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17. Feb. 2019

6.Sonntag im Jahreskr.

Ihr seid zu beglückwünschen.

Lukas 6,17.20-26

Die Seligpreisungen im Munde Jesu sind berühmt, aber wenig verstanden, erst recht wenig im Leben angewendet. Sie sind leicht ausgesprochen, aber äußerst anspruchsvoll in der Verwirklichung. Wer sie sich zur Lebensgrundlage gemachen hat, kann schrittweise hinein finden in diese Glückseligkeit. Er kann sie nach und nach bestätigen und damit Erfüllung finden. Schon die beiden Evangelisten Lukas und Matthäus hatten ihre Schwierigkeiten damit, die Worte so zu belassen, wie sie ursprünglich aufgeschrieben waren. Sie haben die Worte nicht eins zu eins aus ihrer Vorlage übernommen, sondern sie fühlten sich genötigt, einiges abzuändern.

Wir wollen uns hier nur die Gegenüberstellung ansehen zwischen Lukas und der Logienquelle Q. Matthäus lassen wir außer Acht, weil wir uns ja 2019  im Lesejahr Lukas befinden. Die Logienquelle Q, auch Spruchquelle genannt, ist eine sehr ursprüngliche und frühe Redesammlung dessen, was Jesus gelehrt hat. Q ist zwar nicht mehr erhalten, aber Bibelwissenschafter konnten sie wiederherstellen durch sorgfältige Forschung. Sie hat vermutlich als schriftliches Dokument existiert im palästinisch-syrischen Grenzraum. Sie könnte in der Sprache Jesu (aramäisch) abgefasst worden sein und zwar schon in den 40er oder 50er Jahren. Hier zunächst ein Vergleich:

Q etwa 50 n.Chr.

Selig, ihr Trauernden, denn ihr werdet getröstet werden.

Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles mögliche Schlechte gegen euch sagen wegen des Menschensohnes.

Lukas etwa 95 n.Chr.

Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.

Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und wenn sie euch ausstoßen und schmähen und euren Namen in Verruf bringen um des Menschensohnes willen.

Am deutlichsten ist der Unterschied in der 4.Seligpreisung: „… wenn sie euch ausstoßen“. Das erinnert an die Antrittsrede Jesu in Nazaret: Dort hat es Lukas so dargestellt, dass sie Jesus ausstießen. Sie drängten ihn an den Abgrund, um ihn hinunter zu stoßen. Siehe dazu 4.Sonntag, 3.Feb 2019. Lukas schreibt das auf dem Hintergrund seiner Gemeinde-Erfahrung. Er weiß darum, dass es gewisse Leute nicht ertragen, wenn die Mitglieder in der Jesus-Gemeinde das Vertrauen und die Hilfsbereitschaft zu ihrem Lebensmotto machen. Gegner machen sich lustig, spotten und zerstören den Ruf derer, der diese Achtsamkeit leben.

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Die palästinensische Frau war an der Quelle des Dorfes, um Wäsche zu waschen - begleitet von einem Kind (Foto unweit von Betlehem)

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Lukas fügt an die 4 Seligpreisungen gleich die Kehrseite an: „Weh euch ihr Reichen, denn ihr habt euren Trost schon empfangen. Weh euch, die ihr jetzt satt seid, denn ihr werdet hungern. Weh, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet klagen und weinen.“ Das stand nicht in der frühen Spruchsammlung, aber Lukas fand es sinnvoll, es zu ergänzen, denn er kannte die Welt der Reichen. Sie feierten Feste unter sich. Der Wein tat das Seine, dass die halbe Nacht gelacht wurde. Ein Riesenspaß musste es sein. Lukas deutet an: „Euch wird das Lachen noch vergehen. Ihr werdet erbärmlich weinen. Ihr Reichen habt im Reichtum euren Ansporn, eure Befriedigung, euren Trost gesucht und erhalten. Irgendwann aber verblasst die Wirkung. Was tut ihr dann?“ „ Das Wehe“ an die Reichen gerichtete – das kann man als Warnung lesen oder als Bedauern – so wie: Mir ist leid um euch. Es ist zu bezweifeln, ob das Wehe tatsächlich aus dem Mund Jesu stammte. Er hatte es nicht nötig, Reiche anzuklagen, zu warnen oder zu bedauern. Er selbst strahlte soviel Glückseligkeit aus als besitzfrei lebender Mensch. Das steckte einzelne Reiche an: Einer, der auf unsaubere Weise zu Reichtum gekommen war, kam zur Einsicht und gab 50 % seines Besitzes für soziale Zwecke her (Zolleintreiber in Jericho – Lk 19). Wohlhabende Damen wurden zu seinen Förderern. Sie haben ihn laufend unterstützt, in dem, was er für seine Gruppe brauchte. (LK 8,3) Paläste hat er sich nicht erbaut mit den Spendengeldern, auch keine Waffenlager angelegt, wie sonstige Messiasse.

