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12.Dez. 2021      3.Advent-Sonntag

Was sollen wir tun?

Lukas 3, 10-18

7-9 Da sagte er zu den Volksscharen, die hinauszogen, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Zorngericht entrinnen könnt? Bringt Früchte hervor, die eure Umkehr zeigen, und fangt nicht an, bei euch zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater! Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen dem Abraham Kinder erwecken. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.

10-18 Da fragten die Scharen Johannes den Täufer: Was sollen wir also tun? Er antwortete ihnen: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso.

Es kamen auch Zöllner zu ihm, um sich taufen zu lassen, und fragten: Meister, was sollen wir tun? Er sagte zu ihnen: Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist. Auch Soldaten fragten ihn: Was sollen denn wir tun? Und er sagte zu ihnen: Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!

Das Volk war voll Erwartung, und alle überlegten im Herzen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Christus sei. Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Schon hält er die Schaufel in der Hand, um seine Tenne zu reinigen und den Weizen in seine Scheune zu sammeln; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen. Mit diesen und vielen anderen Worten ermahnte er das Volk und verkündete die frohe Botschaft.

Am dritten Advent-Sonntag wird uns nochmals Johannes vor Augen geführt. Er redete denen ins Gewissen, die scharenweise zu ihm hinaus gepilgert waren. Sie hatten für einige Tage die Zivilisation verlassen und hatten sich auf den Weg gemacht. Sie kamen nicht vereinzelt, es kam nicht dann und wann einer zu ihm, sondern sie kamen in Mengen. Zu ihnen spricht  er in dringlichen Aufrufen.

In der kirchlichen Leseordnung sind die Aufrufe gekürzt. Die Lesung beginnt erst mit Vers 10, leider sind die drei Verse 7-9 weggelassen. Vermutlich will man die  dort enthalten Worte von der „Schlangenbrut“ den heutigen Hörern nicht zumuten. Wir lassen uns hier trotzdem auf die heftigen Worte ein, versuchen sie aber richtig zu verstehen.  

„Ihr seid der Nachwuchs von Schlangen. Diejenigen, die euch religiös großgezogen haben, das sind Lebewesen, die herumschleichen und Gift in sich haben. Die früheren Generationen haben euch religiöses Gift weitergeben. Hinterfragt das, was euch von Kind auf gelehrt worden ist. Achtet genau, von wem es stammt. Diese schädlichen Lehrer haben euch vorgemacht, dass ihr euch in Sicherheit wiegen könnt. Ihr braucht nur ins Gotteshaus zu kommen, eure Gaben abzuliefern und den Verantwortlichen gehorsam zu sein, dann wäre Gott mit euch zufrieden. Im Gegenteil: So etwas macht Gott wütend. Ihr werdet über eure Taten (!) zur Rechenschaft gezogen. Das wird von euch erfragt und zwar schonungslos. Es wird euch vor Augen geführt, was ihr versäumt habt. Gefordert wäre in eurem Glaubensleben ein mutiges Zupacken. Das wäre wichtig in eurem Umfeld. An dem fehlt es. Darum ist der Himmel zornig.

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Die Esel werden ausgiebig auf der Tenne herum getrieben , bis die Körner vollständig aus den Hülsen heraus getreten sind. Foto aus Santorin/griech.Insel. Erbsen ernten.

Macht also Früchte: Macht Obst, von dem sich andere Menschen sättigen und stärken können, Macht Getreide fürs Leben, von dem man Mehl mahlen und Brot backen kann. Es muss in eurem Leben ein Fruchtansatz erkennbar sein, der vergleichbar ist mit eurer Neubesinnung. Ihr habt euch hier am Jordan eintunken lassen.  Ihr seid durch das Untertauchen bei mir zu Einsicht gekommen, jetzt müssen Früchte folgen. Kehrt nicht zu dem Früheren zurück, wo euch eingeredet wurde: Wir stammen ja von Abraham ab, vom Urvater des Glaubens. Wir können uns in Sicherheit wiegen, weil die Verdienste des Vaters Abraham auf uns übergegangen sind. Ihm ist versprochen worden: Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Mit solchen Sprüchen beruhigt ihr euch selber noch.

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Schon hält er die Schaufel in der Hand, um seine Tenne zu reinigen. Spreu und Weizenkörner werden getrennt durch Hochschaufeln, der Wind weht die Spreu weg, die Körner fallen zu Boden.

