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22. Sept 2019
25.Sonntag im Jkr

Es ist klug, dem Schuldigen Nachlass zu gewähren.

Lukas 16, 1 - 13

Die nun folgende Lehrgeschichte ist so ungewöhnlich, dass sie den Rahmen des Anständigen sprengt und sie ist doch ganz aus der damaligen Welt gesprochen – aus einer Welt, in der Großgrundbesitzer so riesige Ländereien ihr eigen nannten, dass sie Verwalter brauchten, um den Überblick zu behalten über ihre Pachteinnahmen. Die zutreffende soziale Schilderung und der kühne Inhalt –  das ist der sicherer Hinweis, dass die Geschichte tatsächlich eins zu eins von Jesus stammt. In der Erstfassung (im Munde Jesu) galt sie seinen Begleitern, seinen engsten Mitarbeitern. Sie waren nun schon längere Zeit mit ihm gegangen, um von ihm zu lernen. Er hatte ihnen Basiswissen und Fähigkeiten vermittelt und früh auch Aufgaben anvertraut. Sie waren also der Schülerkreis, der bereits sein Können anwenden durfte Sie bekamen Instrumente in die Hand, die sie zum Wohl der Menschen einsetzen sollten und gleichzeitig damit Verantwortung übernahm. Die angehängten Schlussfolgerungen stammen aus späterer Zeit. Lukas hat schließlich vier Deutungssätze angefügt, die nicht mehr ganz zur ursprünglichen Aussage passen.

Hören wir zunächst auf Jesus selbst:

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Überschwemmung in Israel ist selten zu sehen. Der Bagger ist rasch zu r Stelle. Damals war das Graben von Männern händisch zu leisten: Schwerarbeit, der nicht jeder gewaschsen war.

Es war einmal jemand, der sehr reich war. Er verfügte über große Besitzungen, die er klarerweise nicht selbst bewirtschaften konnte. Er war so reich, dass es ihm nicht möglich war, alleine den Überblick über seine Ländereien zu behalten. Er lebte selber auch nicht dort, sondern dazu hatte er in jeder Region Verwalter eingesetzt. Für dieses Amt war nicht jeder Beliebige geeignet, denn es ging um viel. Der Verwalter stammte aus dem Land und von ihm erwartete er vollkommene Treue, also eine Liebe zu ihm als Großgrundbesitzer. Außerdem verlangte er Verlässlichkeit. Tugenden wie Sorgfalt waren ebenso gefragt. Sie war in den materiellen Dingen wie Geld dringend nötig und sie zeigte sich in der gewissenhaften Buchführung. Er brauchte nicht selbst zu arbeiten auf den Getreidefeldern oder in den Olivenhainen, aber er musste sie im Auge behalten. Er hatte sein sicheres Haus – vielleicht einen Gutshof inmitten der Ländereien oder einen kleinen Palast in der dortigen Provinzstadt. Dass die Aussaat des Getreides oder die Ernte der Oliven zeitgereicht geschah, darum kümmerten sich die Pächter, die wiederum Tagelöhner für die körperliche Arbeit einspannten. Somit musste der Verwalter auch regen Kontakt zu denen halten, die dem Boden die Erträge abzugewinnen hatten. Die Früchte sollten nach jeder Ernte-Saison in reichlichem Maß beim Großgrundbesitzer eintreffen – das erwartete er wie selbstverständlich.