Was meint Jesus, wenn er die Armen beglückwünscht und ihnen gratuliert, dass sie bereits Inhaber der Herrschaftsordnung Gottes sind? Verharmlost er damit das weltweite Elend? Will er die Lage der bettelarmen Bevölkerung schönmalen und verklären? Ist er damit nicht ein Träumer? „Die breite verarmte Schicht muss mobilisiert und zum Sturm gegen die Reichen aufgerufen werden“, das behaupteten so manche Messiasse. Heutige politische Emporkömmlinge hingegen warnen vor dem Ansturm der Armen. Sie reden der Mittelschicht ein, sie sollten ihren redlich erworben Wohlstand schützen. Sie schüren Angst vor den Armen und rücken sie in die Ecke der Verbrecher. „Selig, die Armen, ihnen steht das Imperium Gottes zu.“ – ist das zeitgemäß in einer Kultur der Sieger? Beglückwünscht werden heute die Erfolgreichen, die es finanziell zu etwas gebracht haben. So viele aus der durchschnittlichen Bevölkerung haben den Ehrgeiz, wenigstens den Anschein zu erwecken, dass sie sich auch etwas leisten können: Sie zeigen es durch ein kostspieliges Auto, luxuriöse Urlaube oder sonst etwas Auffälligem. Was hat Jesus mit dem Selig-Spruch gemeint? Wen hat er damit angesprochen?

Zum einen verstärkt er die Entscheidung seines Schülerkreises, die schon sein Lebensmodell von der Besitzfreiheit ausprobiert haben. Er fragt sie. „Habt ihr am Lebensnotwendigen Mangel gelitten, seit ihr mit mir so mittellos von Dorf zu Dorf gezogen seid? Fühlt ihr euch nicht reich beschenkt durch die wunderbaren Begegnungen? Die wären nicht so möglich geworden, wenn wir hoch zu Ross und wohlhabend durch die Lande gezogen wären.“ Das sagt er über Armut im Blick auf seine Anhänger. Er preist die freiwillig gewählte Unabhängigkeit von Besitz. Im Blick auf die arme Bevölkerung meint er: Wir können ihr Leben erleichtern, wenn wir ihnen Geld geben. Das wirkt aber nur solange, wie der Geldbetrag reicht. Wir können ihnen aber lang anhaltenden Lebensmut geben, wenn wir uns für ihre Situation interessieren und ein Stück ihres Lebens mitgehen. Wir können ihnen unsere Bewunderung ausdrücken darüber, dass sie so gut zurechtkommen. Unser geschenktes Geld weist auf ihre Armut hin, unsere Wertschätzung hingegen weist auf ihre Würde hin. Das kann ihre Sichtweise ändern. Vorher haben sie ihr Elend beklagt, jetzt können sie ihrem Leben einen Sinn abgewinnen. Viele meinen, die Lebensumstände seien es, die uns prägen: das Milieu, die Herkunft, der Geldmangel – und sie kämen da nie heraus. In Wahrheit prägt sie das, wie sie sich einschätzen, wie sie ihre Lage deuten. Diese Selbstbeurteilung können sie ändern und damit ändert sich ihre Zufriedenheit und ihr ganzes Leben.“

 

