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5.Sept. 2021      23.Sonntag im Jahreskreis

Hinhören und Klartext reden lernen

Markus 7, 31-37

Jesus verließ das Gebiet von Tyrus wieder und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekapolis. Da brachten sie zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, er möge ihm die Hand auflegen. Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm: Effata!, das heißt: Öffne dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden. Jesus verbot ihnen, jemandem davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr verkündeten sie es. Sie staunten über alle Maßen und sagten: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen.

Wer sich mit der Überschrift „Heilung eines Taubstummen“ vorschnell begnügt, der muss prüfen, ob er nicht selber taub und stumm ist – im übertragenen Sinn. Er hat die Feinheiten im Evangelium nicht gehört.  Und er kann nicht reden über jemanden, der von Hör- und Sprachstörung Betroffenen. Gehörlose bezeichnen sich selbst nie als taubstumm und sie möchten auch nicht als solche bezeichnet werden. Dies gilt es zu respektieren. Ihr Gehör ist zwar geschädigt, aber sie können vieles aufnehmen. Ihr Sprechvermögen ist eingeschränkt, aber sie können sich verständlich machen. Die schnelle Überschrift regt auch nicht an, die Wirkung dieser Bibelstelle zu beschreiben: Die Schilderung im Evangelium reicht weit über den damaligen einzelnen Betroffenen hinaus, sie wirkt von damals bis in unsere heutige Zeit, in eine Zeit der Bild-Überflutung und der Verarmung an sorgfältiger Sprache. Die frühere Einheitsübersetzung von 1979 übersetzte dann: „Da brachte man einen Taubstummen zu Jesus und bat ihn, er möge ihn berühren.“ Diesen Vers hat die revidierte  Einheitsübersetzung von 2017 dem Urtext entsprechend richtig gestellt: „Da brachten sie zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, er möge ihm die Hand auflegen." Die Überschrift haben sie in der revidierten Übersetzung leider doch beibehalten.

Wenn wir das Markus-Evangelium mit den anderen Evangelien vergleichen, um nachzusehen, wie sie diese Heilungsgeschichte beschreiben, werden wir sie nirgends finden. Das ist verwunderlich, wo doch Lukas und Matthäus das früher abgefasste Markus-Evangelium sonst als Vorlage nehmen. In den beiden späteren Evangelien ist zwar ein Fall von Stummheit beschrieben, aber keiner von Taubheit. Siehe Mt 9,32-34 // Lk 11,14f. Darin hat das gestörte Sprechvermögen nicht organische Ursachen, sondern es rührt von einem dämonischen Ursprung her. Der zwischenmenschliche Umgang sei dadurch gestört ebenso wie die Beziehung zu Gott, weil der Stumme nicht in der Lage sei, Gott zu loben oder vor ihm zu klagen. Er sei zu keinem lauten Gebet fähig. Durch einen Messias, der diese Sprech- und Hör-Störung beheben könne, würde die Heilszeit anbrechen. Deshalb schreibt Lukas: Es kamen zwei Johannes-Jünger. Sie waren geschickt worden, um zu fragen ob er, Jesus, der Erwartete sei oder ob sie auf einen anderen warten sollten: Jesus antwortete: "Geht und berichtet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen, und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet.“ (Lk 7,22) Damit hat Jesus aufgezählt, woran die Heilszeit zu erkennen wäre. Wer diese Zeichen tut, müsse der Messias sein.

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Die Gehörgänge führen in das Innere des Schädels so wie die Felsengänge in die Höhle. Wer in die Ammud-Höhle in Galiläa eintritt, ist beeindruckt von ihrer gewaltigen Größe. Anfang der 1960er Jahre entdeckten hier japanische Archäologen einen Neandertaler-Schädel.