Mit der selbstgenügenden Einstellung seid ihr keine Kinder Abrahams. Eines kann ich euch sagen: Gott ist in der Lage, dem Abraham geistliche Kinder zu erwecken aus diesen Steinen, die hier in der Wüste herum liegen. Ja, was ihr für leblos haltet, kann Gott zum Leben erwecken, mehr noch: er kann sie zu Söhnen und Töchtern des Glaubensvorbildes Abraham erwecken.

Die Axt liegt auch schon bereit, nicht um Äste zu stutzen, sondern sie setzt an der Wurzel an, damit die Bäume endgültig ausgehauen werden. Jetzt wird radikal ausgeschieden. Jeder Baum – wirklich ausnahmslos jeder – der keine schöne, erfreuliche Frucht macht, wird umgeschlagen, zu Brennholz zerkleinert, damit er wenigsten in den Feuerofen geworfen werden kann und er dort Hitze gibt. Dann ist er noch zu irgendetwas nützlich, nämlich zum Kochen oder zum Wärmen.

 

Nun setzt die vorgesehene Leseordnung ein:

Aus der Menschenmenge wurden ihm immer wieder dieselben Fragen gestellt: „Was also sollen wir machen? Du sagst: >Früchte machen!<, was meinst du damit genau?“ Johannes  gab klare Antworten und sagte zu ihnen: „Wer zwei Kleidungsstücke hat, die man auf dem Leib trägt, der teile sie mit dem Nichts-Habenden.“ (Nicht: „Er gebe eines dem, der keines hat“) „Wer Lebensmittel hat, tue dasselbe.“ (Nicht: „Wer zu essen hat“, sondern „Wer Speisen hat, Vorräte hat, genug im Schrank aufbewahrt hat.“)

Es kamen auch Zolleintreiber, das waren solche, die als unmoralische Menschen galten, weil sie auf schmutzige Weise zu viel Geld kamen. Sie hatten ernsthaft vor, ein neues Leben anzufangen, indem sie sich von Johannes untertauchen ließen. Sie sagten: „Du bist für uns ein Lehrer. Was sollen wir tun?“ Er sagte zu ihnen: „Es gibt festgelegte Steuersätze, nach denen ihr die Abgaben einheben könnt. Ihr dürft nicht mehr einfordern oder gar Druck machen auf die Leute, dass sie mehr zahlen. Das Eintreiben von überhöhten Beiträgen ist nicht in Ordnung.“ Männer, die im Militär ihren Dienst taten, fragten ihn genauso: „Und wir – was sollen wir machen?“ Von den Soldaten wird nicht berichtet, dass sie  eigens zu ihm gekommen sind und nicht, dass sie sich untertauchen ließen, sondern sie waren offenbar dort in der Nähe stationiert. So nützten sie die Gelegenheit, ihn zu fragen. Er sagte zu ihnen: „Erpresst von niemanden Geld mit Gewalt“ (wörtlich: schüttelt niemanden durch) „Beschuldigt niemand für Dinge und quält ihn nicht lange dahin – das heißt: Keine Folter!° Als Soldaten verdient ihr nicht schlecht. Die Entlohnung, die ihr bekommt, ist ausreichend, sie müsste euch genügen.“

 

Das Volk lebte damals in einer starken Erwartung. Mit „Volk“ sind nicht die Pilgerscharen gemeint, die zu Johannes kamen, sondern das gesamte gläubige Volk. Alle überlegten in ihrem Herzen über Johannes hin und her, ob nicht er der Gesalbte sei, den Gott erwählt hatte und den er wie einen König oder Propheten salben würde. Es waren nicht einzelne Pilger, die ihn dazu befragt hätten, sondern es lag die Frage in der Luft. Johannes bezog Stellung zu dieser Volkerwartung und sagte allen klar und immer wieder, was seine Mission sei: „Ich hier – ich tunke euch zwar ins Wasser ein. Aber kommen wird ein Stärkerer als ich. Er steht hoch über mir, so hoch, dass meine Größe nicht ausreicht, um das Lederband seiner Sandalen aufzuknüpfen. Auch er wird ein Eintauchen anbieten und durchführen, aber es wird Eintunken in den heiligen Hauch sein und in Feuer. Er hält schon die Schaufel in der Hand, um seinen Dreschplatz vollkommen zu reinigen und den Weizen in seine Behälter zu bringen. Die nutzlosen Hüllen um die Weizenkörner, die man Spreu nennt, lässt er ganz verbrennen im unauslöschlichen Feuer: Die Betonung liegt nicht auf der ewigen Dauer des Feuers, sondern auf der Unmöglichkeit, es zu löschen.