„Selig, ihr Hungernden, denn ihr werdet gesättigt werden.“ – Ist das eine Verharmlosung der Tatsache, dass von den 7 Milliarden Menschen auf der Erde 800.000 nicht genug zu essen hat? Nein, diese Tatsache ist ein himmelschreiendes Unrecht. Aber Jesus spricht hier von etwas anderem. Er spricht die Erfahrung an, dass nur jemand das beglückende Gefühl von „gesättigt werden“ erleben kann, der vorher hungrig war. Wer dauernd etwas in sich hinein stopft, bei dem kann kein Hungergefühl entstehen und folglich nicht die Freude, gesättigt zu werden. Das gilt für viele Bereiche: wohltuende Klänge hören, erfreuliche Nachrichten erfahren, Naturschönheiten sehen. Das Innehalten, das Leer-Werden, erzeugt die Fähigkeit und bereitet uns darauf vor, etwas Wertvolles aufzunehmen.

 

„Selig, ihr Trauernden, denn ihr werdet getröstet werden.“ – Sind damit die Jammerer gemeint? Sollen wir möglichst traurige Menschen sein, an nichts Freude haben? Nein, im Gegenteil: An den Trauernden Anteil nehmen, ihnen beistehen, mit ihnen trauern, sie nicht vorschnell beruhigen und trösten, schon gar nicht vertrösten, sondern ihren seelischen Schmerz verstehen und an ihrer Seite stehen. Kann man das auf Dauer? Es gibt soviel Kummer rundum – wer kann das alles aufnehmen und danach verdauen? Wer zum Schülerkreis Jesu gehört, wird Strategien entwickeln, wie man selber Trost empfängt. „Ihr werdet getröstet werden“ – Von Zeit zu Zeit braucht man dazu eine Gruppe. Es ist jene Gesinnungsgemeinschaft, die sich diese Seligpreisungen zum Lebensmotto gemacht hat. Es ist heute unerlässlich, dass solche Gruppen entstehen.

„Selig, wenn sie euch mit Spott und Vorwürfen überhäufen, weil ihr zu dieser Gesinnungsgruppe gehört. Freut euch und jauchzt; denn euer Lohn im Himmel ist groß“. – Ist das nicht weltfremd, wenn man sich über Verspottung freuen soll? Nein – nicht „darüber“ freuen, sondern „dagegen“. Die sicherste Methode, um der bösen Hetze zu widerstehen, ist der „Freudentanz“. Man darf keinesfalls zu sinnieren anfangen, keinesfalls sich das Engagement an der Seite der Leidenden verderben lassen durch die Schlecht-Reder. Falsch wäre auch, zurück zu schimpfen oder auch nur einen Groll in sich aufsteigen zu lassen. Ein wirksames Mittel in den frühen Christenrunden war offenbar, das Springen vor Freude. Was mit „jauchzen“ übersetzt wird, meint ganzkörperlichen Freudenausdruck in der Gemeinschaft. Was den Mitgliedern in Aussicht gestellt wird, das ist der „Lohn im Himmel“ Der motiviert sie. Damit ist nicht das gemeint, was man herkömmlich als Jenseits versteht, sondern damit wird etwas Unzerstörbares und Langfristiges benannt: Ihr schafft euch einen emotionalen positiven Vorrat, der nie mehr verloren gehen kann.

Paulus drückt es einmal so aus: „Uns wird Leid zugefügt, und doch sind wir jederzeit fröhlich; wir sind arm und machen doch viele reich; wir haben nichts und haben doch alles“. (2 Kor 6,10)

 