Warum also fehlt bei Lukas und Matthäus diese eine Heilung? Vielleicht verwendeten sie eine Frühfassung des Markus, in der die Begebenheit noch nicht enthalten war. Es könnte sein, dass  sie Markus in seiner zweiten Buchauflage nachgeholt hat, also hinterher eingefügt hat, weil es ihm noch recht wichtig war. Dies wird in der neueren Bibelwissenschaft als Lösung vorgeschlagen. Es möge für uns nur ein kleiner Abstecher in die exegetische Wissenschaft sein. Nehmen wir uns nun den Text sorgfältig vor und achten wir auf die bewusste Wortwahl des Evangelisten.

Fangen wir bei unserer Betrachtung mit den beiden Schlusssätzen an: Satz 1: „Er hat alles gut gemacht.“ Das ist eine deutliche Anspielung auf den Schöpfungsepos, bekannt als das 7-Tage-Werk: Nach jedem Evolutionsschub, nach jedem Schöpfungstag, heißt es: „Gott sah, dass es gut war.“ Nach dem 6.Tag heißt es sogar gesteigert: „Gott sah alles an. Und siehe es war sehr gut.“ Nachzulesen in Genesis 1! Im Schlusssatz 2 greift Markus einen Heilsruf aus dem Prophetenbuch Jesaja auf: „Dann werden die Augen aufgehen und die Ohren der Tauben werden geöffnet. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch und die Zunge des Stummen frohlockt.“ (Jes 35,5f). Es heißt nicht: „Taube hören“, sondern „die Ohren ... werden geöffnet“. Es heißt auch nicht der Stumme spricht, sondern „die Zunge ... frohlockt“. Das klingt nach Lobpreis Gottes.

Bei Markus sind solche Rückverweise auf die jüdische Bibel außergewöhnlich, bei Matthäus hingegen häufig. Wer immer diese 2 Schlusssätze eingeflößt hat, er scheint damit auszudrücken: Wenn einer im Stande ist, die Hörfähigkeit des Menschen wiederherzustellen, wirkt er wie der Schöpfer, stellt er das Paradies wieder her. Menschen zum Hinhören zu befähigen, ist „sehr gut“. Wer Sprachbarrieren zwischen Gruppen oder Einzelnen abbaut, tut etwas Göttliches. Es gibt Abtrennungen, die in  unserer Welt Beziehungen verhindern und die  Menschen krank machen. Wer die Trennwände durchdringt, der bringt vieles wieder in Ordnung. Beschrieben wird hier zwar ein einzelner Heilungserfolg Jesu, aber wir dürfen ihn vom Schlusssatz her gesellschaftsweit deuten. Während Markus mit der Endredaktion seines Evangeliums beschäftigt war (um das Jahr 70 in Rom), konnte er aus seiner Gemeinde-Erfahrung bestätigen: Viele Mitglieder haben, seit sie dabei waren, gelernt,  klar zu sprechen. Die Gemeinde ermöglichte es gerade den sozial Benachteiligten, die bisher nirgends Gehör gefunden hatten. Hier durften sie über sich sprechen, über ihr Leben, ihre Not und Freuden. Erst nach dem Ausreden gaben die Lehrenden ihre Antwort darauf. Die Lehrer und Vorsteher waren zuerst Hörende und  daraufhin vermittelten sie Lebenswahrheiten. Das war ungewöhnlich gerade in der reichen römischen Welt, wo nur die Großen das Wort hatten und die Kleinen verstummten. Die Gemeinde verwirklichte die  Vision einer heilsamen Welt. Diese Vision ist in der heutigen, modernen Welt mehr gefragt denn je. Unsere Zeit ist bildlastig - das achtsame Gespräch kommt zu kurz. Wir werden von Kurz-Zeilern überflutet, schlampige Wortfetzen huschen von Handy zu Handy - ergänzt von wortlosen Smileys. Man kann in den digitalen Sozial-Medien als „Freund“ aufgenommen werden, ohne jemals ausführlich miteinander gesprochen zu haben. Wer in solch einer flüchtigen, trockenen Welt das Gespräch von klein auf bewusst fördert, bei Kindern und jungen Schülern, der tut etwas Visionäres. Er bricht die Gehörgänge nach innen auf. Wer selber ein klares, deutliches Wort spricht und damit sein Gegenüber dazu genauso ermutigt, hat vieles „gut gemacht“. Er verwandelt die Welt des Stammelns und Lallens in das Paradies des Klartextes. Das hat schon der Verfasser des Jesaja-Textes Jes 35 um etwa 700 v.Chr. ersehnt: "Dann werden die Ohren der Tauben geöffnet werden ..."  Jesus hat diese Vision wahr gemacht. Er hat sie in die Tat umgesetzt. Von seiner Nachfolge-Gemeinschaft erwartet er, dass sie die Vision fortsetzt. Die Kirchen sind  ihm das schuldig: Gesprächsrunden, in denen das Hinhören der erste Schritt ist. Gehörgänge im übertragenen Sinn  zu öffnen, das hat Jesus unermüdlich getan: Er hat Sprachbarrieren abgebaut! Einmal hat er eben sogar einen organischen Gehörschaden behoben. In Folge dessen konnte die Person wieder sauber sprechen. Zum Glück ist uns der Hergang sorgfältig geschildert, sodass wir daraus reichlich lernen können. Lasst uns Jesus über die Schulter schauen, was er da genau getan hat:

