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26. Juli 2020

17.Sonntag im Jahr.kr.

Der Schatz im Acker

Matthäus 13,44-52

Wieder erweist sich Jesus als brillanter Erzähler. Die Geschichte vom Menschen, der einen Schatz im Acker findet, ist kurz und einfach und dennoch eindrucksvoll. Sie weckt beim gewöhnlichen Hörer Sehnsüchte oder Neid, je nach der Verfassung. Für die Verständigen ist sie darüber hinaus eine verschlüsselte Lehrgeschichte. Der Evangelist Matthäus hat mehrere davon in diesem Kapitel zusammen gestellt und hat die Sammlung mit der Feststellung begonnen: Hier geht es um verschlüsselte Aussagen, die über die kommende Weltordnung aufklären. Den Schlüssel dafür haben die bei Jesus Lernenden schon erhalten. „Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreiches zu verstehen, ihnen aber ist es nicht gegeben.“ (Mt 13,11) Jede Lehrgeschichte beleuchtet einen anderen Aspekt dieses aufstrebenden Imperiums, das er Reich der Himmel nennt.

Wir könnten mit einer einfachen Methode jeder für sich die Probe machen, was diese Geschichte „bei mir“ auslöst, was nachhaltig hängen bleibt und was ich unauffällig übergehe. Wir lesen den Text durch und schreiben ihn eine Stunde später frei aus dem Gedächtnis nieder. Dann legen wir den Bibel-Text daneben und vergleichen mit dem Rotstift in der Hand. Wir werden staunen, welche Feinheiten wir nicht präzise oder gar nicht wiedergegeben haben.

Schätze haben immer etwas Geheimnisvolles an sich, etwas noch nicht Entdecktes. Das gilt auch für Kunstschätze, selbst wenn sie gar nicht versteckt, sondern öffentlich zuganglich sind - hier ein Ausschnitt von St.Wolfgang

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 Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Der Original-Text sagt nicht „in einem Acker“, sondern in „dem“ Acker. Das könnte darauf hindeuten, dass nicht ein Acker, sondern „das Land“ gemeint ist, im Gegensatz zur Stadt. Es war irgendwo am Land, dass der Schatz verborgen lag. Statt „Vergraben“ (griechisch KRYPTO)  sollte man eher mit „verborgen, versteckt, zugedeckt“ übersetzen. Eine Text-Parallele beweist dies: „Jesus ging weg und verbarg sich vor ihnen.“ (Joh 12,36) Dann wäre der Schatz nicht tief vergraben, sondern nur zugedeckt und es kam ein kleines Eck zum Vorschein. Die Geschichte beginnt bewusst mit einem Schatz, so als ob er das Wichtigste wäre nicht der Entdecker ... so als ob der schon „ewig“ da liegen würde, nur wartend, dass ihn jemand findet.

Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Der Original-Text nennt nicht einen Mann, sondern einen Menschen (griechisch ANTHROPOS). Er fand ihn – ohne bewusst danach gesucht zu haben. Er hatte sich nicht auf die Suche gemacht, weil er etwa geheime Hinweise auf den Schatz erhalten hatte. Die Übersetzung „er entdeckte ihn“ könnte die Interpretation in solch eine Richtung lenken. Aber im Original-Text steht nur ganz einfach „er fand ihn“. Wieder ist nicht vom „eingraben“ die Rede, sondern vom „verbergen“, sodass der Schatz nicht mehr sichtbar war. Dasselbe Wort kommt in einem anderen Gleichnis vor: „Es ist wie der Sauerteig, den eine Frau unter drei Sea Mehl verbarg, bis das Ganze durchsäuert war.“ (Lk 13,21)

Und in seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß. Seine Freude war übergroß. zuerst mahnte sie ihn zur Vorsicht: "Weg von hier! Möglichst unauffällig!" Sie ermutigte ihn zu etwas Heldenhaften: Er sagte sich: „Dafür setze jetzt alles ein, alles, was ich habe.“ Wieder steht es eine Feinheit anders im Original-Text: „Alles, was er hatte“ (nicht >besaß<). Damit liegt die Betonung nicht am Besitz, sondern „alles, was er zur Verfügung hatte. Alles was er geben konnte. Er setzte alles dran)“ Das kling existenzieller als Besitz.

und kaufte den Acker. Er kaufte genau „jenen“ Acker, betont der Original-Text. Beim Kaufen liegt die Betonung auf dem Ankauf, auf Heraus-Kaufen, sodass er nicht in fremden Hände kommt. Paulus verwendet das Wort einmal im Brief an die Korinther: „denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft“ (1Kor 6,20)