Lukas ist eher in wohlhabenden Kreisen verwurzelt, sonst hätte er ja kein Buch schreiben und herausgeben können. Er weiß trotzdem, dass man von Armen das lernen kann, was entscheidend mit der Herrschaft Gottes zu tun hat. Sie haben den Wohlhabenden etwas voraus: nämlich das Angewiesen sein auf den Größeren, auf den, der die Geschicke der Welt vorantreibt, der Zufriedenheit geben kann. Die Armen können das zwar nicht benennen, aber ihr Leben ist davon geprägt. Einer Wohlstandsgesellschaft fehlt dieses Wissen, sie ist stolz, eifersüchtig, besorgt um ihre Sicherheit und ihren Besitz. In den frühen Christengemeinden waren überwiegend ärmere Bevölkerungsschichten vertreten, die Wohlhabenden waren in der Minderheit. Das Evangelium Jesu war im Stande, die kleinen Leute zu ermutigen: „Ihr seid die Glücklicheren, ihr seid dem viel näher, was das >Reich der Liebe< ausmacht. Seid niemals den Reichen neidisch! Das verdirbt euer Glück. Seid eher denen in der Gemeinde dankbar, die ihre Villa für den Hauskreis zur Verfügung stellen“. Jesus kehrt die gesellschaftlichen Werte um: Den Kleinen stärkt er das Selbstbewusstsein, einigen Reichen wird die Ungerechtigkeit und Kurzlebigkeit ihres Geldes bewusst. Die Jünger müssen die glaubwürdigen Zeugen für dieses neue Gesellschaftsmodell sein, sie müssen es überzeugend vorleben und ausstrahlen – so wie damals erst recht heute. Die These Jesu, dass den Armen das Reich Gottes zusteht, ist anspruchsvoll: Einerseits ermutigt sie jene, die sich keinen Luxus leisten können, und zeigt ihnen ihre Vorteile auf. Andererseits filtert sie aus der Will-Haben-Gesellschaft jene heraus, die schon die Freude am bescheidenen Leben geschmeckt haben und sogar einen Genuss daran empfunden haben. Sie ermutigt diese Lernenden, weiterhin auf den Silber-Glanz zu verzichten und den Lernprozess fortzusetzen. Beide Gruppen sind glücklich zu preisen.

 

Anwendung im Gottesdienst:

Wie lässt sich das veranschaulichen? Wie in einem Kindergottesdienst?

Zwei kleine Kindergruppen können darstellen, wodurch Reiche und Arme gekennzeichnet sind: Die einen haben große goldene Schachteln, um die sie herum stehen und sich kaum bewegen, zusätzlich haben sie ein auffälliges teures Spielzeug, das immer nur ein Kind benutzen kann. Jedes Kind hat einen Rucksack (besser noch: einen kl Koffer) und holt sich eine in Plastik verpackte Süßigkeit heraus, reißt es auf, dreht sich von den andren weg, um es alleine zu essen.  – das sind Reiche.

Die anderen sind zahlenmäßig mehr, haben Holzspielzeug oder nur Naturmaterialien zum Spielen, sind kreativ, bewegen sich, helfen zusammen, machen Reigenspiele oder hängen sich zusammen, um ein Körper-Gebilde zu bauen. Sie haben merklich Freude daran. Einmal wendet sich ein Kind den Reichen zu, wird aber dort abgewehrt, die Reichen machen ein finsteres Gesicht, ziehen eine Grenzschnur oder stellen einen Zaun auf. Das Kind bleibt verdutzt in der Mitte stehen. Inzwischen ist eine erwachsene Person zu den Fröhlichen gekommen mit Fladenbrot. Die Kinder jubeln. Eines ruft das Kind her, das zu den Reichen gehen wollte. Sie teilen mit Freude ihr normales Brot, tauchen ihr Stück vielleicht in Hummus oder Marmelade ein, nehmen Rücksicht aufeinander.

Zur Inszenierung: Ein Sprecher liest diesen Text langsam und mit genügend Pausen vor, sodass die Kinder wissen, was der Reihe nach dran kommt und damit die übrigen Gottesdienst-Besucher erfahren, worum es hier geht. Am Schluss summen sie oder pfeifen halblaut ein Lied. Währenddessen trägt ein Sprecher folgende Sätze aus dem Evangelium vor. Er spricht langsam und mit Pausen:

„Das Reich Gottes – was ist das? Wer hat es begriffen? Wo wird es gelebt?

Ist es die Zufriedenheit? Ist es das Zusammenhalten? Ist es das Dankbar-Sein?

Selig ihr Armen, euch gehört schon das Reich Gottes.

Wer das Reich Gottes nicht so annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen.“

Siehe dazu die bettelarme Witwe, die im Tempel ihr Letztes eingeworfen hat.

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