1. Er nahm den Betroffenen beiseite vom Wirbel der Leute. Er tat das, um sich ihm ausdrücklich zuwenden und sich ganz auf ihn einstellen zu können. Die Person wird beschrieben als „taub“, nicht aber als „stumm“, sondern als „stammelnd“. Sie hatte einen Gehörschaden. Wir wissen nicht, ob angeboren oder erst seit einiger Zeit. Anzunehmen ist, dass die undeutliche Aussprache vom kranken Gehör herrührt. Das gesunde Ohr überwacht die Aussprache. Wenn es heißt: "Sie" brachten den Betroffenen, dann dürften es eher Bekannte gewesen sein, als etwa der Vater oder  Brüder. Sie bitten ausdrücklich, Jesus möge ihm die Hand auflegen. Wohlgemerkt: Sie sprechen nicht das Wort "Heilung" aus, sondern sie reden von Handauflegung. Offenbar haben sie von der Heilkraft, die aus seiner Hand strömt, gehört. Wir wissen nicht, ob der Gehörlose vorher informiert wurde, zu wem sie gehen würden. Sicher konnte er selber nicht die Bitte vortragen. Das Ereignis trug sich in der Dekapolis zu, wo der griechisch-römische Kulturkreis in der Übermacht war und Juden in der Minderheit. Für Jesus machte es  keinen Unterschied, ob sich seine Mitbürger, also Juden an ihn wandten oder  Ausländer, also Römer. Zunächst lässt sich auch nicht erkennen, ob es sich um Juden handelt oder um Leute aus den Völkern.

2. Jesus war also den Menschenandrang los geworden – vielleicht war er in eine enge Seitengasse der Stadt eingebogen und hatte sie absperren lassen. Als Zuseher waren nur eine Handvoll Leute zugelassen: wahrscheinlich die Bittsteller und ein paar aus seinem Schülerkreis. Stellen wir uns vor, dass Jesus sich Zeit ließ. Der Text ist zwar schnell gelesen, aber vielleicht dauerte die Behandlung Stunden. Zunächst presste Jesus dem Kranken die Fingerspitzen in die Ohren. Das griechische Wort BALLO heißt „werfen“ (nicht wie die Einheitsübersetzung schwach schreibt: „er legte ihm die Finger in die Ohren“). Wörtlich heißt es also: "Er warf die Finger in die Ohren." Es war eine intensive und anhaltende Behandlung. Jesus arbeitete körperlich und energetisch. Er sah vielleicht dem Schützling lange gütig in die Augen, während seine Finger in den Ohren wirkten. Vielleicht schaute er auch die Anwesenden, einen nach dem anderen reihum, genau an.