Es wurde dem Besitzer zugetragen, dass dieser Verwalter seine Erträge verschleudere. Wer der Informant war, ob es eine Einzelperson war oder immer wieder andere, das ist jetzt nicht von Belang. Man legte dem Verwalter zur Last, dass er den Besitz fahrlässig veruntreuen würde und die Substanz schon schrumpfen würde. Es bestand für den Großgrundbesitzer der Verdacht, dass sein Eigentum nicht in zuverlässigen Händen war. Ob die Beschuldigung begründet oder eine böswillige Verleumdung war, bleibt offen. Eines stand fest: Der Besitzer verständigte ihn und rief ihn zu sich. Der Verwalter sollte erscheinen und Rede und Antwort stehen. Als er vor ihm stand, sprach der Reiche zu ihm mit klaren Worten: „Was höre ich da über dich?“ Das war eine ruhige und klare Frage. Es war noch keine Anklage, schon gar nicht eine Beschimpfung. Jetzt hatte er Gelegenheit, zu den vielleicht anonymen Anschuldigungen Stellung zu nehmen. Dann sagte der Reiche: „Du - du legst die Endabrechnung vor über alles, was ich dir zu verwalten anvertraut habe.“ (Das „Du“ ist betont im Evangelium). Er bekam dafür eine zumutbare Zeit, um die Buchhaltung abzuschließen und sauber vorzulegen. Der Besitzer wollte schlicht und einfach die geordnete Rückgabe des Amtes. Denn eines stand für ihn fest: „Du kannst nicht länger mein Verwalter sein.“ Aus diesem Abschlusssatz der Vorladung wird klar: Ganz gleich wie die Rechenschaft ausgeht, ob sie den Verwalter rein wäscht oder den Verdacht bestätigt, eine Fortsetzung des Amtes kommt nicht in Frage. Dazu ist das Vertrauensverhältnis zwischen Verwalter und gewissen Pächtern zu sehr belastet. Wie der Verwalter auf das Gespräch reagierte, wird in der Geschichte nicht berichtet. Offenbar hat er betroffen geschwiegen, es gab wohl nichts zum Abstreiten.

Daheim angekommen führte er Selbstgespräche. (Nicht: Er überlegte, wie die Einheitsübersetzung schreibt, sondern „er redete in sich hinein.“) Dabei wiederholte er für sich die Frage: „Was werde ich tun? Der Herr nimmt von mir die Verwaltung weg.“ Es stand fest, dass er aus der Verwaltungsfunktion enthoben würde. Das würde seinen finanziellen und sozialen Absturz bedeuten. Er sagte sich: „Für Grabungsarbeiten gäbe es sofort wieder Jobs. Aber dafür bin ich nicht kräftig genug. Sozialhilfe in Form von Betteln in Anspruch zu nehmen ist unter meiner Würde. Das wäre zu beschämend.“ Plötzlich rief er: „Jetzt kommt mir die Idee! Das werde ich tun. Wenn ich von dem Verwaltungsposten abgesetzt bin und aus der Dienstvilla entfernt bin, sollen sie mich in ihre Häuser aufnehmen. Die Pächter – denen geht es ja gut, sie haben genug Häuser. Sie sind genauso Gauner. Sie schieben große Schulden vor sich her. Missernten täuschen sie vor und erfüllen ihre Pacht-Verpflichtung nicht. Auf ihren Schuldscheinen stehen große Summen. Noch habe ich das Amt und noch kann ich Schulden erlassen. Von diesem Recht mache ich nun Gebrauch.“

Er rief jeden einzelnen von den Schuldnern seines Herrn zu sich. Es gab offenbar etliche, die beim Herrn in der Schuld standen. Er sagte zum Ersten: „Wieviel schuldest du meinem Herrn?“ Nicht er rechnete die Schuld vor, sondern er ließ dem Schuldner selbst das Geständnis machen. Der sprach: „Hundert Bat Olivenöl.“ (Das in der römischen Welt gebräuchliche Hohlmass war 1 Bat, es umfasste etwa 40 Liter. Man könnte es mit „Fass“ übersetzen.) Der Verwalter zog den Schuldschein hervor und las nach, er stimmte genau mit der Selbsteinschätzung überein. Dann sagte er zum Pächter: „Da, nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib fünfzig! Frag nicht lang, weshalb? Schnell! Schreib es einfach um!“ Zum nächsten, der Getreidefelder in Pacht hatte, sagte er: „Du – wieviel bist du schuldig?“ Der wusste es genauso klar: „100 Kor Weizen.“ (Ein Kor könnte man mit „Sack“ übersetzen. Es umfasste 400 Liter). „Nimm die schriftlichen Aufzeichnungen und schreibe 80.“

Der Herr fand anerkennende Worte für den Verwalter und seine Vorgangsweise, die nicht der Rechtsnorm entsprach. Vielleicht hatte er ein Schmunzeln um den Mundwinkel, als er sagte: „Es war zwar unrechtmäßig, aber er hat nachgedacht, eine kluge Entscheidung getroffen und vernünftig gehandelt.“ (Mit dem „Herrn“ ist eindeutig Jesus selbst gemeint, gerade im literarischen Werk des Lukas.)

