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23. Aug 2020

21.Sonntag im Jahr.kr.

Frage: Wer bin ich für euch?

Matthäus 16,13-20

Jesus wanderte in den äußersten Norden des Landes, nach Cäsarea Philippi. Die Stadt lag am Fuß des mächtigen Hermon-Bergmassives. Sie war die Sommerresidenz jenes der drei Herodes-Söhn, der die Gaulanitis (= heutiger Golan) von Vater Herodes dem Ersten erhalten hatte. Reste der Festung sind noch erhalten. Sie gehört heute zum israelischen Nationalpark Banjas. Den Besuchern geht es aber eher um das grüne erholsame Quellgebiet. Dort entspringt nämlich die mächtigste Quelle des Jordan. Es lässt sich auch in der heißen Jahreszeit dort angenehm flussabwärts wandern. Jesus ging mit seinem engeren Schülerkreis in diese Gegend, bevor er den letzten Weg nach Jerusalem mit ihnen antrat. Die Ausbildung bei ihm als Lehrer und Meister erstreckte sich nun schon über fast drei Jahre und Jesus fand es an der Zeit, mit ihnen ein Grundsatzgespräch zu führen und sie zu befragen. Er stellte nicht Prüfungsfragen, wie sie Lehrer stellen, die angelerntes Wissen abfragen. Sie hatten ja nicht Bücherwissen bei ihm gelernt, sondern ihn selber tiefer kennengelernt. Er selber war der „Lehrstoff“. Er begann also ein Gespräch zu führen, das sich mit den Kernfragen seiner Sendung befasste. Die Fragen zielten auf ihn selber, wie er wirkte auf die Menschen, was seine Botschaft auslöste und sein Tun veränderte.

Reiflich überlegt ging er die Befragung an: Zunächst wollte er von ihnen herausfinden, wie die Bevölkerung über ihn dachte, welche Meinungen über ihn im Umlauf waren. Da kam kein einheitliches Ergebnis: Einige hielten Jesus für eine Neuauflage des Johannes, jenes spirituellen Wegweisers, der zahllose Pilger eingetunkt hatte in den Jordan und der ein neues Zeitalter angekündigt hatte. Andere sahen in Jesus den hoch geschätzten Propheten Elia. Er war ja vor Jahrhunderten in den Himmel entschwunden am Ende seines Lebens. Von dort würde er wieder kommen und nun sei er in Jesus wieder da. Wieder andere hielten Jesus für den Propheten Jeremia, der durch seine unbequeme Botschaft immer wieder in lebensbedrohliche Situationen geriet. Auch noch andere große Gestalten aus der Tradition kamen in Frage für die Verkörperung Jesu. Dies waren alles hoch geschätzte und als Heilige verehrte Personen aus der Vergangenheit. Jesus ging nicht näher auf diese Antworten ein. (Heute könnte man das als „Umfrage-Ergebnisse“ erachten, die ihm nicht wirklich wichtig erschienen). Diese Erhebung war für ihn nur das Vorspiel zur eigentlichen Frage. Ihm ging es im Grunde darum, zu hören, wie sie selber zu ihm standen. So sagte er: „Ihr hingegen, was ist eure Meinung über mich? Als wen erachtet ihr mich? Wer bin ich für euch?“ Da lag jedem von ihnen ein Geständnis der Sympathie auf der Zunge, aber sie hielten sich wohl zurück, als erster zu reden. So machte sich Simon Petrus zum Sprecher für alle: „Du bist für uns die Hoffnungsfigur, bist der Gesalbte, nach dem sich unser Volk sehnt. Du bist ermächtigt, uns in die schwierige Zukunft zu führen. Du bist derjenige, dem Gott die Führung anvertraut hat, als Erbe und als Sohn.“ Mit ein wenig Phantasie kann man als Leser sehen, wie die übrigen Elf zustimmend nickten. Petrus hatte in ihrem Sinne gesprochen.

Jesus ließ diese Aussage unkommentiert stehen. Er sagte weder „Richtig“ noch sonst etwas. Das Petrus-Wort  war weniger ein  Bekenntnis des rechten Glaubens als vielmehr der Sympathie, ein Geständnis des Zutrauens und der Freude seiner Schule anzugehören und mit ihm gemeinsam die bevorstehende „Wende“ zu gestalten. Zwar hat die kirchliche Tradition daraus im Lauf der Jahrhunderte eine dogmatische Aussage gemacht, aber das war sie ursprünglich weniger. Es war anfangs eine Aussage der Beziehung zum Meister: „Für uns bist du der Hoffnungsträger.“ Das ist in der Kirchengeschichte verloren gegangen. Ansätze zu dieser Kirchen-Entwicklung sind schon beim Evangelisten Matthäus  in den 80er Jahren zu spüren – nämlich in dem Petrus Zusatz, den wahrscheinlich er als Schriftsteller angefügt hat.