 

Die Zuhörer oder die Leser könnten nun fragen: „Und? Erzählst du nicht weiter? War das alles?“ Ja, hier endet die Geschichte. „Jetzt seid ihr dran.“ Wir erfahren nicht, wie er den Schatz gehoben hat: Sofort? Oder hat er nach und nach ein paar Goldstücke heimgebracht, damit sein plötzlicher Reichtum nicht auffällt. Wer hat davon als Erster erfahren? Wie rasch? War man es ihm neidisch oder beglückwünschte man ihn? Jesus hat hier bewusst abgebrochen. Damit lässt er den Hörer nachdenken: Hat der Mann gleich bei der Auffindung den Schatz geprüft? Wieso war er sich so sicher, dass es dafür steht, alles zu verkaufen und den Acker anzukaufen? Hat ihn jemand für verrückt gehalten, weil er es auf den „blöden“ Acker abgesehen hatte? Der Ankauf und damit der Erwerb des noch versteckten Schatzes war kein Betrug. Es ging nicht mit unlauteren Mitteln zu. Hat Jesus diese Geschichte frei erfunden oder gab es solche Fälle damals in seinem Land? Wusste er von einem Fall? Wussten seine Zuhörer von einem solchen Beispiel oder war es ein Wunschtraum in vielen Köpfen? Sonst ist man ja von Jesus Alltagsgeschichten gewohnt, was die Bevölkerung tatsächlich erlebt. Die gestaltet er um in Lehrerzählungen. Diesmal ist es anders: Jesus weiß von Beispielen, wo nicht die Realgeschichte, sondern das Gleichnishafte geschehen ist: Zuhörer haben nach seinen Geschichten und in seiner Lehre etwas gefunden, das für sie ein Schatz wurde. Das ist bis heute so: Teilnehmer von Bibelrunden bekennen am Schluss des Abends: "So oft bin ich schnell und flüchtig vorbei gegangen an dem Bibeltext und habe den Schatz darin nicht erkannt. Diesmal haben wir sorgfältig hingeschaut und ich habe Edelsteine darin gefunden. Ich gehe weg mit dem Wunsch, alles dafür zu geben, dass ich mehr von dem Schatz für mich freilege."

 

Matthäus schließt den Reigen der Lehrgeschichten mit dem Wort: „Jeder Schriftgelehrte also, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt.“ (Mt 13,52) Vermutlich gibt sich hier Matthäus selbst zu erkennen. Er dürfte ursprünglich ein jüdischer Gelehrter der Heiligen Schriften gewesen sein und dürfte zu Jesus, dem Messias gefunden haben. Was meist mit „Jünger“ übersetzt wird, der er geworden ist, heißt hier ausdrücklich „Lernender“, griechisch MATHETEUTHEIS. Es könnte ein Wortspiel mit MATTHÄUS sein (hebräisch Mattitjah) . Er bekennt, dass aus ihm, einem religiös Wissenden ist ein Lernender im Vertrauen und Glauben geworden ist und er ist mit dem Lernen immer noch nicht am Ende. Er holt aus altbekannten Bibeltexten immer wieder etwas Neues hervor und vermittelt es in seinen Hausrunden. Er macht Fortschritte und reift immer mehr hinein in die Herrschaftsordnung Gottes. Er ist Hausherr, in dessen Gebäude sich Glaubens­runden treffen.  Matthäus stellte dieses „Selbstbildnis“ gezielt in die Nähe der Lehrgeschichte vom gefundenen Schatz.

Er will damit viele heutige „Wissende in der Religion“ herausfordern. Hat er sich früher doch auch die Religion aus gelehrten Büchern aneignet und konnte zu jedem Bibeltext etwas predigen. Auf Wissensvermittlung baute er seinen Lehrbetrieb auf. Jetzt ist er von Freude erfüllt, sie ist zur treibenden Kraft geworden. Er ist dankbar, dass er den Schatz gefunden hat. Vorher ist er von einem Termin zum nächsten gehetzt und ist vorbei geeilt an dem Schatz. Nur einmal ist er langsam spaziert und hat die Natur beobachtet und dabei hat er den Schatz gefunden. Seither achtet er viel mehr auf das Langsame und Bedachte. Früher hat er sich als Gelehrter der Bibel verausgabt und ist als Wissender vorne gestanden, jetzt ist er innerhalb der Hauskreise zu einem Lernenden geworden. So könnte Matthäus für manche Heutige ein Ansporn sein.

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