Jesus ergänzte noch: „Die Söhne des Wirtschaftslebens, so wie es in dieser Welt üblich ist, sind vernünftiger, wenn sie mit ihren Berufskollegen umgehen. Sie sind vernünftiger als die Söhne des Lichts, wie die sich untereinander verhalten.“ Wen meinte Jesus mit Söhnen des Lichts? Die religiöse Elite-Gemeinschaft der Essener nannte sich damals „Söhne des Lichts“. Sie bemühten sich möglichst tadellos und rein zu leben. Eines ihrer Hauptthemen war „die Schuld, die Sünde“. Von ihr musste man sich vor Gott immer wieder reinigen und untereinander kannten sie wenig Gnade. Für Jesus war es ebenso klar, dass Schuld ein Menschheitsthema war. Seine Lösungsansatz war von Grund auf anders: Sich gegenseitig nicht ständig die Fehler vorhalten! Verzeihen! Wieder neu anfangen, sich gegenseitig eine neue Chance geben! Immer und immer wieder. Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Vergebungsfähigkeit und dem eigenen Unbelastet-Sein. Für Jesus ist diese Haltung so wichtig, dass er sie in seine Gebetslehre einbaut: „Du, Vater, vergibst uns unsere Schuld, wie auch wir bereit sind, unseren Schuldigern zu vergeben.“

 

Diese kühne Geschichte hat Jesus wohl seinen engeren Begleitern aus 2 Gründen erzählt:

1. Er wollte ihnen in aller Deutlichkeit bewusst machen: „Ihr seid Verwalter großer geistlicher Fähigkeiten. Hütet euch davor, sie zu verschleudern. Die Stunde der Wahrheit wird kommen. Ihr werdet zur Rechenschaft gezogen.“ Dies ist bis heute eine Mahnung an alle, die ein geistliches Amt innehaben. Ein Wort des Paulus an die Korinther verdeutlicht das: „So soll man uns betrachten: als Diener Christi und als Verwalter von Geheimnissen Gottes. Von Verwaltern aber verlangt man, dass sie sich als treu erweisen.“ (1Kor 4,1f)

2. Das geistlichen Amt vermittelt allen, denen es übertragen wurde, das Recht, Menschen von ihren selbst verschuldeten Lasten zu erleichtern. Seelische Not ist so oft mit persönlicher Schuld verbunden. Die „Verwalter der Geheimnisse“ haben als Werkzeug heilsame Worte zur Verfügung, um Belastete aus dieser Not zu retten. Es ist kein großer Aufwand, es lässt sich „schnell“ anwenden. Die Amtsinhaber dürfen und sollen davon Gebrauch machen.

Lukas greift noch Stickworte auf nämlich „Reichtum“, „Zuverlässigkeit“ und „Treue dem Herrn gegenüber“ Er hängt von daher noch weitere Deutungen an.

Zuerst richtet er sich an die Wohlhabenden in der Gemeinde: „Ihr sollt nicht glauben, Geld sei etwas Sauberes. Nein, es hängt weltweit gesehen viel Unrecht daran, ja sogar etwas Dämonisches. Wer viel Geld hat, sollte schauen, dass er Stimmen gewinnt damit – nicht um politisch hoch zu kommen. Nein, es geht bei jedem Menschen einmal zu Ende. Bei der letzten Rechenschaft über das Leben wird es eine Frage sein, ob für euch einen Wohnung bereit ist. Da werden die Stimmen wieder erklingen, die euch dankbar sind für die finanzielle Unterstützung damals – zu Lebzeiten.“

Dann erwähnt Lukas Prüfkriterien, ob jemand für ein hohes geistliches Amt geeignet ist. Manche verfolgen es leider mit Ehrgeiz, ohne sich in den kleinen Bereichen als gewissenhaft erwiesen zu haben.

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