Matthäus lässt Jesus antworten: „Du bist zu beglückwünschen, Simon mit dem Familiennamen des Jonas. Nicht durch menschliche Anstrengung, nicht durch würdevolle Abstammung und adeliges Blut bist du zu dieser Äußerung fähig geworden, sondern weil es dir mein Vater in den Himmeln eröffnet hat. Es war eine >von oben< geschenkte Offenbarung. Nun bin ich es, der dir deshalb sagt: Du bist es, der ein Fels ist. Auf diesem Fundament werde ich meine regelmäßige Versammlung wie ein Gebäude errichten. Es wird Bestand haben. Der Eingang zur Totenreich wird nicht Überhand gewinnen über sie.“

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Das damalige Cäsarea Philippi ist heute ein Nationalpark in Nord-Irael, am Fuß der Hermon-Bergmassives.  Der Quellfluss, der hier entspringt, heißt Banjas. Hier lässt es sich auch in der Sommerhitze gut aushalten. Die dunkle Höhle in der Felswand galt als ein Eingang in die Unterwelt, in das Reich des Todes. Darüber erhebt sich eine massive Felswand.

Warum kann man sagen, dass dieser Zusatz aus der Feder des Matthäus stammt und was nützt uns dieses Wissen? Die Hinweise, die das schriftstellerische Eingreifen nahelegen, sind: „Mein Vater >in den Himmeln<“ ist typisch für Matthäus, er spricht auch gerne vom „Reich der Himmel“ statt „Reich Gottes“ – wie Jesus es genannt hat. Das Wort EKKLESIA für Versammlung, für Meeting, für regelmäßiges Treffen kommt im Munde Jesu nicht vor, genauso wenig wie der Vergleich mit einem Gebäude: „ … meine EKKLESIA aufBAUen“. Jesus sprach mehr vom „Säen“ und „Wachsen“. In der frühen Kirche hingegen ist das Gebäude als-Begriff für Gemeinde bald üblich geworden. Paulus nennt in den 50er Jahren die Gemeinde einen Bau: „Ihr seid Gottes Bau.“ (1 Kor 3,9) Weiter schreibt Paulus: „Ich habe wie ein weiser Baumeister den Grund gelegt. Ein anderer baut darauf weiter.“ Das seltsame Wort „Die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ meint wohl den Eingang zum Hades, das Tor zum Totenreich. Der Hades und der Zugang dazu sind eine Vorstellung aus der hellenistischen Vorstellungswelt, nicht der jüdischen Glaubenswelt. Dem Autor Matthäus ist diese griechische Legende willkommen, denn er hat offenbar das Bild von der Quelle in Banjas vor sich. Er scheint Ortskenntnis von Cäsarea zu besitzen (anders als etwa Lukas, der den Ort weglässt). Er weiß anscheinend, dass die dortige Jordan-Quelle unmittelbar aus einer riesigen Felshöhle heraus bricht. Der dunkle Wasserschlund galt als ein Eingang zur Unterwelt, zum Reich des Todes. Über dem dunklen Loch erhob sich eine starke, glatte Felswand. So entwirft Matthäus das einprägsame Bild: >Die Todespforte wird nicht über den Felsen kommen<. (Wer bei einer Israel-Reise den Schauplatz besichtigt hat, dem leuchtet das Bild sofort ein). Die Zusage von der Schlüsselgewalt stammt sinngemäß von Jesus. „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein“. Im Johannes-Evangelium sagt der Auferstandene: „Denen ihr die Sünden erlasst, dem sind sie erlassen. Denen ihr sie behaltet, sind die behalten.“ (Joh 20,23) Matthäus schreibt im Zusammenhang mit der brüderlichen Zurechtweisung: „Alles, was ihr auf Erden binden werdet, wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein.“ (Mt 18,18) Der Evangelist sieht in Petrus  somit nicht die oberste Kirchenleitung, also nicht das Petrusamt im heutigen Verständnis, sondern er spricht die Verantwortlichen in allen Gemeinden an. Wenn ein Verantwortlicher längere Zeit in die Schule des Lehrers Jesus gegangen ist und dann aus innerster Überzeugung sagen kann „Jesus ist meine Hoffnungsfigur“, dann ist er oder sie ein verlässliches Fundament der Versammlung, der EKKLESIA. Wer seiner Gemeinde glaubhaft die persönliche Sympathie für Jesus vermitteln kann, für den gilt die Zusage: Du bist ein solider Grund für den Aufbau des „Meetings“. Um solch eine Gemeinde braucht man nie besorgt zu sein. Die tödlichen Kräfte werden in ihr nie die Oberhand gewinnen. Der Zerfall kann so einer Gemeinschaft nicht drohen.

 

Damit der derzeitige Wandel der Kirche gelingt, sollte das sogenannte „Christus-Bekenntnis“ eher wie ein „Geständnis“ aufgefasst werden – vergleichbar mit einem Sympathie-Geständnis. Ab dem 5.Jahrhundert, als sich das Christentum zur Staatreligion gewandelt hat, wurde Christus immer mehr zur Kultfigur, er wurde der Allherrscher, der Pantokrator. Die prächtigen Gewölbe-Mosaike in Farben und Gold in den Basilliken bestätigen diese Entwicklung. Christus ist mehr und mehr zum Repräsentanten der Macht geworden. Die Kirche hat von den Gläubigen ein „Bekenntnis“ zu dem Christus-Herrscher verlangt. Als solchen sollten ihn die Gläubigen verehren. Heute ist die Zeit gekommen, dass Gemeinde-Verantwortliche an Jesus Sympathie gewinnen und dafür gelegentlich Rede und Antwort stehen.  Wenn die Gemeinden solche Personen als Basis, als Felsen bekommen – dann braucht einem nicht bang zu sein um den bevorstehenen Wandel der EKKLESIA in den kleinen Regionen und weltweit.

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