3. Dann hielt er sich die Finger vor den Mund und spuckte darauf. Speichel  war damals ein gebräuchliches Heilmittel. Das  verwendete er, indem er mit der speichelfeuchten Hand die Zunge des Hörgeschädigten anfasste. Die Einheitsübersetzung schreibt abgeschwächt: „Er berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel". Jesus nahm das Heilsame, das eng mit seinem Atem in Verbindung stand, aus seinem eigenen Mund und bestrich damit den unheilen Mund des anderen. Er „berührte“ nicht die Zunge, sondern „fasste sie an“ (Originaltext!)

4. Das alles geschah wortlos, eben wie es dem Gehörlosen entsprach. "Danach blickte Jesus zum Himmel auf. Er seufzte" Man kann das Seufzen auch mit "Stöhnen" übersetzen. Auf manche Leser wirkt das Seufzen rätselhaft. Seufzt Jesus, weil er die Taubheit und Stummheit als ein verbreitetes Übel in der reichen Welt erachtet?  Seufzt er, weil die Vision von Jesaja 35 noch immer nicht wahr geworden ist? Seufzt er, weil er die Hilfe des VATERS erfleht? Wenn wir in den Briefen des Paulus nachschlagen, sehen wir, dass das Seufzen in einem Abschnitt zu finden ist, der sich mit Hoffnung überschreiben lässt: „Denn wir wissen, dass die gesamte Kreatur bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber nicht nur das, sondern auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, auch wir seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden. Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet." (Röm 8,22-24) 

5. Erst jetzt sprach Jesus den Betroffenen mit dem Wort „Effata“ an. Markus überliefert uns das Wort in Original-Aramäisch (was die Muttersprache  Jesu ist, aber in den Evangelien sehr selten vorkommt, denn sie schreiben ja auf Griechisch). „Effata.“ erfordert einen  deutlichem Mundausdruck: E und A und A – alles mit weit geöffnetem Mund – wieder ganz für den Hörgeschädigten. Das griechische Wort heißt genau übersetzt „Sei ganz  geöffnet!“ Zur heilenden Geste mit Finger in den Ohren und Speichel als Heilmittel gehörte auch das ermutigende Wort. Das praktizierte Jesus immer so. Diesmal  setzte er  es ganz zum Schluss ein. Dabei machte er es nicht wie die üblichen Fachärzte und Heiler damals. Er flüsterte nicht Fremdwörter, die keiner verstand. Er sprach deutlich. Wir brauchen das Wort Effata nur auszuprobieren und dabei den Mund übertrieben weit aufzureißen, dann wird uns klar: Der Hörgeschädigte muss es verstandenen haben.

6. Nach und nach geschah das Wunderbare: Die Gehörgänge weiteten sich. Die Einheitsübersetzung schreibt zwar: „Es öffneten sich seine Ohren“, aber der Originaltext verwendet hier nicht mehr das Wort Ohren wie oben, sondern „Gehör“. Vielleicht sind damit die Gehörgänge gemeint, das Innenohr.  Durch die Gänge kann die Aufforderung tief eindringen: Jesus vermittelte ihm die Botschaft: „Versuche es! Du kannst dich ab sofort verständlich ausdrücken.“ Und tatsächlich: Das Gestammle ließ nach. Es heißt: "Seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit" Da merkt man, dass es sich um eine Sprachhemmung gehandelt haben muss, nicht um eine Erkrankung etwa der Stimmbänder. "Und er konnte richtig reden." Die vorher lallenden Ausdrücke wurden klarer – bis allmählich die saubere Verständigung da war. Markus schreibt zwar: "Sogleich", aber wir dürfen trotzdem annehmen, dass es allmählich geschah. "Sogleich" ist ein Lieblingswort des Markus, das er 48 Mal verwendet. Lukas hingegen nur 8 Mal. Vielleicht machte Jesus mehrere Sprechversuche und die Sprachbehinderungen ließen von Mal zu Mal nach. Anders wäre niemand auf die Idee gekommen, später zu erzählen, dass sich die Fesseln der Zunge gelöst hätten. Wir sollten uns also den ganzen Heilvorgang langsam vorstellen, in Schritten, nicht so  als wäre es eine Sache von wenigen Minuten gewesen. Deshalb ist er hier auch in sechs Abschnitten wiedergegeben. Jesus hat sich so viel Zeit gelassen, wie es der Hörgeschädigte brauchte. Kann sein, dass die Schaulustigen, denen von Beginn an kein Zutritt erlaubt wurde, längst die Geduld verloren und sich verlaufen hatten.

