. „Anti“ sagt ausdrücklich, dass er auf die gegenüberliegende Seite gegangen ist. Er ist nicht bloß vorübergegangen, wie die Einheitsübersetzung schreibt.) Ebenso kam ein Levit. Leviten sind eine besondere Gruppe im religiösen Judentum. Beim Vorlesen der Mosebücher und des Gesetzes haben sie den Vorrang. Der sah ihn, wechselte die Seite und ging vorbei. Dann aber kam ein Samariter, der unterwegs war, an den Ort. (Samariter galten allgemein im Judentum als Abtrünnige im Glauben. Sie verehrten Gott auf eigenwillige Weise und wurden von den rechtgläubigen Juden verachtet) Der sah ihn und es ging ihm nahe. Er scheint sich gesagt zu haben: „Den kann man nicht so einfach liegen lassen.“ Es leitete ihn nicht das edle Empfinden der Barmherzigkeit (Das Wort steht nicht im Originaltext, sondern es hat ihn innerlich zusammen gekrampft. So etwas mitanzusehen. So näherte er sich ihm. Er begann mit der Notversorgung: Den Wein aus seinem Reisegepäck  verwendete er zur Wundreinigung und Desinfektion. Das Speiseöl als Wundsalbe. Er verband die Wunden. Mit vereinten Kräften versuchten sie, dass der Verwundetet auf dem Reittier zu sitzen kam. Er scheute sich nicht sein eigenes Reittier mit Blut zu verunreinigen. So führte er ihn in die nächste Herberge, von denen es auf der 30 km langen Wüstenstrecke einige gab. Er reiste nicht sofort weiter, sondern kümmerte sich fürsorglich um ihn. Am nächsten Morgen grub er aus seiner versteckten Tasche zwei Denare heraus. (wörtlich: er warf sie heraus!) und gab sie dem Betreiber der Herberge und sagte: „Kümmere dich um ihn. Was du an zusätzlichen Ausgaben für ihn hast, das geht auf meine Kosten. Ich übernehme das. (Das Ich ist betont!). Ich werde es dir rückerstatten, wenn ich wieder komme.“ Wer von diesen dreien erscheint dir, dass er zum Mitmensch geworden ist für den, der unter die Räuber gefallen ist? Der Rechtsgelehrte sagte: Derjenige, der Barmherzigkeit geübt hat. Der Mitleid empfunden hat und zur Tat geschritten ist. Dieser Abschluss der Geschichte  stammt wohl aus der Feder des Lukas, nicht aus dem Mund Jesu, weil sich Jesus nicht so kompliziert auszudrücken pflegt. Lukas versucht hier einen schriftstellerischen Kunstgriff: Am Beginn ging es noch darum, dass man sich um den Mitmenschen kümmern solle. Am Schluss steht der als Mitmensch da, der sich gekümmert hat. Mit diesem Wortspiel will Lukas seine Leser hellhörig machen, dass Mitmenschlichkeit gegenseitig hilfreich ist. Wer hilft, steht am Ende als der Bereicherte da. Ganz zuletzt lässt Lukas Jesus sagen: „Geh also. Wir brauchen das Gespräch nicht in die Länge zu ziehen, sondern du kannst in dein Lebensfeld zurückkehren. Jetzt bist du selber dran: Wenn du in eine ähnliche Situation kommst, verhalte dich genauso.“ Wenn Lukas heute ein Regisseur wäre, würde der Jesus in seinem Film  aus der Szene heraus die Zuseher anblicken: „Jetzt liegt es an dir, in dieselben Weise zu handeln und dieselbe bereichernde Erfahrung zu machen.“

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