 

 Lukas hat einiges aus der vorgegebenen Quelle bezogen und einiges frei dazu ergänzt. Dabei hat er wieder sein poetisches Können bewiesen. Seine Vorlage war diesmal nicht das Markus-Evangelium, sondern die Redesammlung oder Logienquelle Q (so nennt sie die Wissenschaft). Sie ist ein sehr frühes Sammelwerk, das nur Reden (keine Taten Jesu) enthält – vielleicht verfasst in den 40er Jahren. Sie ist uns nicht mehr erhalten, aber Bibelwissenschaftler haben sie rekonstruiert. Johannes tritt auf als einer, der Klartext spricht, aber niemanden beleidigt. Wer das Wort „ihr Schlangenbrut“ als Vorwurf oder Beschimpfung auffasst, hat nicht verstanden, dass Johannes ein Mann der Barmherzigkeit war. Er hatte ein schmerzliches Mitgefühl, dass so viele Gläubige das Schlangengift weiter aufnehmen, das die Hüter der Religion verbreitet und in sie eingepflanzt hatten. Das ist die arrogante religiöse Selbstgewissheit. In Wahrheit sollten Gläubige etwas tun, also etwas hervorbringen, das den Glauben bestätigt. Ob sich Johannes auch wie ein Sozial-Reformer geäußert  hat, ist fraglich: Hat er tatsächlich aufgefordert, Kleidung und Essen zu teilen, hat er die Geldeintreiber und Waffenträger aufgefordert,  mit der unterlegenen Bevölkerung achtsamer umzugehen?

 

Eher stammt die dreimalige Befragung „Was sollen wir tun?“ aus der Feder des Lukas. In der Apostelgeschichte setzt er dieselbe Frage mehrmals nach erschütternden Ereignissen ein - Hier zwei Beispiele:

Nach dem Pfingstereignis tritt Petrus vor die Öffentlichkeit und spricht ergreifend zum jüdischen Volk. Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz, und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder? (Apg 2,37)   –   Zweites Beispiel: In Philippi sitzen Paulus und Silas im Gefängnis. Plötzlich springen die Türen auf durch ein Erbeben. Der Gefängniswärter wacht auf und glaubt, dass die Häftlinge entflohen sind. Er will sich selber das Leben nehmen, aber Paulus ruft laut: Tu dir nichts an. „Der Wärter führt sie hinaus und sagte: Ihr Herren, was muss ich tun, um gerettet zu werden?“

Lukas lebt in der römischen Welt, wo es Wohlstand, ja Überfluss gibt. Daneben wird die Armut vieler Mitbürger übersehen. Einige schlaue Herren haben sogar Unternehmen gegründet, mit denen sie den einfachen Leuten das Geld nur so aus der Tasche ziehen, und wenn sie nicht mehr zahlen können, wird entsprechend Druck gemacht. Das Militär ist allgegenwärtig. Mit der Waffe in der Hand sollte es für Sicherheit sorgen.  Soldaten gehen aber oft grausam mit der Bevölkerung um. Auf all das weist Lukas hin und versucht, wach zu rütteln. Das Thema Reichtum und Armut ist ein durchgängiges Thema in seinem Evangelium, darauf werden wir noch öfters stoßen. Sogar schon bald: Im Weihnachts-Evangelium, wo er die Hirten, also Menschen aus der Unterschicht, zu Hauptdarstellern macht.

Wir haben wieder etwas über Lukas und seinen Schreibstil gelernt. Es ist heute aktueller denn je. Kleidung: Wir tragen im Jahr 2021 Kleidungsstücke, die unter Leistungsdruck und mit Billiglohn in entfernten Ländern erzeugt werden. Nahrungsmittel: Wir werfen Brot tonnenweise weg, während 1 Milliarde Menschen hungert. Soldaten: Das Militär des Westens zwingt den unruhigen Ländern eine fremde Ordnung auf und hinterlässt nach Abzug ein Chaos in der Region. Zolleintreiber: Die Länder Afrikas leiden unter der Schuldenlast, die ihnen die reiche Welt auflädt. Kinder Abrahemas: Die Wohlstandswelt vertritt christliche Werte und Menschenrechte, aber nur dem Wort nach, nicht den Früchten nach. Was würde Johannes der Täufer heute sagen? Ist er nicht schon dort und da deutlich erkennbar in den mutigen und aufrechten Persönlichkeiten unserer Zeit? Bereiten diese starken, spirituellen Gestalten nicht bereits den Weg für das Kommen eines spannenden neuen Zeitalters? Es steht uns eine  Zeit bevor, wo wir in den Hauch Gottes eingetaucht werden, wo uns ein heilsamer Wind umweht, so wie er damals die umweht hat, die Jesus erlebt haben.

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