Zum Schluss gab Jesus den dabei stehenden Zeugen den dringenden Auftrag, das Ereignis nicht herum zu posaunen. Vielleicht trug er ihnen sogar auf, das andere Ende der Straße zum Weggehen zu benützen. Warum bestand Jesus auf der Schweigepflicht? Wir erhalten darauf keine Antwort. Aber eines ist sicher: Er wollte nicht als Wundertäter dastehen.  Sie hielten sich aber nicht  an sein Verbot, sondern erzählten das Erlebte weiter. Das Evangelium verwendet das Wort „verkünden“. Es kommt vom Herold. Er verkündet im Namen des Königs zum Beispiel: „Wisst ihr schon das Neueste? Seine Soldaten haben den Krieg gewonnen“ Wenn es heißt: "Sie staunten über alle Maßen", dann müssen damit die gemeint sein, die von der außergewöhnlichen Heilung erfuhren. Sie waren betroffen und fassungslos. Einige dachten weiter und sagten voll Dankbarkeit: "Er hat alles gut gemacht." So wie der Schöpfer des Universums sah, dass es "sehr gut war". Einige erkannten in dem Einzelfall auch das Zukunftsweisende: „Hier ist etwas Modellhaftes, etwas Ideales geschehen - so wie es schon das Jesaja-Buch als Vision entworfen hat: >Die Ohren der Tauben werden geöffnet. ... die Zunge des Stummen frohlockt<"

Wenn wir das Geschilderte nach 2000 Jahren studieren, sollten wir nicht beim Stauen stehen bleiben. Wir können den Umgangsstil von Jesus fortsetzen und verbreiten. Auch wir können uns sagen lassen: „Effata! Sei geöffnet!“ So wie es Markus bewusst auf Aramäisch wiedergibt, können wir es in unserem Dialekt ausformulieren: „Moch di af ... bis tiaf eini!“ (Mach dich auf ... bis tief hinein!) Wir können uns täglich selber üben darin, offen zu werden für seinen Zuspruch und das Wort, das uns die Anvertrauten sagen wollen.  Wenn wir feinsinniger hinhören, wird sich auch unsere Ausdrucksweise ändern. Von grober Sprache, unklarer Sprache, die über die Köpfe hinweg redet, wird sie sich so wandeln, dass wir Klartext reden und die Menschen im Herzen treffen. Es wird wie von selbst gehen. Dazu bedarf es keiner Rednerschulung, keiner ausformulierten Redevorlage. Jesus zeigt es an dem einen Beispiel des Hörgeschädigten. Er lädt uns zugleich ein, es als Modell zu nehmen: Neues Hinhören verbessert die Sprechfähigkeit. Wenn die Theorie der Exegeten stimmt, dass der Evangelist Markus dieses Stück noch nachträglich in seine Zweitausgabe eingefügt hat, können wir ihm dankbar sein. Es hat sich offenbar in der Gemeinde-Seelsorge in Rom herausgestellt, dass das Thema „Hören lernen und sich dadurch klarer ausdrücken“ ein wichtiges Thema für die Verkünder des Wortes ist. Auch Lukas scheint das zu wissen, denn er lässt die beiden Emmaus-Jünger dasselbe Wort sagen: „öffnen“: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften eröffnete?“ (Lk 24,32) Den Verantwortlichen in der Seelsorge wird damit gesagt: „Sei geöffnet. Sei nicht nur einer der redet, nicht nur einer, der das Programm vorgibt, sei einer, der hinhört.  Erst nach dem guten Hinhören wirst du Klartext sprechen können. Dein Gestammel wird aufhören.“ Das ist zwar eine Vision für die künftigen Kirchen, aber die Visionen werden schrittweise wahr.

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